Erfahrungsberichte zum Thema Auswandern nach Brasilien

4 Antworten

Ceará hat völlig Recht mit dem, was er, manchmal etwas überspitzt formuliert, sagt, gratuliere auch zum Humor, den er dabei nicht verloren hat. Eine hervorragende Charakterisierung dieses Landes, in dem ich seit mehr als 20 Jahre wohne. Die Vorteile Brasiliens heute sind aus meiner Sicht das Klima und frisches, gutes Essen. Ebenso der allgemeine Umgangston, der wesentlich lockerer ist als in Mitteleuropa und grundsätzlich "gut gelaunt".  Und das war´s eigentlich schon. Vor 20 oder gar 30 Jahren war das allerdings anders, heute nicht mehr.

Größte Nachteile: 1) Preise: heute ist in Brasilien alles teurer als in Deutschland, vom Apfel bis zur Zahnbürste. Und zwar nicht um wenige Prozente sondern teilweise 300% bis 500% oder mehr. Besonders Industrieprodukte, fängt bei der Thunfischdose an, die man bei Euch in D. bei Aldi für 59 Cent kriegt, kostet hier mindestens zwei Euro. Schokolade ist zu Ostern 10 bis 12 Mal teurer als bei Euch, nur weil sie die Form eines Eis oder eines Hasen hat, danach immer noch drei- bis fünfmal teurer als in D. Autos kosten gut und gerne das Dreifache, bei entsprechender Ausstattung, die bei Euch Standard ist, hier gibt es den Airbag erst ab 2014 als Pflicht, die meisten fahren i.d.R. ohne, weil es sehr teuer, selbst Klimaanlage lassen sich die Autobauer hier als Extra vergolden. Weine aus brasilianischen Nachbarländern kosten bei Euch als "Reserva-Qualität" aus Argentinien, Uruguay und dem Quasi-Nachbarland Chile etwa 4 - 5 Euro, hier kostet dieselbe Flasche 20 - 25 Euro. Die Angebote in den Supermärkten sind in SP und Rio noch nicht einmal mit deutschen Billigketten zu vergleichen, aber mit horrenden Preisen, so kostet eine Packung Kellog-s Cornflakes mit 730 g im Carrefour in SP BRL 16,30, das sind mehr als 10 US-Dollar. Ausserhalb der großen Städte sind die Preise für jegliches Industrieprodukt i.d.R. noch höher als in SP oder RJ, BH usw. Ein Brasilianer, der bei Euch zu Lidl, Netto oder Aldi einkaufen geht, kriegt einen Kultur-, Qualitäts- und Preisschock, hält McGeiz für eine Nobelkette vom Mars. Der Grund für diese Situation ist a) der völlig verzerrte Wechselkurs, d.h. der Real ist überbewertet, b) die exorbitanten Steuern in Brasilien und c) die Unverschämtheit der Händler, Zwischenhändler usw. Es gibt in Brasilien praktisch keine Konkurrenz, es gibt Oligopole, die sich die Bälle zuschieben. Der Brasilianer kennt keine wirkliche Produkt- oder Serviceauswahl und ist auf das angewiesen, was es hier gibt, weitab vom zentralen Geschehen der Weltwirtschaft.

2) Lohnniveau: von den seit der Regierung Lula und Nachfolgerin Rousseff seit knapp neun Jahren enstandenen Arbeitsplätzen liegen 96% bei anderthalb Mindestgehältern, d.h. ca. BRL 800, etwa 350 - 400 Euro. Es ist gut, dass es diese Jobs überhaupt gibt, der Rest der Bevölkerung wird von der Regierung ernährt "bolsa família". Es braucht heute in Brasilien niemand mehr zu arbeiten, besonders der Nordosten des Landes kriegt das zu spüren. Aber das ist kein Leben, das sich ein Auswanderer aus D. vorstellt, das muß man entschieden sagen. Die internationalen Unternehmen schicken immer weniger Entsandkräfte ins Land, auch wegen der hohen lokalen Kosten, denn die in Brasilien tätigen Manager verdienen heute teilweise erheblich mehr als in der Schweiz, USA usw., sonst kommen sie nicht hierher.  Aber das, was man das Mittelfeld nennt, verdient mit Hängen und Würgen BRL 2000 - 5000 (900 bis 2000 Euro) und damit ist man im Vergleich zu D. zumindest im unteren Bereich schon fast "arm". 

