Freiwilligenarbeit in Afrika?
Hi, ich habe mein Abitur gerade bestanden und plane nun ein sogenanntes "gap year". Mich interessiert Afrika total und so bin ich auf die Idee gekommen dort für 6 Monate zu volunteeren. Ich habe bisher schon extrem viel Recherche betrieben und mich intensiv mit den Kontroversen von Freiwilligenarbeit auseinander gesetzt (Stichwort Voluntourismus, Waisenhäuser etc). Umso schwerer ist es mir gefallen eine Organisation zu finden die keine Freiwilligenarbeit als eine Art "adventure tour" anbietet sondern wo mit einer lokalen Organisation zusammengearbeitet wird die davon auch nachhaltig profitieren kann. Ich würde gerne im Bereich Natur oder Umweltschutz arbeiten. Mir ist es wichtig, dass ich mit meiner Arbeit auch einen kleinen Beitrag leisten kann (weswegen ich auch gerne mehrere Monate in einem Projekt bleiben würde). Trotzdem ist mit auch der Aspekt der Sicherheit wichtig, wenn ich als Frau alleine reise, d.h. ich würde vorzugsweise mit einer Organisation reisen bei der ich einen Ansprechpartner habe. Meine Frage an euch wäre nun ob jemand Organisationen kennt die transparente und nachhaltige Freiwilligenarbeit für 6 Monate in Afrika anbieten? Oder sonstige Hinweise und Tipps? (für weltwärts bin ich leider zu spät dran da ich gerne im Januar ausreisen würde)
Vielen Dank im Voraus:)
Liebe Grüße Sophie
2 Antworten
Ich habe bisher schon extrem viel Recherche betrieben und mich intensiv mit den Kontroversen von Freiwilligenarbeit auseinander gesetzt (Stichwort Voluntourismus, Waisenhäuser etc). Umso schwerer ist es mir gefallen eine Organisation zu finden die keine Freiwilligenarbeit als eine Art "adventure tour" anbietet sondern wo mit einer lokalen Organisation zusammengearbeitet wird die davon auch nachhaltig profitieren kann.
Eigentlich weißt du selbst, dass sowas nur eine Abenteuerreise sein kann... Wie soll die einheimische Organisation denn nachhaltig von dir profitieren? Selbst wenn du umsonst arbeitest, musst du 24/7 betüddelt werden.
Alles, was du dort bewirken kannst, könnte ein Einheimischer besser. Weil er Land und Leute kennt, das Klima verträgt, die Sprache spricht, mit Tieren, Pflanzen und ökologischen Zusammenhängen vertraut ist.
Dreh die Sache doch mal um, stell dir vor, ein Hochland-Kenianer möchte unbedingt Robbenbabys an der Nordsee "retten"...
Bestimmt eine tolle interkulturelle Erfahrung für alle Beteiligten, aber denkst du nicht, den Seehunden wäre mit einem Jugendlichen aus der Nachbarschaft mehr geholfen? Dem man Ebbe und Flut nicht erst erklären muss, der nicht beim ersten "Schietwettereinsatz" gleich eine Lungenentzündung bekommt und dem man alles direkt erklären kann, statt es erst auf Englisch zu übersetzen?
Ich verstehe, dass es dir sehr wichtig ist, und ich gönne dir die Reise und die Erfahrung von Herzen. Ich finde es nur traurig, dass du unbedingt diese "Hilfe" in den Vordergrund stellen musst, als bräuchtest du eine Rechtfertigung für deine Neugier und Abenteuerlust.
Geh hin, tausche dich aus, tue Gutes, aber behalte beim Bilanzziehen auch deine Langstreckenflüge im Hinterkopf und überlege dir, was Einheimische mit dem Geld, das dich der Aufenthalt kosten wird, anfangen könnten, wenn du es direkt spenden würdest.
Als Hilfsaktion rechnet es sich m.M.n. nie, zum Kennenlernen von Land und Leuten ist es aber bestimmt nicht der schlechteste Weg. Weil persönliche Kontakte entstehen können und letztlich auch der Voluntourismus Arbeitsplätze vor Ort schafft.
Ich wünsche dir ein ereignisreiches Jahr, wie und wo auch immer du es verbringst.
Da hast du Recht. Es kam vielleicht so rüber als wäre mir dieses "Hilfe leisten" am wichtigsten. Mir geht es natürlich auch um eine Auslandserfahrung und ein learning was ich vielleicht später gewinnbringender einbinden kann.
Mein Gedanke war es einfach wenn ich schon so weit reise, dann eventuell etwas zurück geben zu können. Wie gesagt ist das nicht wirklich komplett möglich und es bleibt letztendlich eine Reise.
IIch bin ebenso offen (und habe auch schon recherchiert) für Praktika. Dort verrichtet man ebenfalls teilweise kleine Aufgaben die "volunteering" ähnlich sind.
Ich habe mich bewusst von Arbeit mit Kindern distanziert, da ich der Meinung bin das dies meist mehr Schaden anrichtet und Kinder zudem von gut ausgebildeteten Fachkräften unterrichtet werden sollten.
Im Bereich Umwelt ging es mir in erster Linie darum meinen Horizont zu erweitern und eventuell ein nachhaltiges Projekt zu unterstützen. Wie gesagt muss das nicht unter der Rubrik Freiwilligenarbeit und "armen Menschen helfen" stehen (mir ist auch bewusst dass man da vorsichtig sein sollte, "White saviorismus " etc).
