Bachelorstudium und Techniker gleichwertig?
Hallo Zusammen.
Ich habe vor 3 Jahren angefangen Berufsbegleitend an einer Abendschule den Bachelor in Verfahrenstechnik zu machen. Solange alles gut läuft bin ich nächstes Jahr im Sommer fertig und habe mich eigentlich schon richtig gefreut.
Jetzt hat meine beste Freundin vor rund einem Jahr mit der Technikerschule angefangen und wir hatten letztes Wochenende ein Gespräch, dass das aufgrund eine neuem Gesetzes seit 2 Jahren jetzt Bachelor of Professional und somit gleichwertig wie der Bachelor an einer Universität ist. Das hat mich sehr geschockt und auch traurig gemacht. Ich will jetzt nicht fies klingen.
Ich freue mich, dass sie sich auch weiterbildet und gönne ihr diesen Abschluss. Aber ich habe jetzt drei Jahre meines Lebens 5-6 mal die Woche von 15 bis 22 Uhr an der Abendschule verbraucht. Ein Jahr kommt sogar noch und danach wollte ich eigentlich noch den Master machen. Nebenbei musste ich noch die Praktika im Labor abarbeiten, Berichte schreiben eine Studienarbeit und dann bald auch noch die Bachelorarbeit. Ich hatte so gut wie keine Freizeit, aber das habe ich in Kauf genommen, da es sich ja lohnt. Sie hingegen muss lediglich zweimal die Woche zur Schule von 17-21 Uhr gehen. Der Techniker dauert berufsbegleitend kürzer als ein Studium an der Universität und die mündlichen Noten zählen zur Gesamtnote. Auch wenn sie danach den Technischen Betriebswirt macht soll dieser wohl gleichwerten wie der Master in meinem Fach sein.
Ist das nicht ein wenig unfaire? Es fühlt sich so an als ob der ganze Stress, die ganze Arbeit und der Verlust meiner Freizeit jetzt komplett unnötig gewesen wären. Es ist fast so als ob ein Studium jetzt so gut wie unnötig ist, da man "mit weniger Aufwand" und zeitlichen Investment das gleiche erreichen kann.
Stimmt es, dass de beiden Abschlüsse jetzt komplett gleichwertig sind? Oder kann man doch noch mit dem Bachelor/ Master "mehr" im Beruf erreichen?
2 Antworten
Ja und nein.
Auch wenn der Name etwas anderes vermuten lässt: Der "Bachelor Professional" ist im Gegensatz zum B. Eng., B. Sc., B.A. usw. kein akademischer Grad.
Allerdings gibt es eine Berufsausbildung, wie wir sie aus Deutschland kennen, in den meisten Ländern der Welt nicht. Insofern ist es im Ausland häufig schwierig, die deutsche Berufsausbildung einzuordnen und zu verstehen. Das ist einer der Gründe, warum es diese neuen "Titel" gibt.
Aus dem selben Grund gibt es heute den DQR/EQR, also den deutschen/europäischen Qualifizierungsrahmen. Der soll ebenfalls ermöglichen, die nationalen Ausbildungen (akademisch, schulisch und praktisch) international vergleichen zu können.
Der DQR/EQR kennt dabei 8 Niveaustufen. Bachelor und staatlich geprüfter Techniker liegen beide auf Niveaustufe 6 (Master wäre 7, Promotion wäre 8).
Das bedeutet, dass beide nach DQR/EQR zwar gleichwertig sind, aber eben keinesfalls gleichartig. Das eine ist eben immer noch eine berufliche Ausbildung, das andere eine akademische Ausbildung.
Wobei Du bei den Zeiten ja auch berücksichtigen musst, dass dem Techniker, Meister oder Fachwirt zuvor eine Berufsausbildung vorangegangen sein muss - zu den 2 Jahren Abendschule kommen dann also noch 3 Jahre Berufsausbildung hinzu. Das Bachelorstudium dauert in der Regel 3 Jahre (Vollzeit) ohne vorherige Ausbildung.
Wobei ich Dir Recht gebe: So ganz glücklich finde ich die DQR/EQR Einteilung auch nicht. Die berücksichtigt nämlich immer nur den höchsten Abschluss, aber nicht mehrere Abschlüsse. Jemand, der 2 oder 3 Bachelorabschlüsse hat, ist genauso auf Niveaustufe 6 wie jemand, der nur 1 Bachelorabschluss hat. Und jemand, der eine Berufsausbildung und einen Bachelorabschluss hat, der ist auf derselben Niveaustufe wie jemand, der nur einen Bachelorabschluss hat.
Voraussetzung für meinen aktuellen Beruf ist beispielsweise eine akademische Ausbildung. Mit einem Techniker oder auch einem Fachwirt wäre ich da nichts geworden.
"mehr" im Beruf erreichst du durch Einsatz und Leistung, nicht durch irgendwelche Abschlüsse. Ich kenne Bachelors, die wegen schlechter Leistung gefeuert wurden und Nichtakademiker, die ins Topmanagement größerer Firmen gekommen sind.
Ein Bachelor ist ein akademischer Abschluss. Dieser qualifiziert dich zwar für eine berufliche Tätigkeit, aber das tut eine Ausbildung auch. Industrie und Akademie sind zweierlei Paar Schuhe. In der akademischen Welt ist dein Bachelor gerade erst der Anfang. Wenn du mal in die Forschung willst, wirst du an Master und Doktor nicht vorbeikommen. In der Industrie ist das anders. Wenn man dich dort aufgrund deiner Leistungen für geeignet hält, kannst du jede Position bekommen, die du willst - bis hin zum Geschäftsführer. Auch gänzlich ohne Abschluss. Das wird ja bspw. auch diversen Politikerinnen und Politikern vorgeworfen, ist aber in der realen Welt völlig legitim. Ein Studienabschluss in der Industrie ist lediglich ein Qualitätsmerkmal von vielen, das auch durch entsprechende nichtakademische Abschlüsse erfüllt sein kann. Universitäten und Industrie haben lange Zeit den Nachwuchs unabgestimmt aneinander vorbeientwickelt, da war die Industrie lange genug gezwungen, eigene Systeme zu entwickeln, um den Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften zu decken. Erst mit den Fachhochschulen wurde die Kooperation zwischen Industrie und Akademie verstärkt und erst dadurch entstand auch auf dem Arbeitsmarkt die enge Verzahnung, die wir heute kennen.
Aber man darf durchaus auch den Effekt nicht vernachlässigen, den akademische Abschlüsse auf andere haben. Nicht jeder Gegenüber ist mit dem tertiären Bildungssystem in Deutschland vertraut. Da schaffen international bekannte Abschlüsse Vertrauen und können entsprechend gewinnbringend eingesetzt werden.