3) Gesundheitswesen und Schulen werden i.d.R. grundsätzlich privat bezahlt, ansonsten ist man auf teilweise sehr niedriges Niveau angewiesen. Es gibt hier aber durchaus lokale und regionale positive Ausnahmen.

4) Bürokratie: zieht sich durch alle Lebesbereiche. Man kriegt niemals ohne weiteres eine Aufenthaltsgenehmigung usw., i.d.R. nur durch Tricks und mit viel Geduld, wenn z.B. eine Firma Produkte aus dem Gesundheitsbereich hier verkaufen will, braucht sie mehrere Jahre für die Produktregistrierung, bei hohen laufenden Kosten usw. 

5) Gewalt: man muss wissen, wie und wo man sich bewegt, kann dieser durchaus dem Weg gehen, aber es herrscht eine permante Spannung, zumindest in den großen Städten, auf Schritt und Tritt, egal wo man ist. Nur in geschlossenen Wohngebieten ist man sicher, muss allerdings auch dort mit rücksichtslosen Autofahrern rechnen, weder Zebrastreifen respektieren noch sonst irgend etwas.

6) Jobs: abgesehen von den Geschäftsführern und einigen wenigen Führungskräften denen es wirklich so gut geht "wie Gott in Frankreich" suchen z.B. neue deutsche Firmen i.d.R. nur Verkaufsingenieure, die sie mit einem Grundgehalt von 1000 bis 1500 Euro abspeisen wollen (lächerlich bei den hiesigen Lebenshaltungskosten) und das o.g. "Fußvolk", wenn überhaupt. Kein Land für gutgläubige Einwanderer, die meinen, sie könnten sich hocharbeiten, selbst bei Firmen von Landsleuten. Lieber selbstständig machen, Arbeit auch für andere schaffen, es lohnt sich!

GuterAntworter2  10.05.2011, 20:15

Tolle Antwort die viele meiner Erfahrungen in Brasilien deckt! Daumen hoch!

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Brasileiro8  31.12.2015, 17:55

Ihre kurze Zusammenfassung über Brasilien ist klasse. Im Jahr 2015 war ich in Brasilien in über 7 Bundesstaaten und kann daher ihre Aussagen nur bestätigen. Danke. 

Ich wünsche Ihnen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2016.

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Was hast Du für Anforderungen und Erwartungen? Im Augenblick ist die wirtschaftliche Situation recht gut und es fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings erkennt Brasilien keine deutschen Diplome an und Du müsstest sie anerkennen lassen, dieses ist zum Teil mit Zusatzausbildungen verbunden. Im handwerklichen Bereich gibt es keine Ausbildung im deutschen Sinne. Zumindest müsstest Du ein bisschen Portugiesisch können. Allerdings ist es nicht einfach eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Ruf mal beim brasilianischen Konsulat an oder lies Dich auf der Homepage schlau:

http://www.brasil.diplo.de/Vertretung/brasilien/de/Startseite.html

Da gibt es im Web "Auswandererforen", oder such mal mit den Suchbegriffen"Deutsche in Brasilien" oder Deutsche in Südamerika", bzw. "Deutsche im Ausland". Es gibt einige sehr gute Foren über Deutsche, die dort leben oder gelebt haben. Außerdem gibt es beim "Bundesverwaltungsamt" (googeln) Broschüren, Adressen und Infos zum "Auswandern nach BRASILIEN" 

Ich will mich hier zu diesem Thema noch einmal zu Wort melden. Damit einige Komiker wissen was Sache ist und ernsthafte Fragesteller eine Antwort erhalten.

