Hi, ich schreibe seit ca. einem Jahr Poetry Slams und würde mich freuen wenn ihr den hier einmal lesen könntet und vielleicht Verbesserungsvorschläge habt? Ich lerne gerne dazu und würde mich deshalb sehr darüber freuen! Viel Spaß beim Lesen:
„Seit wann?" - Ein Poetry Slam über das Erwachsenwerden
Instagram. Tagesschau. Bundestagswahl. Aktuelle Sonntagsumfrage: „Die Union hat laut dem ARD- Deutschlandtrend nach der Debatte über die Abstimmungen zur Migration mit der AfD an Zustimmung gewonnen."
Like. Weiterleiten an Mama. Hintendran ein Alpenpanorama. Mit dem Wissen, auf der nächstgelegenen Autofahrt darüber zu sprechen. Und letztendlich bleibt es doch beim Wetter und der Frage, ob ich mein Frühstück eingepackt habe.
Ich schreibe meiner Friseurin. „Hast du Samstag noch was frei? Während ich meinen Tee umrühre - für die Arbeit, mal so ganz nebenbei.
Ich plane Sommerurlaub mit einer Freundin. Berlin. Seit wann mach ich das allein? Und seit wann buche ich Hotels, statt einfach loszuziehen?
Ich checke den Bewerbungsstatus. Scrolle. Refresh. Scrolle. Refresh.
Ich setze mich abends hin und lese ein Buch. Seit wann mag ich das? Ich mochte Lesen doch noch nie. Und seit wann habe ich den Job mir selbst eine Gute Nacht Geschichte vorzulesen? Wo ist Mama und ihre Schulter zu anlehnen auf einmal gewesen?
Wann hat das angefangen? Seit wann kann ich überhaupt schreiben? Seit wann trinke ich Tee? Ich fand Tee eklig. Seit wann plane ich Urlaube, statt einfach auf den Rücksitz zu steigen? Den Sitz mit Brötchen voll zu krümeln und ein Regentropfenwettrennen durch halb geputzte Fenster zu beobachten...
Wann war Mathe keine Ansammlung wirrer Zahlen mehr? Wann wurde „Was willst du mal werden?" keine Frage aus Spaẞ mehr? Wann war ein Blatt Papier nicht mehr zum Kritzeln da, sondern für Lebensläufe oder sprachliche Mittel für den nächsten Poesie Anfall?
Wann war „Geld verdienen" nicht mehr bloß ein Spiel mit Monopoly-Scheinen? Seit wann bin ich nicht mehr gelangweilt von dem, was Erwachsene tun? Seit wann verstehe ich, warum Mama so oft den Kopf schüttelte? Seit wann habe ich den Sinn verstanden von Licht ausmachen vor dem Verlassen des Hauses, das Heizung runter drehen wenn die Fenster offen stehen? Seit wann kann ich eine Waschmaschine bedienen und Moment mal? Seit wann liegt die Wäsche nicht mehr zusammengelegt in meinem Schrank, sondern mich anlächelnd in einem Wäschekorb? Seit wann bügele ich sonntags, während ich das wöchentliche Enkelin - Telefonat führe? Seit wann verstehe ich, dass Verantwortung kein Wort ist, sondern ein Gewicht? Seit wann bin ich alt genug, um mir diese Fragen zu stellen - und jung genug, um sie noch nicht zu beantworten? Ich weiß noch, wie groß es war, allein Brötchen zu kaufen. Wie riesig, die erste Busfahrt ohne Eltern. Wie unendlich weit weg, ein Schulabschluss. Wie groß die Zahl 10 auf meinem Geburtstagskuchen war.
Und heute? Ja, heute sind das alles Kleinigkeiten.
Und trotzdem: Wann war der Moment, an dem ich aufgehört habe, Kind zu sein? War es der erste eigene Schlüssel? Das erste Mal „1000 Euro" selbsterarbeites Geld auf dem Konto? Oder einfach der Moment, als „Ich habe keine Lust" nicht mehr als Ausrede gereicht hat? Und ist es gut, nächstes Jahr 18 zu werden? Oder ist es das, wovor ich am meisten Angst habe? Nicht mehr am Tag vor dem Geburtstag zu platzen und nachts hellwach die Sekunden zählen? Ist Erwachsenwerden nur eine Liste von Dingen, die plötzlich normal sind? Oder ist es ein Mutmacher, weil ich es doch irgendwie hinkriege?
„In Deutschland ist er ein Superstar - in den USA gab es noch keine einzige umfassende Ausstellung zu den Werken von Caspar David Friedrich (1774-1840). Das ändert sich jetzt..."
Like. Weiterleiten an Mama. Mit dem Wissen, auf der nächstgelegenen Autofahrt darüber zu sprechen. Und vielleicht. Vielleicht frage ich sie diesmal, wann sie eigentlich erwachsen wurde.