Autist, Reife?

6 Antworten

Das ist wohl von Autist zu Autist unterschiedlich.

Was ich jedoch nun schon häufiger gelesen habe und was ich auch aus meiner eigenen Erfahrung mit meinem Autismus bestätigen kann, ist, dass wir Autisten als Kinder/Jugendliche (teilweise) eher dazu tendieren, "erwachsener" zu erscheinen, doch als (junge) Erwachsene haben wir viel mehr Probleme damit, im echten Leben anzukommen, uns um uns selbst zu kümmern und alles, was zum Erwachsensein dazugehört, als viele unserer gleichaltrigen, neurotypischen Mitmenschen.

Ich selber kann dem zustimmen. Als Kind/Jugendliche fand ich z.B. die meisten meiner Mitschüler total kindisch (rückblickend war ich es selber, lol - ist ja aber auch völlig okay, denn Kinder sind kindisch und das dürfen sie sein) und ich glaube, ich habe mich teilweise selber dafür "gefeiert", so ein bisschen, weil ich bereits damals Interesse an "komplexeren" Themen, wie z.B. Astronomie hatte und all sowas halt.

Aber als Erwachsene (ich bin 26) ist alles anders. Ich fange jetzt erst an, hin und wieder überhaupt "reife" Gedanken zu haben, die andere wahrscheinlich schon mit 20, 18 oder gar noch früher hatten. Ich lese mir meine Tagebucheinträge durch (Ich schreibe seit August 2024 täglich Tagebuch) und frage mich: "Welche 26-jährige Frau denkt sowas, welche 26-jährige Frau macht sich um sowas Gedanken???"

Ich denke nicht, dass nur wir Autisten das haben - auch nicht, dass es jedem Autisten so ergeht/erging -, doch ich denke, dass es bei uns auffälliger, stärker ist/sein kann.

Allerdings kommt das auch sehr auf das Umfeld an. Man muss auch realisieren, dass leider die meisten autistischen Menschen Trauma erlebt haben. Viele autistische Kinder wurden und werden noch immer traumatisiert. Viele autistische Kinder bekommen nicht die Unterstützung, die Liebe, die sie benötigen. Viele autistische Kinder werden missbraucht, misshandelt, ihre Grenzen und Bedürfnisse werden ignoriert. Wer keine echte Kindheit hatte (und das gilt für alle Kinder - ob neurodivers oder neurotypisch), der wird früher so erscheinen, als wäre er "schon so reif".

Natürlich ist das nicht wirklich der Fall. Du bist nicht reif, du bist traumatisiert. Sozusagen.

Echte Reife kommt ja mit Erfahrung und deshalb kann ein Kind nicht wirklich reif sein. Es kann auf den ersten Blick so rüberkommen, aber echte Reife braucht lange ... Bei manchen sehr lange.

Aber ich weiß, dass wir Autisten weniger beeinflussbar sind, was Werbung angeht und was Gruppenzwang angeht. (Gilt nicht für alle Autisten - Mobbing und Masking existieren - und ich bin mir sicher, wenn Werbung mit meinem Spezialinteresse überschneiden würde, hätten sie mich, aber das tat es bislang nie und ich bin arm, also hab ich eh kein Geld, um euer Produkt zu kaufen, ha!) Kann ich auch selber bestätigen. Trends, Gruppenzwang all das gingen stets an mir vorbei. Ist das ein Zeichen von Reife? Keine Ahnung. So ist mein Gehirn eben. So war ich schon, so weit ich zurückdenken kann.

Aber ist es reif, mich darauf "auszuruhen"? Würde es nicht von echter (zumindest emotionaler) Reife zeugen, wenn ich mich stark für die Menschen machen würde, die leichter beeinflussbar sind? Oder irgendetwas ähnliches, keine Ahnung.

Unsere Probleme bezüglich dem Kontrollieren der eigenen Emotionen (welches aufgrund unserer executive dysfunction entsteht und das ist so ein autism/adhd-thing) können sicherlich als unreif gesehen werden.

