Wie viele Geschlechter gibt es?

4 Antworten

Ich gehe davon aus du meinst beim Menschen und da stellt sich zunächst die Frage, meinst du Genus oder Sexus?

Sexus (bezieht sich auf das physische, biologische Geschlecht): 2 (wobei es in seltensten Fällen zu "Mischformen" kommen kann.

Genus (bezieht sich hauptsächlich auf die Identifikation, also eher das Mentale oder Psychische): Aufgrund unterschiedlichster Interpretationen und Auslegungen, dazu Ansichten und unzählige unterschiedliche Meinungen, kann man hier keine definitive fixe Zahl nennen.

Auf "MaiLab" gibt´s dazu ein sehr gutes Video, wo sie die Begriffe differenziert erklärt.

https://www.youtube.com/watch?v=8fraZlsmCio

Woher ich das weiß:Recherche

Es gibt zwei biologische Geschlechter, im Deutschen drei grammatikalische Geschlechter, zu psychologischem und sozialem "Geschlecht" gibt es keine richtigen oder falschen Antworten, da es zu diesen Begriffen keine klaren Definitionen gibt.

Hier im Einzelnen:

Biologisches Geschlecht

Das ist die Art von Geschlecht, die in Aussagen wie den folgenden vorkommt.

  • Ein Hahn ist ein männliches Huhn.
  • Die geschlechtliche Fortpflanzung macht Arten anpassungsfähiger.
  • Ein erwachsener, männlicher Mensch ist ein Mann.
  • Bei Seepferdchen werden die Männchen trächtig.
  • Clownfische können ihr Geschlecht von männlich zu weiblich wechseln.
  • Marihuana wird aus Blüten der weiblichen Hanfpflanze gewonnen.

Worauf sich das Geschlecht in allen diesen Aussagen bezieht, das sind (Größen)unterschiede in den Keimzellen der Organismen (Anisogamie). Hierbei werden die Organismen, welche darauf angelegt sind, die kleineren Keimzellen (Spermien oder Pollen) produzieren, männlich genannt. Diejenigen Organismen, welche darauf angelegt sind, die größeren Keimzellen (Eizellen) zu produzieren, weiblich genannt:

To a biologist, "male" means making small gametes, and "female" means making large gametes. Period! By definition, the smaller of the two gametes is called a sperm, and the larger an egg. Beyond gamete size, biologists don't recognize any other universal difference between male and female.

Roughgarden, J. (2013). Sex versus Gender. In Evolution’s Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press.

Joan Roughgarden ist Prof. em. für Biologie, Editorin mehrerer Fachjournale für Biologie und selbst eine Trans-Frau. Das zitierte Buch von ihr beschäftigt sich auf über 500 Seiten mit der Vielfalt der Geschlechter in Tier- und Pflanzenwelt sowie der menschlichen Gesellschaft.

Es gibt innerhalb einer Art immer nur zwei Geschlechter. Wobei bei vielen Arten ein einzelnes Individuum auch beide Geschlechter haben kann. Eine einzelne Wassermelonenpflanze beispielsweise bildet zugleich männliche und weibliche Blüten aus.

Grammatikalisches Geschlecht

Englisch "gender", deutsch "Genus"

Im deutschen und englischen werden drei Genus unterschieden: weiblich, männlich, neutral (she, he, it / die, der, das). Im Spanischen zwei (la, el)

Im deutschen geht es dabei allerdings ziemlich durcheinander und biologisches und grammatikalisches Geschlecht stimmen regelmäßig nicht überein: Die Frau, der Mann, das Mädchen, die Person, der Mensch, das Individuum, der Tisch, der Mond, die Sonne… Der Diminutiv ist immer neutral: Das Männchen, das Weibchen, das Knäblein, das Tischlein…

Personenstandsregister

Dort gibt es drei mögliche Geschlechtseinträge: weiblich, männlich, divers. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Eintrag leer zu lassen. Divers ist nicht mit "intersexuell" gleichzusetzen. Siehe dazu auch weiter unten.

Geschlechtsmerkmale

Primäre Geschlechtsmerkmale sind diejenigen Unterschiede zwischen den zwei (biologischen) Geschlechtern einer Art, welche direkt der Fortpflanzung dienen. Beim Menschen sind dies Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter, oberer Anteil der Scheide, Vulva bzw. Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Bläschendrüse, Prostata, Penis. Diese sind, wenn keine DSD (disorder of sex development / Störung der Geschlechtsentwicklung) vorliegt eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Sekundäre und tertiäre Geschlechtsmerkmale dienen nicht unmittelbar der Fortpflanzung oder sind unbedeutend für die Fortpflanzung. Beispiele sind die Brustdrüse, Beckenform, Knochendichte, Körpergröße, Lungenvolumen, Verhalten, Behaarung. In diesen Merkmalen gibt es zwar statistische Unterschiede zwischen den zwei Geschlechtern. Es gibt aber keine scharfe Trennung zwischen den Geschlechtern in der Merkmalsausprägung: Männer sind zwar im Durchschnitt größer als Frauen. Es gibt aber auch Frauen, die größer als 180cm sind und Männer, die kleiner als 160cm sind.

Störungen der Geschlechtsentwicklung

Oft werden irrtümlicherweise Störungen der Geschlechtsentwicklung angeführt als Beispiel dafür, dass es auch Menschen gäbe, die keinem bzw. einem dritten biologischen Geschlecht zuzuordnen wären. Oft wird hierfür der veraltete und irreführende Begriff "Intersexualität" gebraucht. Siehe hierzu das Consensus Statement der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society und der European Society for Paediatric Endocrinology aus 2006:

Advances in identification of molecular genetic causes of abnormal sex with heightened awareness of ethical issues and patient advocacy concerns necessitate a re-examination of nomenclature. Terms such as intersex, pseudohermaphroditism, hermaphroditism, sex reversal, and gender based diagnostic labels are particularly controversial. These terms are perceived as potentially pejorative by patients, and can be confusing to practitioners and parents alike.

