Ausnahmen bestätigen die Regel <- Was ist hiermit gemeint?

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Redewendung ist ein paradoxer Satz, der aber erklärt werden kann.

Zunächst erscheint erst vor dem Hintergrund einer Regel etwas als Ausnahme. Ein Fall wird durch eine aufgestellte Regel als Ausnahme bestimmt, wenn er in das Gebiet fällt, auf das sie sich bezieht, und von ihr abweicht. Die Ausnahme bestätigt insofern bloß die Existenz der Regel, aber nicht ihre Gültigkeit. Dies führt zu der Überlegung, ob eine Ausnahme eine Regel in Frage stellt, verletzt oder sogar außer Kraft setzt und widerlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, um welche Art Regel es sich handelt. Eine Regel im Sinn eines strengen und genauen Gesetzes (wissenschaftliche Exaktheit) verträgt keine Ausnahme. Eine Hypothese (Annahme) wird durch das Feststellen einer Ausnahme falsifiziert (als falsch nachgewiesen). Die Frage ist dann, ob die Hypothese völlig falsch oder nur teilweise falsch ist. Wenn die Hypothese durch eine Einschränkung (nur noch auf einen bestimmten Geltungsbereich bezogen, gilt nur unter bestimmten Bedingungen) verändert wird, kann sie unter Umständen gelten. So etwas ist zum Beispiel bei Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik geschehen.

Eine Regel kann aber auch nur ein überwiegend geltender Zusammenhang sein. Die sprichwörtliche Redensart geht auf das römische Recht zurück (vgl. Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 7. Auflage. Freiburg [Breisgau] ; Basel ; Wien : Herder (Herder-Spektrum ; Bd. 5400 ), 2006, Band 1: A – Hampelmann, S. 120). Dort heißt sie in lateinischer Form: „exceptio confirmat regulam“. Ein möglicher Ausnahmefall verdeutlicht wieder die Grundlagen, von denen her die Regel aufgestellt worden war, und ihren (ursprünglichen) Sinn. Sie bestätigt die allgemeine Regel in den Fällen, die nicht unter die besonderen Ausnahmen fallen, weil die Verhältnisse im Normalfall ganz anders sind. Auf manchen Gebieten gibt es eine große Mannigfaltigkeit von Erscheinungen und ständige Veränderungen. Auf dem Gebiet herrscht Unbestimmtheit, weil kein Prinzip es als ihm eigentümlicher systematischer Zusammenhang restlos durchdringt. Die Seinsweise einer Sache bestimmt ihre Erkennbarkeit.

Es gibt auf solchen Gebieten nur etwas, das gewöhnlich zutrifft, meistens der Fall ist. Das Allgemeine, mit dem versucht wird, alles in das Gebiet Fallende unter einer bestimmten Idee zusammenzufassen, geht dann zu sehr ins Einzelne, hat einen zu geringen Allgemeinheitsgrad.

In der Ethik können Regeln wie „Alle Menschen sollen Gute tun und Schlechtes unterlassen“, der kategorische Imperativ von Immanuel Kant oder die „goldene Regel“ ohne Ausnahme aufgestellt werden. Dabei ist allerdings nicht ohne Erfahrung und Denkleistung deutlich, was in konkreten Handlungssituationen gefordert ist. Wenn die ethischen Regeln näher ausgeführt werden, wird es ab einem gewissen Punkt schwierig, Ausnahmen zu vermeiden.

Im Recht können dabei Sinn und Buchstabe eines Gesetzes/einer Vorschrift/eines Erlasses auseinanderfallen. Näher ausgeführte Bestimmungen verdeutlichen, was gefordert ist, und schaffen dadurch und durch den geringeren Auslegungsspielraum bei richterlichen Entscheidungen mehr Rechtssicherheit, können aber im Einzelfall auch von der ursprünglichen Absicht stärker abweichen und nicht mit den grundlegenden Rechtsprinzipien übereinstimmen.

