" Genosse "?

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Als Genosse (von althochdeutsch: ginoz – jemand, der mit einem anderen etwas genießt, Nutznießung hat) bezeichnet man einen Gefährten (Kampfgenosse, Eidesgenosse, Zeitgenosse …), also jemanden, mit dem man eine gemeinsame Erfahrung in einem bestimmten Bereich geteilt hatte, der dieselben Ziele hatte und auf den man sich aus diesem Grund verlassen kann.
In der Politik, insbesondere in sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien, Gewerkschaften sowie anarchistischen Organisationen werden die Mitglieder und Aktivisten häufig als „Genossinnen“ und „Genossen“ bezeichnet und geduzt. Die Verwendung des Begriffs Genosse als politische Form der Anrede geht dabei auf die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zurück.

https://de.wikipedia.org/wiki/Genosse

Das hat sich in der Geschichte der Arbeiterbewegung so entwickelt. Der Ausdruck "Bürger" wurde durch den Ausdruck "Genosse" verdrängt. Als die Internationale Arbeiterassoziation ihre Arbeit aufnahm, gab es schon Arbeitervereine auf einer handwerklichen Ebene.

Auch In Deutschland gab es schon Frühsozialisten, wie Wilhelm Weitling, ein uneheliches Kind einer Magd und eines französischen Offiziers. Dieser lebte von 1808 bis 1871, aber vorwiegend im Exil. Als Damenschneidergeselle ging er, wie damals üblich, auf Wanderschaft und mied Preußen, da er eine Einberufung zum aktiven preußischen Heer fürchtete.

In Paris veröffentlichte er im Auftrag des „Bundes der Gerechten“ eine Schrift mit dem Titel „Die Menschheit wie sie ist und wie sie sein sollte“ (1838). In ihr ent-wickelte er den Plan einer Gesellschaft, die auf dem Nebeneinander einer streng gleichheitlichen Grundordnung mit allgemeiner Arbeitspflicht und Gütergemein- schaft beruhte.

Der „Bund der Gerechten“ war ursprünglich ein deutscher Ableger des an babou-vistischen Erinnerungen anknüpfenden französischen Arbeiterkommunismus, der sich um die gleiche Zeit in Paris ausbildete. Hier wurde die Gütergemeinschaft als notwendige Folgerung der Gleichheit gefordert. Der Babouvismus war eine Rich-tung des utopischen Gleichheitskommunismus, die Ende des 18. Jahrhunderts von dem französischen Revolutionär Gracchus (Francois Noel) Babeuf (1760-1797) undseinen Anhängern begründet wurde.    

Friedrich Engels schrieb im Oktober bis November 1843, dass Weitling aus Mag-deburg stammte. Dieser galt nach seiner Meinung als der Begründer des deut- schen Kommunismus. Nach einem längeren Aufenthalt in Paris emigrierte er in die Schweiz, um dort in einem Schneideratelier in Genf zu arbeiten. Dort predigte er seinen Arbeitskollegen sein Evangelium. Er bildete kommunistische Vereine in allen kleineren und größeren Städten auf der schweizerischen Seite des Genfer Sees und gewann die meisten Deutschen, die dort arbeiteten, für seine Ideen.

Nachdem er so den Kern seiner Bewegung in Genf und Umgebung geschaffen hatte, ging er nach Zürich, wo einige seiner Freunde, genau wie in anderen Städten der Nordschweiz, schon begonnen hatten, auf die Arbeiter einzuwirken. Er begann nun, seine Partei in diesen Städten zu organisieren. Unter der Bezeichnung "Ge- sangvereine“ wurden jene Vereine zur Erörterung der sozialen Neugestaltung gebildet.

Wegen seiner politischen Aktivitäten geriet Weitling allerdings in die Konfrontation mit den Schweizer Behörden. Er wurde in Haft genommen und seine Schriften nebst Unterlagen wurden beschlagnahmt. Eine gebildete Kommission offenbarte, dass Weitling als Führer seiner Bewegung galt und mit ähnlichen deutschen Vereinen in Paris und London in Kontakt stand. Für die Schweizer Behörden galten diese Gesellschaften als gefährlich und die vertretenen Lehren als utopisch. Die älteren Mitglieder hatten durch ihre Wanderungen Kontakte nach Deutschland, Ungarn und Italien.     

Weitlings Bewegung konnte sich deshalb so rasch ausbreiten, da die deutsche Sprache in Paris sehr verbreitet in seinem Geschäftszweig war. So beherrschten die Schneider aus Norwegen, die in Paris anzutreffen waren, gut die deutsche Sprache, aber kein Französisch.

Von den Pariser Gemeinden bestanden 1847 zwei aus Schneidern und eine aus Möbelschreinern. Nachdem Weitling aus der Schweiz ausgewiesen wurde, ging er zunächst nach London. Hier wurde sein Bund internationaler. In seinem Arbeiter- verein fanden sich außer den Deutschen und Schweizern auch Mitglieder aller jener Nationalitäten, denen die deutsche Sprache vorwiegend als Verständigungsmittel mit Ausländern diente, also namentlich Skandinavier, Holländer, Ungarn, Tsche-chen, Südslaven, auch Russen und Elsässer.

Später nannte man sich in Kommunistischer Arbeiterbildungsverein um. Hier reifte die Einsicht, dass jede Revolution, um siegreich zu sein, europäisch sein müsse.

Die Mitglieder all dieser Vereinigungen waren ausschließlich Handwerker. Ihnen fehlten Persönlichkeiten, die Kenntnisse in Ökonomie besaßen. Es ging den Mitgliedern hauptsächlich um die „Gleichheit“, „Brüderlichkeit“ und „Gerechtigkeit“.

In den späteren Jahren ging Weitling nach einem Zerwürfnis mit Marx und Engels wie Owen in die USA. Dort gründete er eine Gewerbeaustauschbank und eine kommunistische Siedlung. Als diese zusammenbrachen, zog er sich gänzlich aus der Politik zurück.     

Der Bezugspunkt der frühsozialistischen Lehren war überwiegend noch eine landwirtschaftlich-handwerkliche Gesellschaft ohne die spätere wesentlich hochentwickeltere Arbeitsteilung. Erst bei dem Franzosen Etienne Cabet (1788-1856) und dem Deutschen Weitling, also um etwa 1840, findet die Technisierung ihren Platz in der Gesellschaftsordnung.

Quelle:

Marx – Engels, Über Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung, Band 2: Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, die Seiten 104, 105, 190, 192, 193 – 195 + 683.    

Die Bezeichnung einer auf der Arbeit oder etwa auf Reisen nahestehenden Person als "Genosse" war im 18. Jahrhundert allgemein üblich und wurde dann durch "Bürger" ersetzt.

Nach 1848 bis 1890 wurde die unbeliebte Anrede "Bürger" bei den Sozialdemokraten durch "Genosse" ersetzt.

Ab 1920 übernahmen die Kommunisten von den Sozialdemokraten u. a. auch die Anrede "Genosse". Deshalb wurde In den Gewerkschaften die Anrede "Genosse" nach 1920 durch "Kollege" ersetzt.

"Kamerad" ist im Militär die Anrede unter Ranggleichen. Ab 1930 führten die Nationalsozialisten den Begriff "Kamerad" als Anrede für Parteimitglieder ein.

Woher ich das weiß:Recherche

Die Kommunisten haben diese Anrede von den Sozialdemokraten übernommen – wie vieles andere auch, selbst die Eigenbezeichnung Sozialisten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung