War die Berliner Mauer der Offenbarungseid des Sozialismus?

5 Antworten

Nein.

Begrifflich halte ich das für zu pauschal und undifferenziert. Warum auch so unpräzise?

Ein Offenbarungseid ist er für die kommunistische Bewegung, die ein positives Verhältnis zum stalinistischen Gesellschaftsmodell eingenommen hatte.

Ein Offenbarungseid ist er auch für diesen stalinistischen Modellversuch und darüber hinaus für alle voluntaristischen Gesellschaftsmodelle,

Andererseits glaube ich nicht, dass die kapitalistische Gesellschaft nach der Sklavenhaltergesellschaft und dem Feudalismus schon den Endpunkt gesellschaftlicher Entwicklung markieren soll. Das wird schon noch weitergehen. Aber wie dann diese höhere Gesellschaftsalternative konkret aussieht und ob die dann noch Sozialismus genannt würde, ist von heute aus nicht absehbar, da auch keinerlei Tagesaufgabe.

tevau  23.03.2020, 12:39
die kapitalistische Gesellschaft nach der Sklavenhaltergesellschaft und dem Feudalismus schon den Endpunkt gesellschaftlicher Entwicklung markieren soll.

... wobei eine sozialistische Gesellschaft, in der einige wenige ohne kontrolle durch das Volk die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Bereiche diktieren, dem Feudalismus deutlich näher ist als der Kapitalismus.

Das höchste Gut des Menschen ist die individuelle Freiheit. Und die ist wohl kaum gegeben, wenn dem Menschen ein bestimmtes, von einer kleinen Gruppe definiertes Gesellschaftbild und die eigene Unterwerfung mit Gewalt aufgezwungen werden, wie es bisher in jedem Versuch von Kommunisten, eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, war.

Überlasst Sozialismus und Kommunismus den Ameisen. Der Mensch ist nicht dafür geschafffen.

1
atzef  23.03.2020, 12:48
@tevau

Mit Blick auf den "real existierenden Sozialismus" unterschreibe ich das bis auf den letzten Satz alles.

0
tevau  23.03.2020, 13:01
@atzef

Ja, und der "irreale" Sozialismus soll dann auch bitte das bleiben, was es ist: Eine nette Gedankenübung unter Annahme falscher Bedingungen (bzw. Ausblendung der tatsächlichen) .

Alle Versuche, diesen theoretischen Sozialismus in die Praxis umzusetzen hat zu millionenfachem Leid und Tod geführt.

Ewig Gestrige gibt es halt nicht nur am rechten Außenrand.

0
atzef  24.03.2020, 10:08
@tevau

Meine Rede: "Irreale", also voluntaristische Vorgriffe auf die gesellschaftliche Weiterentwicklung, münden in menschenrechtliche Großkatastrophen. Aber auch Versuche, gesellschaftliche Weiterentwicklungen künstlich aufzuhalten oder gar zurückzudrehen. Wer wüsste das besser als wir Deutsche?

0
Sektenforscher  24.03.2020, 08:15

Schuld war nicht nur der Stalinismus. Als Erich Honecker Walter Ulbricht ablöste, waren die Verhältnisse nicht besser. So versuchten DDR-Bürger über Ungarn zu flüchten. Vielfach wurde aber die Flucht durch den ungarischen Geheimdienst vereitelt. Die größten Chancen waren über Schleuser.

0

Das kannn man so sehen. Die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang hatten allein den Zweck, die massive Flucht der Menschen, die in der sozialistischen DDR keine Zukunft sahen und in den demokratischen, kapitalistischen Westen übersiedelt bzw. geflohen sind, zu unterbinden.

Wegen dieser Flucht drohte die DDR auszubluten und hat mit Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen die eigene Bevöllkerung daran gehindert, in den Westen zu migrieren.

Geholfen hat es am Ende nichts - die sozialistische DDR war zum Zeitpunkt ihrer Auflösung wirtschaftlich und produktiontechnisch völlig heruntergewirtschaftet.

Aber das Bestreben der Flucht aus der sozialistsichen DDR hatte nicht nur wirtschaftliche Gründe. Die Menschen in der DDR mussten sich massiver staatlicher Gängelung und Repression, Anpassungsdruck, Freiheitseinschränkung, Überwachung und Einschränkung der individuellen Entfaltung unterziehen, die in der Natur des Sozialismus, also der zentralen Lenkung von Wirtschaft und Gesellschaft, liegen.

Übrigens ist die DDR nicht das einzige sozialistische Land, das mit Fluchttendenzen seiner Bewohner zu kämpfen hat bzw. hatte. Es trifft vielmehr auf alle sozialistischen Länder zu: Die Menschen wollen raus!

Man spricht auch von der "Abstimmung mit den Füßen". In demokratischen Wahlen können Menschen in sozialistischen Gesellschaften nämlich nicht abstimmen.

Richtig! Bereits 1961 war das Experiment des Sozialismus am Ende. Das System konnte den Vergleich mit dem Westen nicht länger aushalten und wäre ohne die Mauer kollabiert. Hätten die Kommunisten das damals ebenso gesehen und ihr Experiment beendet, wäre einer ganzen Generation sehr viel Leid erspart geblieben. Leider haben die rein gar nichts begriffen und mussten in den Orkus der Geschichte gedrückt werden.

Sektenforscher  23.03.2020, 17:33

Mit dem Bau der Mauer war die Ost-Zone, wie man sie vielfach noch nannte, in der Meinung der Westdeutschen unglaubwürdig geworden. Auch die entsprechenden Todesfälle an der Zonengrenze trugen nicht zu einer Verbesserung der Situation bei. Als 1968 die DKP in Westdeutschland gegründet wurde, wurde in den kommunistischen Kreisen diese Partei unglaubwürdig. Auch war sie von der DDR finanziell völlig abhängig. Dazu kam die Invasion von Truppen des Warschauer Vertrages in die CSSR. Das war ein Bruch früherer Beschlüsse. Die neue Doktrin des Herr Breschnew machte dies möglich. Kein Land des Warschauer Vertrages sollte aus dem Bündissystem ausscheiden können. In den Siebziger Jahren wollte die DKP Handwerksmeister aus bürgerlichen Kreisen in den Kommunen als Kandidaten für den Stadtrat mobilisieren. Doch blieb der Erfolg bescheiden.

1

Der Offenbarungseid der Gruppe Ulbricht wurde bereits am 17. Juni 1953 geleistet, als sie sich zu den Sowjets nach Karlshorst verkrümelt hat.