Ist das schon Mikromanagement?
Ich arbeite seit einem Jahr in einem kleinen Betrieb mit nur fünf Personen – der Chef sitzt mit uns im gleichen Raum. Ich bin total unglücklich in der Arbeit und frage mich mittlerweile, ob das, was ich täglich erlebe, schon Mikromanagement ist. Mir fällt auf, dass mein Chef extrem kontrollierend wirkt. Er sitzt nicht nur im selben Raum, sondern er mischt sich auch in Gespräche unter Kollegen ein – und zwar jedes Mal, wenn es um irgendetwas Berufliches geht, selbst bei Kleinigkeiten. Ein Beispiel: Wenn wir uns z. B. über Briefmarken unterhalten, also wie viele noch da sind, fragt er sofort: „Um was geht’s?“ Er möchte wirklich immer ganz genau wissen, worüber gesprochen wird – und das jedes Mal, wenn es um die Arbeit geht. Er gibt sich nach außen hin kollegial – auf Kumpel- und Kumpeline-Basis – aber ich brauche für mich beruflich einfach ein bisschen mehr Distanz zu meinem Arbeitgeber. Es reicht schon, dass wir ständig aufeinanderhocken. Ich finde, da sollte man wenigstens beim Arbeitsstil ein bisschen Luft lassen. Ein besonders seltsames Erlebnis hatte ich im Hausflur: Ich habe gerade Paketpost angenommen, aber die Briefpost noch nicht mit hochgenommen, weil meine Kollegin aus der Buchhaltung morgens immer als Erste kommt, die Post holt und sie sich direkt anschaut – das ist ihre langjährige Routine. Ich wollte ihr das nicht aus der Hand nehmen, vor allem weil sie nachmittags eh viel zu tun hat. Plötzlich stand der Chef im Flur – er hatte sich seitlich aufgestellt, so als ob er mich beobachten wollte – und fragte mich direkt: „Warum hast du jetzt nicht die Post mitgenommen?“ Ich fand das unangenehm und kontrollierend. Ich habe dann die Post doch nachmittags hochgebracht, aber das hat die Routine meiner Kollegin total durcheinandergebracht. Wenn ich ihr die Post nachmittags gebe, legt sie sie meist einfach ins Fach, weil sie um diese Uhrzeit keine Zeit hat, die Post zu bearbeiten. So kam es dann auch, dass sie die Post teilweise zwei, drei Tage lang nicht geöffnet hat, weil sie es schlicht vergessen hat – da ihre gewohnte Routine unterbrochen wurde. Also selbst kleine Arbeitsabläufe funktionieren durch diese ständigen Eingriffe nicht mehr richtig. Ein anderes Beispiel ist die Sitzordnung: Die PCs sind so aufgestellt, dass wir uns gegenseitig direkt ansehen – ohne jeglichen Sichtschutz. Der Chef hat das aber extra so gemacht, dass er uns von hinten beobachten kann. Zusätzlich steht er gefühlt jede Stunde auf, läuft herum, schaut, was jeder gerade macht, und hinterfragt dann auch alles sehr direkt. Ich frage mich wirklich, ob das noch normal ist oder ob das schon unter Mikromanagement fällt. Ich merke jedenfalls, dass es mir nicht guttut – vor allem, weil kaum Vertrauen da zu sein scheint und jede Kleinigkeit hinterfragt wird.