Ethiken eigene Meinung?

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Es gibt diese Tugendethik oder Pflichtethik in Philosophien. Sowohl im Utilitarismus als auch in deontologischen Ethiken, etwa der Pflichtethik Kants, steht die Handlung im Vordergrund, und damit die Frage: „Was soll ich tun?“

An dieser Fokussierung kritisieren moderne Tugendethiker, dass sie keine Antworten auf die Frage gebe, wie der Mensch sein muss, um glücklich zu leben. Auch auf die Motivation von Handlungen – wie Liebe und Neigungen – werde keine Rücksicht genommen. Die Tugendethik setzt dagegen, dass ein richtiges Handeln in richtigen Einstellungen und Charaktereigenschaften gründe. Wenn der Mensch diese eingeübt habe, sei er auch in Entscheidungssituationen in der Lage, angemessen zu reagieren.

In einer tugendethischen Sichtweise ist damit der Maßstab für richtiges Handeln das Ideal eines tugendhaften Menschen, bzw. die Handlungen eines tugendhaften Menschen. Was nun konkret tugendhaft ist, ergibt sich insbesondere aus den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine absolute Begründung des Sollens gibt es hingegen nicht. Diese Einschätzung ist jedoch umstritten. Es gibt auch Auffassungen, dass es Tugenden gibt, die über die verschiedenen Kulturkreise hinweg einen allgemein gültigen Kern haben, der höchstens im jeweiligen sozialen Umfeld eine Adaption erfährt. Zunehmende Bedeutung und Rezeption erfährt die Tugendethik im Bereich der Unternehmenselthik. Jüngere führungsethische Publikationen beziehen sich dabei explizit auf Aristoteles.

Kritik

Kritiker der Tugendethik bemängeln insbesondere, dass diese keine Lösungen zu aktuellen praktischen Fragen wie Abtreibung, Todesstrafe etc. bietet, dass Handlungsfolgen nicht bewertet werden, wie auch, dass im konkreten Einzelfall kein Lösungskonzept gefunden werden kann. Des Weiteren lassen sich gesellschaftliche Grundregeln (die üblicherweise in Gesetzen formuliert sind) wie das Verbot von Mord, Raub, Vergewaltigung, Betrug etc. nicht unmittelbar aus einer Tugendethik begründen. Ähnliches gilt für die Menschenrechte.

Als Lösung für die durch solche Kritik angeregte Fragen gibt es Ansätze, die eine Verbindung der handlungsorientierten Ethikprinzipien mit der Tugendethik zu einem Gesamtkonzept fordern. Ausarbeitungen beziehen sich dabei teilweise auf die in der Kritik ausgelassenen Argumente bei Aristoteles selbst und entwickeln sie weiter. Andere Ethiker ergänzen das tugendethische Grundmodell durch alternative Ansätze und Modelle.

Tugendethik/Pflichtethik formulieren einen Maßstab, der nur eng begrenzt eine Hilfe im Leben sein kann. Das ist wie bei der Arzthelferin, die die Behandlung anstelle eines Arztes durchführt. Sie legt professionell einen Verband um den ggf. gebrochenen Arm - und sagt: "Keine Ahnung, ob damit das Problem gelöst ist, aber die Hauptsache ist ja das richtige Anlegen eines Verbandes."