Angst vor Strom

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Hallo,

ich will mal vorrausschicken, dass ich Elektrotechnikstudent bin =) also mich den lieben langen Tag nur mit Spannung, Strom, etc. beschäftige. Ich finde es dennoch sehr interessant, dass Menschen davor solch eine Angst entwickeln können. Das ist nicht böse gemeint, man kann bekanntlicher Weise gegen so gut wie alles eine Phobie entwickeln. Das ist auch garnicht weiter schlimm, sondern eher eine ganz natürliche Sache. Weißt du woher das bei dir kommt? Hattest du mal ein (traumatisches) Erlebnis mit Strom?

Grundsätzlich mal ist die Warscheinlichkeit einen Stromschlag beim Einstecken eines Gerätes unglaublich gering. Zunächst mal besteht ein Stecker (zumindest das was man anfasst) aus Plastik. Plastik ist ein denkbar guter Isolator. Die Isolationseigenschaft wird in der sog. Durchschlagsfestigkeit angegeben. Sprich man nimmt 2 metallene Elektroden und dazwischen legt man den Prüfling (den Isolator). Dann dreht man die Spannung hoch, bis ein Funke das Plastik durchschlägt. Sobald der Funke durchschlägt, ist die Durchbruchfeldstärke erreicht. Angegeben wird sie in kV pro mm (also Vielfache von 1000V pro mm). Bei Luft beträgt sie z.B. 3,3kV pro mm. Also bei 3300V (in der Stekdose haben wir max. 300V) kann ein Funke die Strecke von 1mm zwischen zwei metallenen Elektroden überwinden. Luft ist zudem ein denkbar schlechter Isolator. Weitere Materialen findest du hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Durchschlagsfestigkeit#Materialwerte Im Allgemeinen liegt die Durchschlagsfeldstärke bei allg. als Plastik bezeichneten Materialen zwischen 30kV/mm und 510kV/mm. Solche Spannungen werden in der Steckdose nie und nimmer erreicht.

Man kann natürlich auch mit nassen Händen einen Stecker in die Steckdose stecken. Gefährlich wäre es nur, wenn der ganze Stecker nass wäre, also eine leitende Verbindung (auch Wasser ist ein sehr schlechter Leiter) vom Steckkontakt zur Hand bestehen würde. Im übrigen ist nur die "eine Seite" (einder der beiden Kontakte) der Steckdose "heiß". Stell es dir wie Hin- und Rückleiter vor. Strom kann nur fließen, wenn irgendwie Hin- unr Rückleiter verbunden werden, ansonsten passiert garnichts. Wenn du mal einem Elektriker zuschaust, wirst du bemerken, dass er (meist unter Spannung stehende) Leitungen immer nur einzeln anfasst. Würde er beide Verbinden, gäbe es einen Kurzschluss. Würde er zwischen Hin und Rückleiter noch seinen Körper bekommen, so würde er einen "Stromschlag" bekommen.

Wie schlimm ein Stromschlag ist, das ist immer vom Ein und Austritt des Stomes abhängig. Du musst dir das so vorstellen. Der Strom ist eine faule Sau. Er sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstandes (im Normalfall der Rückleiter). Wenn man jetzt als Mensch z.B. seinen Zeigefinger an den Hinleiter halten würde und den Daumen an den Rückleiter so würde der Strom vom Hinleiter über den Zeigefinger in den Daumen und dann in den Rückleiter fließen. Das tut weh, passieren tut nix großes. Hat jeder Elektriker schonmal durchgemacht. Übel wird es nur, wenn man den Rückleiter nicht berührt und der geringste Widerstand durch die Beine in den Boden führt. Dann fließt der Strom nämlich durch den ganzen Körper. Wenn er am Herz vorbeikommt, dann kann es zum Kammerflimmern kommen. Darum arbeiten Elektriker übrigens oft mit der rechten Hand. Wenn was passiert, dann fließt der Strom ander Körperseite an der das Herz nicht ist durch die Beine in den Boden.

Nächstes Szenario - das kaputte Gerät. Alle Geräte die eine leitende Außenhülle haben (Gehäuse aus Metall) die haben eine sog. Erde. Sprich wenn aus irgend einem unerklärlichen techn. Defekt Spannung am Gehäuse anliegen sollte, so fließt der Strom über die Erde (ein Kabel das mit dem metallenen Gehäuse verbunden ist) direkt wieder zurück in die Hauserdung (und nicht durch eine Person die die Gerätschaft berührt) und löst die Sicherung aus. Ab dann ist sowieso alles stromfrei. Bei Kunststoffheäusen ist es egal, die leiten so und so nicht.

