Die Völkerrechtslage dazu ist unklar.
Ob eine antizipatorische Verteidigung völkerrechtlich legal sein kann, ist umstritten, egal ob der Militärschlag als präemptiv oder präventiv deklariert wird - diese beide Adjektive sind der Kern der Diskussionen um die Legalität.
Es gibt eine Fraktion unter den Völkerrechtlern, welche eine streng wörtlichen Interpretation der UN-Charta annimmt, nach der das dort festgelegte Gewaltverbot nicht einmal die unilaterale präemptive Selbstverteidigung erlaubt.
Auf der anderen Seite gibt es Juristen, welche den reinen Bezug auf das Gewaltverbot als unzureichend darstellen, da es in der Praxis zu keinem Zeitpunkt je funktioniert hat. Grenzen für präventive/präemptive Maßnahmen gäbe es demnach nicht, da sie Handlungsunfähigkeit nach sich zögen.
Daraus folgte ein Rechtssystem, in dem präventive wie präemptive Kriege als legales Instrument gälten, sei es gegen Staaten, die nach Massenvernichtungswaffen streben, oder gegen Regierungen, die rigide Gewalt gegenüber der eigenen Bevölkerung anwenden.
Jene Denkschule, die dagegen Präemption, keinesfalls aber Prävention für legal hält, argumentiert innerhalb eines sog. "normorientiert-systematischen Ansatzes", wie er insbesondere von den europäischen Demokratien vertreten wird. Auch hier ergibt sich, dass selbst präemptive Maßnahmen als völkerrechtswidrig gälten.
Bei einer solchen Umstrittenheit unter Völkrrechtlern ist deine Frage nicht eindeutig zu beantworten, es käme darauf an, welche Fraktion du fragst.
Fragst du Israel, wird es sagen, dass es sich auf die Kriterien beziehen wird, die der damalige US-Außenminister Daniel Webster anlässlich eines Zwischenfalls mit Großbritannien (des sogenannten Caroline-Falls von 1837) formuliert hat, und die Eingang ins Völkergewohnheitsrecht gefunden haben.
Danach ist die antizipatorische Verteidigung dann erlaubt, wenn sie zur Abwehr einer unmittelbaren Bedrohung notwendig ist, wenn es dazu keine anderen Möglichkeiten gibt, der Zeitdruck keine weiteren Beratungen gestattet und das Handeln gemessen an der Notwendigkeit verhältnismäßig ist.
Wie auch immer - es wird Auslegungssache sein.
Falls du Interesse hast, sehr differenziert wird das Problem in einer Studie der "Stiftung Wissenschaft und Politik -Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit" beleuchtet:
Die USA, Israel und die Legitimität eines Präventivangriffs gegen Iran - Strategische, völkerrechtliche und ethische Aspekte
https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2012_S14_rdf.pdf