Das Anthropozän wurde abgelehnt- wie denkst du darüber?

2 Antworten

Als Geologe kann ich der Entscheidung nur zustimmen. Die Einführung der "Epoche", deren Abgrenzumng sehr unbestimmt war, war ganz dem Zeitgeist geschuldet. Nun hat sich Vernunft/wissenschaftliches Denken durchgesetzt.

"Allerdings gab es im Vorfeld der Abstimmung Kritik an dem Prozess: So sei übereilt eine Frist gesetzt worden, ohne dass es ausreichend intensive wissenschaftliche Erörterungen gegeben habe.

Die Kritiker störten sich aber an zwei Hauptpunkten des Vorschlags der AWG. Zum einen widerstrebt es ihnen, die aktuellen Veränderungen in den Rang einer Erdepoche zu erheben. Erdepochen stehen für große Einschnitte in der Erdgeschichte, etwa das Pleistozän, das vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann und vor 11 700 Jahren endete, was den Start des aktuell gültigen Holozäns markiert. Und zum anderen sind sie schlicht nicht davon überzeugt, dass die Mitte des 20. Jahrhunderts einen derart gewaltigen Einschnitt darstellt.

Damit begründet zum Beispiel einer der Wortführer der Anthropozän-Gegner in dem Entscheidungsgremium, Mike Walker vom Department of Geography and Earth Sciences an der Aberystwyth University in Wales, seine Ablehnung. Der menschliche Einfluss auf die Erde reiche viel weiter zurück als in die Mitte des 20. Jahrhunderts. In einem Positionspapier, das 2022 im »Journal of Quartenary Science« erschienen ist, schlug Walker zusammen mit einigen Kollegen vor, von einem »geologischen Ereignis« zu sprechen. Als Ereignis gelten in der Geologie verschiedene größere erdverändernde Geschehnisse wie etwa Vulkanausbrüche oder die massive Anreicherung von Sauerstoff in der Atmosphäre vor rund zwei Milliarden Jahren. Diese Einstufung unterhalb einer Epoche spiegele »die Realität sowohl historischer als auch aktueller Mensch-Umwelt-Interaktionen besser wider«, schrieb Walker in dem Papier.

Die Fürsprecher eines so genannten »frühen Anthropozäns« führen zudem an, dass Menschen mit Reisanbau und Viehzucht sogar schon vor Jahrtausenden den Methangehalt der Atmosphäre erhöht hätten. Die »New York Times« zitierte den Geologen Jan A. Pietrowiski von der Universität Aarhus in Dänemark mit den Worten, ein Startdatum im 20. Jahrhundert würde die Bedeutung des Anthropozäns einengen: »Was ist mit dem Beginn der Landwirtschaft, der industriellen Revolution, der Kolonisierung Amerikas und von Australien?«

Zu den Kritikern der Anthropozän-Hypothese zählt schon seit Längerem Philip Gibbard von der University of Cambridge, der derzeit auch als Generalsekretär der ICS fungiert und damit einen erheblichen Einfluss auf den Entscheidungsprozess hat. Er hält den radioaktiven Fallout aus Atombombentests, den die AWG als eines der weltweit und dauerhaft messbaren Signale für den Beginn des Anthropozäns Anfang der 1950er Jahre benennt, für unzureichend. Es sei derzeit unmöglich, eine weltweit gültige genaue Abgrenzung vorzunehmen, sagt Gibbard. Er schlug in früheren Stellungnahmen vor, das Anthropozän als »kulturellen Begriff« und als »Label« zu verwenden statt als formale Epoche, ähnlich wie etwa das Mittelalter. Später schloss er sich dem Vorstoß an, nur ein geologisches Ereignis zu definieren."

Quelle: https://www.spektrum.de/news/geologen-lehnen-neues-erdzeitalter-anthropozaen-ueberraschend-ab/2210153

Klingt für mich nachvollziehbar.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl Geograph