Auswanderung nach Österreich: Erfahrungen?

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Ich bin 2017 nach Innsbruck ausgewandert.

Hier gibt es eine recht große deutsche Community, vor allem unter Studenten. Nicht überall wird der Umstand positiv gesehen ("die Deitsch'n nehmen uns die Studienplätze weg"), weshalb zum Beispiel entgegen der normalen EU-Regeln mit Sondergenehmigung wegen des lokalen Ärztemangels in Medizin eine Ausländerquote bei den Studienplätzen eingeführt wurde. Man merkt der Bevölkerung im Gespräch manchmal an, dass sie etwas verhaltener sind, wenn man einen deutsch-deutschen Dialekt hat, das legt sich aber sehr oft, wenn man dann sagt, dass man hier arbeitet und eben nicht studiert. Generell sind die Leute den Deutschen gegenüber gar nicht mal so unaufgeschlossen. Sie sind als vergleichsweise ordentliche Touristen bekannt, die Verständigung ist leicht und viele Firmen sind inzwischen auf solche Einwanderer angewiesen. Schlechte Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht (allerdings gibt es generell viel Ausländerfeindlichkeit auch bei älteren Leuten. Wenn man mit solchen redet und sich dann selbst als Ausländer outet, bekommt man dann gern zu hören, dass man als Deutscher ja kein richtiger Ausländer sei)

Tirol und Vorarlberg sind, wie ich gehört habe, ein bisschen anders als der Rest von Österreich. Der "wuide West'n" sozusagen. Während man in Wien die Leute beim Titel anspricht (da wäre ich der "Herr Magister Ingenieur" - je nachdem, wie man verschiedene Grade und Standesbezeichnungen zusammenschmeißt, keine Ahnung wie das im Detail ist), ist man hier in Tirol der "du". Vorarlberg geht durch die Nähe zur Schweiz wieder mehr zum "Sie" über. Mir ist das in Tirol durchaus sympatisch. In der Arbeitswelt bin ich mit Lieferanten aber weiterhin gerne beim "Sie".

Vom Essen her ist Innsbruck ein ziemlicher Schmelztiegel, was ich aber ziemlich cool finde. Man sollte halt nur als Local irgendwann checken, dass die "gutbürgerlichen Gasthäuser" im Stadtzentrum von Innsbruck eher Touristenfallen sind und man die guten Sachen eher in der Peripherie findet. Aber einen Döner im Stubaital würde ich definitiv nicht mehr essen...

Lebenshaltungskosten sind hier vergleichsweise hoch, weil der Bauplatz wegen der Berge begrenzt ist, das Einkommen in Tirol ist eher niedrig. Da ich im Anlagenbau mit starkem Bezug zu internationalen Märkten arbeite, macht sich das aber kaum bei mir bemerkbar (auch wenn ich in VA wahrscheinlich dank der Konkurrenzsituation mit der Schweiz mehr rausholen könnte). Generell hat man mehr Netto vom Brutto. Nach meinem Studium hatte ich Angebote aus München, die ich direkt mit meiner Stelle in Tirol vergleichen konnte und komme auf etwa eine Urlaubsreise mehr, die ich in Tirol von einem deutlich niedrigeren Brutto habe.

Warum hat's mich nach Österreich verschlagen? Einerseits hat dort bis vor Kurzem meine Freundin, jetzt Verlobte studiert. Und andererseits sind wir zwei begeisterte Bergsteiger und Skifahrer. Und es ist schon bärig, wenn man direkt vor der Haustüre die Schuhe binden und mal eben 2000 Höhenmeter ins Karwendel ballern kann, zwei Busstationen ins nächste Skigebiet hat, mit dem Fahrrad in 20 Minuten am Einstieg einer mehreren 100 m hohen senkrechten Felswand ist oder sich in einer Stunde mit den Öffis an den Fuß eines vergletscherten 3000ers chauffieren lassen kann.