Der Begriff "intersex" suggeriert, betroffene Menschen wären inter, also zwischen den Geschlechtern, einzuordnen. Dies trifft in manchen Fällen tatsächlich auf einige Geschlechtsmerkmale zu, betrifft jedoch nie das eigentliche biologische Geschlecht, also die Keimdrüsen (Gonaden) oder Keimzellen, wie auch diese wissenschaftliche Stellungnahme der Endocrine Society betont:

The classical biological definition of the 2 sexes is that females have ovaries and make larger female gametes (eggs), whereas males have testes and make smaller male gametes (sperm); the 2 gametes fertilize to form the zygote, which has the potential to become a new individual. The advantage of this simple definition is first that it can be applied universally to any species of sexually reproducing organism. Second, it is a bedrock concept of evolution, …

Bhargava A, Arnold AP, Bangasser DA, Denton KM, Gupta A, Hilliard Krause LM, Mayer EA, McCarthy M, Miller WL, Raznahan A, Verma R. Considering Sex as a Biological Variable in Basic and Clinical Studies: An Endocrine Society Scientific Statement. Endocr Rev. 2021 May 25;42(3):219-258.

Die Endocrine Society ist Fachgesellschaft für Endokrinologie, also ein medizinisches Fachgebiet, welches sich in besonderem Maße mit DSDs / "Intersexualität" beschäftigt.

Betroffene Menschen selbst sehen sich ebenfalls fast immer als männlich oder weiblich und nicht als "zwischen den Geschlechtern".

Gender / soziales Geschlecht

Der Begriff Gender wird häufig als Gegenstück zum biologischen Geschlecht gebraucht und soll ein soziales Geschlecht bezeichnen. Hierunter fällt ein weites Spektrum an geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen (Geschlechterrollen, Geschlechtspräsentation wie Kleidung, Frisur, Makeup, …), geschlechtsbezogene Erwartungen, Geschlechtsidentität, geschlechtsbezogene Prägungen, geschlechtsbezogene Diskriminierung, …

Was in diesem Kontext geschlechtsbezogen heißt oder heißen sollte ist Gegenstand aktueller akademischer Arbeiten und öffentlicher Diskussion. Hiervon wird es letztlich abhängen, wie viele verschiedene "Gender" es gibt.

Einen Überblick über Arbeiten zu dem Thema gibt

Bogardus, T. (2020). Some Internal Problems with Revisionary Gender Concepts. Philosophia 48 (1):55-75.

Insbesondere der Begriff Gender, aber auch Geschlecht, Mann, Frau, sind in diesem Kontext inzwischen so umstritten, dass man mit ihnen nicht mehr verständlich kommunizieren kann. Sie sollten in diesem Kontext gemieden werden und stattdessen klar definierte Begriffe wie biologisches Geschlecht, Geschlechtspräsentation, -rolle, -merkmale, -identität, Männchen, Weibchen, … verwendet werden.

Wieviele Geschlechter gibt es nun also?

Ich halte mich an das biologische Geschlecht im engen Sinne. Das ist klar definiert, verständlich und für viele Fragen im sozialen Zusammenleben irrelevant: Ob sich jemand Rock oder Hosen anzieht, auf die Männer- oder Damentoilette geht, sich Sara, Paul oder Robin nennt, das hat alles nichts mit den Keimzellen zu tun, die er produziert. Hier gibt es zwei Geschlechter. Alles, was darüber hinausgeht, ist sozial / kulturell konstruiert und es gibt folglich auch keine allgemeingültige richtige oder falsche Antwort.

Hey!

Eine eindeutige Antwort würde ich darauf nur ungern geben, aber es gibt definitiv mehr als zwei biologische Geschlechter. Man sagt zwar folgendes: Das Y-Chromosom soll ausschlaggebend sein - Präsenz = Mann, Abwesenheit = Frau. Stimmt nicht ganz. Auf den Chromosomen liegen Gene und es sind über tausend Gene an der Geschlechtsentwicklung beteiligt, wovon nichtmal 80 erforscht sind. Man kann also sagen, wir wissen nichts über Geschlecht.

Wir haben dann noch aber Intersexualität, in Form von Hermaphroditismus verus ("echter Zwitter"). Dabei gibt es verschiedene Konstellationen - statt der normalen XX und XY nur X, XXY, XYY usw. Das sind eigene Geschlechter, obwohl es Mutationen sind - denn wir sind alle reine Genmutationen und könnten uns sonst die Menschlichkeit absprechen. Das renommierte Naturwissenschaftsmagazin Nature schrieb dazu diesen Artikel, der mehr als empfehlenswert ist. Es gibt noch Lebewesen, die haben weder X/Y-Chromosomen, noch anderes. Man kann sich Geschlecht so vorstellen: Ein unendlich großer Raum, lass es das Universum sein, und die Ränder sind Mann + Frau. Ich habe dir hier, hier und hier noch weitere sehr gute Artikel verlinkt. In der Biologie sind inzwischen übrigens auch mehr als zwei Geschlechter anerkannt.

Liebe Grüße!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium

Beim Menschen gibt es 2 Geschlechter.

Pilze haben mehr Geschlechter und von 2 Ameisenarten die sich parallel in eine Abhängigkeit voneinander entwickelt haben, spricht man inzwischen von 4 Geschlechtern.