In der Sprache gibt es Regeln für sprachliche Erscheinungen, zum Beispiel das Bilden von Formen nach einem bestimmten Muster, wobei aber Ausnahmen vorkommen. Die allgemein formulierten Regeln können trotzdem für das Lernen erst einmal helfen, weil dies übersichtlicher ist.

Auf solche Gebiete bezieht sich das Sprichwort „keine Regel ohne Ausnahme“ (lateinisch: „nulla regula sine exceptione“ oder „omnis regula patitur exceptionem“), das in einer absoluten Form natürlich selbstwidersprüchlich ist.

Eine Bestätigung der Regel sind Ausnahmen insofern, als sie sehr besondere, selten auftretende Fälle betreffen und ihre Besonderheiten sehr offensichtlich für die weitaus meisten Fälle nicht gelten.

Für den Umgang mit dem Sprichwort ergibt sich:

1) Bei genauen Gesetzen ist eine Ausnahme (widersprechender Sachverhalt) eine Widerlegung. Eine Berufung auf den Ausspruch als Verteidigung ist nur eine Verlegenheitsfloskel. Das formulierte Gesetz war ganz oder teilweise falsch.

2) Bei Regeln für Gebiete mit unbestimmter Vielfältigkeit ist ein Bewußtsein ihrer begrenzten Gültigkeit (nur die überwiegende Anzahl der Fälle betreffend) nötig, um das Auftreten abweichender Fälle zu berücksichtigen und unzulässige Verallgemeinerungen zu unterlassen.

3) Regeln werden durch viele Ausnahmen fragwürdig. Es ist nachzuweisen, daß es sich bei den abweichenden Fällen wirklich um selten auftretende Ausnahmen handelt. Sonst können Ausnahmen nicht die überwiegende Gültigkeit der Regel bestätigen, indem sie den Blick auf den Normalfall erhellen.

myNameHalt  18.10.2017, 17:02

Du sagst "Auf solche Gebiete bezieht sich das Sprichwort „keine Regel ohne Ausnahme“ (lateinisch: „nulla regula sine exceptione“ oder „omnis regula patitur exceptionem“), das in einer absoluten Form natürlich selbstwidersprüchlich ist."

Aber warum genau ist das in einer absoluten Form selbstwidersprüchlich?

0
Albrecht  18.10.2017, 18:29
@myNameHalt

In einer absoluten Form gäbe es dann eine Regel „keine Regel ohne Ausnahme“. Wenn sie gültig ist, gibt es von jeder Regel eine Ausnahme. Dann gibt es aber auch von ihr selbst eine Ausnahme, wodurch sie in einer absoluten Form nicht gültig ist (sie enthält ja eine Aussage, gar keine Regel sei ohne Ausnahme, was bedeutet, jede Regel habe eine Ausnahme). Ein Selbstbezug ergibt einen Widerspruch.

0

Ausnahmen bestätigen die Regel - Weil: Es KEINE Regel OHNE Ausnahmen gibt!

Eine Regel wird nur dann aufgestellt, wenn es etwas zu regeln gibt, d. h., wenn es für eine Sachlage mehrere Alternativen gibt und man eine davon zur Regel erklärt und man möchte, dass diese Alternative bevorzugt angewendet wird.

Gäbe es keine Alternative wäre eine Regel auch nicht notwendig. Z. B. würde niemand auf die Idee kommen folgende Regel aufzustellen: "Die Sonne geht (in der Regel) im Osten auf."

Diese Regel gibt es nicht, das es keine Alternative gibt und somit eine Regel überflüssig ist.

Wenn es also eine Ausnahme von einer Regel gibt, bestätigt dies, dass die Regel notwendig war.

manchmal kann auch handeln gegen die regel richtig sein!

Ausnahmen bestätigen die Regel
Schon der Alte Römer wußte: »Exceptio probat regulam in casibus non exceptis« - »Die Ausnahme bestätigt die Regel in den nicht ausgeschlossenen Fällen« Was eigentlich »immer« so ist, kann in bestimmten Fällen eben auch ganz anders sein...

http://etymologie.tantalosz.de/index.php