Höre man sich hier nicht den Quatsch an "mache dir keine Sorgen, lasse dich nicht irre führen"! Die Kriminalrate ist hoch, sehr hoch!! Ich bin umgezogen, vom Strand weg etwas weiter nach innen von Aracati. Ich wusste von dem Stadtteil nichts vorher. Fünf Minuten von der neuen Fakultät entfernt, gut für meine Frau. Google Earth - Aracati Ceara - unterhalb von dem kleinen Flugplatz. Was ich nicht wusste, mir der selbe Vermieter verheimlichte, eine Strasse hinter mir fängt die Favela an. Kriminalität, Drogen. Von der Strasse aus kann keiner in mein Grundstück - Sicherung mit grosse Metallstachel, aber vom Nachbarhaus aus. Dort gibt es keinerlei Sicherung. Letzten Sonntagmorgen gegen 3 - 4 Uhr morgens kam der Dieb. Die Waschmaschine war ihm zu schwer, also nahm er den Wasserschlauch mit. 09 Uhr klopft es am Tor. Meine Frau geht hin und fragt. ( Mein erster Fehler) Ich war gerade hinten im Hof und sicherte das aufstehende Tor. Der Boy sagte: wenn er 50 Real bekommt, gibt er den Wasserschlauch zurück! Was heisst, er braucht Geld für Drogen. Hätte wir ein Auto, es wäre weg (wenn im Wagen keine Alarmanlage installiert ist). Unser Schäferhund schlief vor an der Haustür, er hatte nichts gehört. Ab dem Vorfall hört er, da er Nachts nur noch hinten bleiben darf. (war mein zweiter Fehler) In den nächsten Tagen wird der Teil elektrisch gesichtert!! 6 m Länge vier Leitungen hoch kosten 450 Real +/- 200 Euro! Ob´s dem Nachbar passt oder nicht interessiert mich nicht. Und ein zweiter Schäferhund kommt ins Haus. KEIN SCHUTZ GEGEN SCHUSSWAFFEN, davon gibt hier mehr als Bohnen und Reis. Heute 06 Uhr an den betreffenden Strand wo ich drei Monate lebte, Killer tötet eine Lehrerin und verletzt eine Zweite. Meine Vermutung, Auftragsmord. Der Ehemann ist selbst ein Krimineller (Drogenkurier). Der Killer fand den Ehemann nicht, also musste die Frau dran glauben. 09 Uhr war der Killer gestellt. Wer sich nur minimal mit Kriminellen einlässt hat keine Chance mehr ausser auf dem Friedhof zu landen. Seit dem Diebstahl bei mir bin ich mehr als hellwach. Nachbarschaft - Kontakt Verbot! Kommt ein Unbekannter an die Tür mache ich auf. Meiner Frau sagte ich, sie soll nicht so viel erzählen von uns. Besser bei Unterhaltungen mehr hin hören.

Irgendwo las ich mal die Frage, ob Brasilien irgendwann ein Krieg hatte. NEIN! Der Krieg findet auf Brasiliens Strassen, Supermärkten, Banken und in der Wohnung statt. Der Brasilianer welcher sich jetzt hier hinstellt und meint ich lüge ist derjenige welcher hier spinnt, vertuscht, verschweigt und und nur von deutscher Bolsa de Familia (Sozialhilfe) in Deutschland lebt. In Brasilien gibt es X unterschiedliche Polizei Einheiten. Nicht nur zwei oder drei Einrichtungen. In Tarnkleidung, schwer bewaffnet, speziell ausgebildet. Neuste Anschaffung Dronen gegen den Drogenschmuggel welcher per LKW Ladung Brasilien erreicht. Du glaubst eine Wohnung im Hochhaus, im bewachten Gelände schützt dich? Grosser Irrtum! Der Tag ist gefüllt mit Polizeieinsätze in den TV Nachrichten Morgens, Mittags und Abends. Es passiert in der Drogerie, Supermarkt, Bank, auf der Strasse. Vom Motorbike aus, vom vorbeifahrenden Auto! Sie fragen nicht, sie ballern drauf los. Ein falsches Wort und du bist nicht mehr! Am hellerlichten Tag, im Massenverkehr, in der Einkaufsmeile! RIO? Sao Paulo? Blödsinn, im kleinsten Bimbodorf, auf der Landstrasse.
Sicher, du kannst hier leben aber nicht so sorglos wie in Deutschland. Ich habe neun Jahre in Parana gelebt, sorglos. Aber, dort hatte ich für 600 qm vier Fila Brasileiro. Und, ich habe mal als Warnung einen Fila laufen lassen! Hier im Nordosten, Ceara. Vergesse mal Sonne Strand und Palmen!

Brasileiro8  03.01.2016, 15:01

Klasse Bericht. Nach meinem erlebten Überfall in Brasilien musste ich zur dortigen Touristenpolizei Deltur. Dort wurde mir in portugiesisch mitgeteilt: "Aqui é guerra, na Alemanha paz!" übersetzt und wortwörtlich "Hier herrscht Krieg, in Deutschland Frieden!"

Jedes weitere Wort zu diesem Thema ist überflüssig.

 

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