Ich werde achtsam auswählen was ich mit meiner Zeit anstelle. Dir noch einen schönen Abend!
Ich kann Dir wenig Ratschläge geben bezüglich Hilfsorganisationen vor Ort.
Aber ich hab gut 5 Jahre lang in einer Wohngruppe mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gearbeitet (2015-2020), die Mehrzahl aus der Subsahara. Es wurden meine schönsten Jahre im Berufsleben.
Ich hatte aber den Vorteil meines gesetzten Alters und männlich zu sein. Ich habe mitbekommen wie respektlos Afrikaner zunächst über junge Frauen denken. ABER: wenn sie merken, dass jemand sich für sie einsetzt, kompetent ist und dass sie von einer Person viel lernen können, dann kommt sehr viel Dankbarkeit und Respekt - weit mehr als von Deutschen. Das heißt - auch die Frauen in meinem Team hatten nach einer Weile einen sehr guten Stand bei den Jungs.
Ich würde Dir raten darauf zu achten, dass Du in der Anfangsphase immer eine starke Persönlichkeit aus Deiner zukünftigen Organisation als Patron an Deiner Seite hast bis Du Dir einen eigenen Stand erarbeitet hast und die Verhältnisse klar sind.
Meine Erfahrungen beziehen sich vor allem auf Jungs aus Somalia, Nigeria, Guinea, Westafrika allgemein. Westafrikaner empfand ich disziplinierter - alle erreichten einen Schulabschluss!
Vorsicht gegenüber Nordafrikaner, das sind in ihrer Mentalität Araber. Deren Frauenbild lässt sich deutlich schwerer korrigieren, weil sie sich an ihre Machorolle klammern und sich von einer Frau nichts sagen lassen wollen.
Aber klar, das sind nur Tendenzen - keineswegs pauschale Aussagen.
Pass gut auf Dich auf, viel Glück und eine lehrreiche Zeit.....
Ja ich bin mir dessen bewusst. Aufgrund der Tatsachen von denen du einige auch schon genannt hast, habe ich den Plan auch selbst schon fast wieder verworfen gehabt. Trotzdem bin ich der Meinung dass man das nicht auf alle Projekte einfach so übertragen kann. Ich suche nach keiner Organisation die mich in komplexe Aufgaben einbezieht, sondern nach einfachen Dingen, die man auch Personen ohne große Vorerfahrung zutrauen kann. Beispielsweise gibt es Projekte in Tierstationen mit Straßenhunden bei denen Freiwillige teilweise einen nachhaltigen Beitrag leisten können und was indirekt auch der Umwelt zugute kommt. Ich kenne persönlich Leute die soetwas gemacht haben und habe zudem mit vielen Leuten (eine davon hat einen tansanischen Freund und lebt mittlerweile dort) per Telefon gesprochen. Natürlich kann man auch in Deutschland gute Beiträge leisten und jeder der ins Ausland geht für ein paar Monate sollte sich der Tatsache bewusst sein dass man dies genauso gut vor der Haustür machen kann. Trotzdem kann dieser kulturelle Austausch für beide Seiten bereichernd sein wenn die Kriterien für eine nachhaltige Organisation stimmen. Teilweise gibt es auch Organisation die durch ihre Existenz Arbeitsplätze für Einheimische schaffen. Natürlich sollte man drauf achten, dass sie keine Arbeitsplätze wegnehmen. Solche Projekte wie ich sie beschrieben habe sind natürlich sehr schwer zu finden, weswegen ich diesen Beitrag verfasst habe (man weiß ja nie). Und ja es wird nie ein Programm geben was einfach nur perfekt ist für alle Beteiligten. Wichtig ist aber dass das positive überwiegt. Zudem ist es möglich auch im Nachhinhein nachhaltig zur Organisation beizusteuern und somit etwas Gutes zu tun. Ich kenne beispielsweise eine Person die in Kenia eine Initiative gestartet hat und somit Kindern an einer Schule mithilfe von Spenden unterstützt (olives primary school). Diese Unterstützung wäre den Kindern vor Ort nicht zuteil geworden wäre die Person nicht nach der Schule ins Ausland gegangen. Ich selbst habe dort auch gespendet. Ich glaube hierbei gibt es kein schwarz weiß da es ein sehr komplexes Thema ist und ich denke es ist schwierig die Situation einfach "umzudrehen". Ja natürlich können Einheimische besser helfen als jemand der einfach so daher kommt. Jedoch sollte man den an sich positiven Willen einen Beitrag leisten zu wollen nicht einfach so vergessen. In meinen Augen ist jede Hilfe gut. Wenn man alle Hilfe einfach so ablehnen würde vor dem Argument dass können ja Einheimische Person besser tun würde man kulturellen Austausch und auch Fortschritt behindern. Ist es in deinem Beispiel nicht besser, wenn überhaupt jemand da ist der sich an der "Rettung von Robben" beteiligen will als gar niemand. Das heißt ja nicht dass man Personen vor Ort die helfen wollen abweist. Es ist nur eine Frage von "die Hilfe anzunehmen die angeboten wird". Unsere Welt ist mittlerweile so globalisiert dass es unvermeidbar ist dies so strikt zu trennen. Solange man offen und respektvoll ist denke ich kann Freiwilligenarbeit unter den richtigen Umständen durchaus einen wenn auch nur sehr kleinen aber nicht zu vergessenden impact haben. Trotzdem schätze ich deine Antwort und sehe einige Punkte die du genannt hast. Genau aus dem Grund habe ich Kontroversen anfangs in meinem Text auch schon angesprochen.