Eine Besonderheit gibt es noch - der sog. FI Schlater. Der wird im Bad verbaut und sieht im Sicherungskasten aus wie eine sehr breite Sicherung. Der FI Schalter ist ein Fehlerstromschutzschalter. Dieser Schutzschalter vergleicht ständig den Strom auf der Hinleitung mit dem Strom auf der Rückleitung. Sobald er bemerkt, dass "weniger Strom" zurückfließt als hinwärts fließt schaltet er wie eine Sicherung die Spannung aus. Was bringt das - ganz einfach: Wenn sich der Strom auf falschem Weg befindet (statt über die Rückleitung fließt er durch eine Person in den Boden) kann er das erkennen und schaltet ab. Die Empfindlichkeit dieser Schalter ist so eingestellt, dass wir Menschen das nichtmal merken. Schon wenn ein soooo winzig kleiner Strom durch unseren Körper fließen sollte, dass wir ihn nichtmal spüren, schaltet der einfach ab. Da sind wir noch meilenweit davon entfernt, dass das in irgendeiner Weise gefährlich für uns werden könnte.

kruszi  30.05.2012, 14:38

Ich wünsch dir mal viel Erfolg bei deiner Therapie =)

Und wenn du mal veruschen möchtest, dann nimm dir einen Stecker der ganz aus Plastik besteht (nur sehr alter Stecker haben noch eine kleine Schraube aus Metall drin die aber auch völlig ungefährlich ist) und geh damit in Bad und steck ihn ein. Dann bist du zusätzlich vom FI-Schalter geschützt. Trockene Hände geben auch ein gutes Gefühl und du kannst gut geschützt einstecken.

Hier kannst du übrigens einen netten Job sehen. Dieser Helikopter bringt eine Person an eine Stromleitung zu Wartungsarbeiten. Die Stromleitung steht unter Spannung (5.000.000V = eine halbe Million Volt). Erinnere dich - im Haus hast du 300V (allg. bekannt als 230V Effektivwert). Nur so zum Vergleich. Die Handschuhe die er anhat dienen übrigens nicht der Isolierung (vieeeeeel zu dünn), sondern die sind nur Arbeitshandschuhe damit er sich an den Stahlkabeln nicht verletzt. Zuerst bringt er eine Erdung an (da wo die Blitze fliegen) und dann kann er ganz normal arbeiten.

http://www.youtube.com/watch?v=9tzga6qAaBA

Im übrigen - schätzungsweise steckt im Durchschnitt jeder Deutsche am Tag 8 - 12 mal elektrische Verbraucher in Steckdosen. Passieren tut nix.

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angsthasekarla 
Fragesteller
 30.05.2012, 14:50
@kruszi

Oh, vielen, vielen Dank für dein sehr ausführliche Antwort, das ist wirklich sehr, sehr nett von dir, dankeschön, jetzt fühl ich mich besser aufgeklärt und hoffe, dass ich mich bald wieder traue, einen Stecker in die Steckdose zu stecken. Liebe Grüße und nich viel Erfolg noch beim Studium :-)

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Holyfuk  30.10.2020, 17:03

Hallo, was passiert wenn man ausversehen nur den Rückleiter berührt bei einem eingesteckten Stecker?

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Hallo angsthasekarla -du brauchst wirklich keine Angst haben,bei Steckern passiert nichts. Wirklich nicht. Tipp-wenn Du Angst hast,immer den Stecker anfassen und nicht das Kabel,dann ist es absolut sicher. Darauf achten,das deine Hände nicht nass sind.

Alles Gute für Dich.

angsthasekarla 
Fragesteller
 30.05.2012, 14:11

Danke für die Antwort :-) Aus welchem Stoff sollten die Handschuhe denn sein?

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angsthasekarla 
Fragesteller
 30.05.2012, 14:11

Danke für den Tipp :-)

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Wenn alles nach DIN Norm gefertigt und nicht beschädigt ist kannst du keinen Stromschlag bekommen. Nur wenn du in der Steckdose rumfummelst kannst du eine gewischt bekommen. Aber dabei sollte man immer die Sicherung rausnehmen.

Ich hab die selbe Angst, aber bei mir fängt es erst beim rumbasteln an KFZ-Elektrik etc. an.

Wenn du dich wirklich nicht traust, zieh doch Handschuhe an, dann bist du 100% sicher.

angsthasekarla 
Fragesteller
 30.05.2012, 14:10

Danke für die Antwort :-) Aus welchem Stoff sollten die Handschuhe denn sein?

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Erstmal gute Besserung!

Ich kann dich nur beruhigen: Sollten die Stecker isoliert sein und keine Drähte o.ä. rausgucken, kannst du sicher sein, dass alles in Ordnung ist. Leider wird dir mein Rat nicht so viel bringen, da diese Angst sich nur durch eine Therapie bekämpfen lässt.