„Die Tätigkeit der SEELE gemäß der Vernunft“ (Aristoteles)?
Hallo,
ich bin gerade dabei, Aristoteles‘ „ergon-Argument“ nachzuvollziehen und habe es größtenteils auch verstanden. Allerdings stört mich eine Formulierung: die Tatsache, dass von einer Tätigkeit der SEELE die Rede ist. Wieso muss/soll die Seele diese ausüben? Weil ihr sozusagen die Vernunft „innewohnt“ bzw. die Vernunft „aus ihr entspringt“?
Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir erklären könnten, ob ich da richtig liege!
LG Weena
1 Antwort
Aristoteles bestimmt die Seele (ψυχή, psychē) als das substantielle Formprinzip des Lebendigen, dessen höchste Entfaltung beim Menschen in der vernunftgemäßen Tätigkeit (κατὰ λόγον, katà lógon) besteht. Der Vernunft (νοῦς, nous) kommt dabei nicht die Rolle eines akzidentellen Instruments zu, sondern er realisiert als ἐντελέχεια (entelecheia) der menschlichen ψυχή deren wesensgemäße Vollendung – analog zur Sehfunktion (ὄψις, ópsis) als Wirklichkeit des Auges (ὀφθαλμός, ophthalmós). Dieses ἔργον (érgon) begründet die spezifische ἀρετή (aretḗ) des Menschen: Erst im vollendeten λόγος-Gebrauch erreicht die ψυχή ihr τέλος (télos) gemäß ihrer φύσις (phýsis). Die ontologische Notwendigkeit dieser Tätigkeit folgt aus dem aristotelischen Grundsatz, dass jedes Seiende seine Wesensbestimmung nur in der aktualisierten ἐνέργεια (enérgeia) erfüllt.
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung! Das hilft mir weiter :)