Hat die schwarze Szene ein Nachwuchsproblem?
Wenn man sich auf Festivals und Szeneveranstaltungen umschaut, kommt man sich dort in der Regel ziemlich jung oder wenigstens nicht sonderlich alt vor. Woher kommt es, dass es gefühlt kaum Nachwuchs gibt in der Szene - bzw. nehmt ihr das auch so wahr?
2 Antworten
Ja und Nein.
Die Hoch-Zeit der schwarzen Szene war in den 80ern und 90ern. Ab der Jahrtausendwende hat sich das Leben der Jugend immer mehr ins Internet verschoben. Später auch Social Media.
Insbesondere die Hiphop und Metalszene haben es sehr früh verstanden, sich Strukturen über das Internet aufzubauen. Beispielsweise verschiedene Musik-Labels, Interview-Formate, Podcasts, Festival-Kanäle und vieles mehr.
Und natürlich hat auch die politische Szene nicht geschlafen.
Die schwarze Szene hat sich dem eher verwehrt. Sie hat nicht das Potential darin erkannt und wollte es teilweise auch einfach nicht. Die einzige Ausnahme waren vielleicht Mode-Shops, was aber auch zu dem falschen Eindruck beigetragen hat, dass Gothic nichts anderes sei als Mode.
Dadurch blieb erstens der Nachwuchs aus. Und deswegen hatten es Bands auch immer schwerer Labels zu finden und sichtbar zu werden.
Aktuell ändert sich das jedoch. Langsam aber sicher. Gothic Bands finden mehr und mehr auf Metal oder Alternative Labels wie Nuclear oder Metropolis statt.
Es gibt frische Bands die der Szene neues Leben einhauchen wie Lebanon Hanover, Then Comes Silence, Date at midnight oder Tribulation. Sehr erfolgreiche Filme und Serien wie Nosferatu, Terrifier, Beetlejuice 2, Stranger Things und Wednesday läuten einen allgemeinen 80er Retro, Horror und Dark Wave Trend ein, der der Szene in ein paar Jahren wahrscheinlich viel Nachwuchs bescheren wird.
Im Allgemeinen ist der Underground eigentlich sehr lebendig. Nur deutlich unsichtbarer, weil er das Internet als Plattform so lange vernachlässigt hat. Es braucht ein bisschen Zeit um das aufzuholen.
Ja!
Ich bin vor knapp 25 Jahren in die Szene und war damals etwas jünger als der Durchschnitt. Heute bin ich immer noch etwas jünger als der Durchschnitt. Ich habe auch mit einigen anderen “alten Hasen“ aus der Szene gesprochen, die sehen das auch so, dass es kaum Nachwuchs gibt.
Woher das kommt, weiß ich nicht. Vielleicht hat es etwas mit der Musik zu tun. Irgendwie ist die Szene irgendwann gefühlt stehen geblieben. In Clubs laufen noch dieselben Lieder wie vor 10-20 Jahren. Und es gibt kaum Neues, das noch so gut ankommt.
Die Musik von damals spricht natürlich vor allem auch die Leute von damals an. Jüngere Generationen hören meist etwas andere Musik. Die werden von den alten Bands also gar nicht mehr unbedingt erreicht. Und neue Bands oder zumindest neue großartige Songs scheint es kaum zu geben.
Natürlich ist Goth weit mehr als Musik, aber Musik ist schon kein unwesentlicher Teil. Vor allem natürlich auf Festivals und in Clubs – da geht’s ja viel um die Musik.
Vielleicht war es aber auch zum Teil einfach ein Mode-Trend, der jetzt wieder vorbei ist. Damals sind zwar viele junge Menschen in die Szene, aber (meiner Beobachtung nach) sind die meisten innerhalb von 2 Jahren auch wieder raus. Jetzt gehen die jungen Menschen eher in andere Subkulturen. Oft geht es dabei ja darum, dass man sich irgendwie „anders“ fühlt und man eine Gruppe von Menschen sucht, die einen nehmen, wie man eben ist. Es geht um Identität und Zugehörigkeit. Früher war das für viele die Goth-Szene, heute sind es vielleicht eher die Therian, LGBTQ+ oder Klimaschutz.