Ist man wirklich reif, nur, weil man sich teilweise/manchmal/vereinzelt reif verhält? Weil man reife Gedanken hat, sich für reife Themen interessiert? Oder gehört dazu nicht noch mehr?

Na ja, das waren meine two cents oder wohl eher meine twenty cents, wenn wir nach der Länge meiner Antwort gehen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Persönlich habe ich bisher nur mit einem einzigen zu tun gehabt (von dem ich das weiß), und er war öfters irritiert - Wobei ich das selbst sehr gut kenne, nur auf eine andere Art - Und er irritierte auch andere öfters. Er hatte große Schwierigkeiten in Gruppen - Ich würde mich hier einfach wie oben wiederholen - Und es endete mehr oder weniger tragisch. Heißt, es wurde niemand getötet und physisch verletzt, aber er wurde in Begleitung von Polizei und Sanitäter in eine psychiatrische Einrichtung verfrachtet. Davon abgesehen war er im Grunde nicht reifer oder unreifer, wie andere Chaoten auch. Nur anstrengender. Und fertig mit allen. Aber es war schön, dass er mir etwas vertraute. Und ich frage mich manchmal, ob ich vielleicht insgeheim Leben gerettet habe. 😄

Man kann Leute die von Autismus betroffen sind nicht als Gesamtheit betrachten.

Den jeder Autist, ist innerhalb seiner Störungsbilder und deren Ausprägung einzigartig. Deswegen hat sich sogar ein Spruch etabliert "Kennst du einen Autisten, dann kennst du halt einen Autisten"

Da gibt es also die gesamte Palette von extrem Unreif bis Reif ist alles dabei

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Spät Diagnostiziert

maleyn2 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:18

woher soll ich dann wissen was er ist?

Redekunst  26.03.2025, 21:20
@maleyn2

Woran würdest du das den bei nicht Autisten festmachen?

maleyn2 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:24
@Redekunst

idk es geht gerade aber um Autisten

Redekunst  26.03.2025, 21:29
@maleyn2

Schon verstanden, aber wie machst du Reife an nicht Autisten fest?

maleyn2 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 21:59
@Redekunst

weil ich mal einen gedatet habe und mich jetzt frage, ob sich alle so in seinem Alter verhalten

Redekunst  26.03.2025, 21:59
@maleyn2

Wie gesagt, nein da jeder Autist innerhalb seines Störungsbildes einzigartig ist

maleyn2 
Beitragsersteller
 26.03.2025, 22:00
@Redekunst

wie gesagt das war mir schon klar gibt es dennoch Merkmale?

Redekunst  26.03.2025, 22:02
@maleyn2

Wenn du die Antwort doch schon festgesetzt hast, wieso dann die Frage? Nein, es gibt keine Anzeichen speziell auf Autismus bezogen. Die Anzeichen sind die Selben wie bei nicht Autistischen Menschen

Ich habe noch häufig mit Autisten zu tun. Also zu mal gibt es nicht das Autismus sondern man redet von einem Spektrum mittlerweile (ASS) Autismus Spektrum Störung. Autismus ist eine Entwicklungsstörung. Das Gehirn erstellt Verknüpfungen anders als es (in der Regel) der Fall ist. Je nach Ausprägung und Stärke grad, kann es sein das Autisten Soziales nicht verstehen.

Manchmal kann es auch sein, dass Autisten durch soziale Interaktion eine Reiz Überflutung kriegen. Und sich dann auf sich fokussieren, z.b. beim erzählen von Dingen die dich belasten können und die du einem Autisten anvertraust.

Das kann sich dann (je nach grad des Autismus) dann in (gefühlte) Desinteresse äussern. Was nicht heissen muss, dass es sie nicht interessiert das dich was belastet. Sondern sie die Situation nicht Händeln können oder das nicht verstehen. Manchmal es auch verstehen, aber durch diese Reizüberflutung sich zurück ziehen oder sich das in Form von Gereiztheitäussert bis Aggressivität äussern.

einige Autisten reagieren bei dieser Reizüberflutung Aussicht von uns, „kindisch oder unreif“ z.b. kann es sein, dass die Abwesenheit von einer Person die normalerweise immer anwesend ist (sagen wir mal Partner der betroffenen Person) schon zur Nervosität führen kann / schlechte Laune. Oder Urlaub kann für sie auch sehr anstrengend sein. Deswegen haben Autisten auch häufig einen festen Alltags Ablauf. Damit verschaffen sie sich Sicherheit durch denn festen Ablauf was für andere (langweilig) rüber kommen könnte. Einige Autisten (meine kleine Schwester) sogar häufig nur bestimmtes Essen haben wollen. Wie z.b. nur Nudeln, selbst wenn es jetzt Pizza gibt. Da hungern sie lieber, als die Pizza gar zu probieren.

Also kurz gesagt, ist Reife in dem Fall eine Menschen Sachen. Und hat mit Autismus jetzt nicht wirklich viel zu tun. Aber für Menschen die sich damit nicht gut auskennen, kann es denn Anschein machen, dass sie sehr unreif und sich kindisch und aggressiv/gereizt verhalten. Was nix mit der Reife zu tun hat, sondern mit Stress und das bei ihnen halt schnell Reiz Überflutung etc. Führen kann. Einige Autisten können reifer wirken, wenn sie wissen wie man damit umgeht oder das Händchen dafür haben. Während andere Autisten vllt dich sogar sehr verstehen und sehr reif sind, aber es äusserlich null rüber kommt. Vllt sogar im Gegenteil.

Ich kann nur von mir und meinem heute 18 Jahre alten Neffen ausgehen. Demnach würde ich sagen, die (nach ehemaliger Bezeichnung) Asperger-Autisten sind in ihren Interessen oft eher intellektuell orientiert, wirken dadurch reifer und vernünftiger als ihre Altersgenossen – und sind das teilweise auch.

Auf der anderen Seite fehlen autistischen Kindern viele Erfahrungen, was den sozialen Bereich (Freundschaften, Beziehungen, Kontakte, Erfahrungen in Gruppen usw.) betrifft. Solche Erfahrungen sind ihnen oft erst viel später möglich als anderen Kindern, wodurch sie gegenüber Gleichaltrigen zurückliegen. Auf der anderen Seite sind autistische Jugendliche (in der Regel) weniger anfällig für Gruppendruck, Cliquenzugehörigkeit und solche Dinge. Die Identitätsfindung läuft bei ihnen anders ab, dadurch können sie wiederum unabhängiger und erwachsener wirken als andere junge Menschen.

Deine Frage, ob autistische Menschen reifer oder weniger reif sind als eine gleichaltrige Vergleichsgruppe, ist kompliziert und nicht so einfach mit ja oder nein zu beantworten. Am ehesten würde ich sagen: sowohl als auch. Je nach Betrachtungsweise sind sie anderen Menschen ihres Alters voraus, in anderen Lebensbereichen fehlen ihnen dagegen Entwicklungsschritte. 

Diese Beschreibung ist natürlich stark vereinfacht und kann im Einzelfall anders aussehen. Wichtig ist für mich, dass man autistische Menschen nicht an den üblichen Maßstäben von Reife, Lebenserfahrung und Entwicklungspsychologie messen kann.

Autisten müssen das Recht haben, sich auf ihre eigene Weise, in ihrem eigenen Tempo, zu entwickeln und darin genauso wertgeschätzt werden wie alle anderen Menschen. Ich habe früher oft darunter gelitten, einem brutalen Vergleichsdruck von uninformierten Erwachsenen ausgesetzt zu sein („Andere Kinder können das aber!“), dem ich nicht gewachsen war.