Hallo Student,
ich habe mir die Frage auch schon des Öfteren gestellt. Auch habe ich mich gefragt, ob es überhaupt irgendwelche gegenwärtige oder künftige Situationen gibt, in denen die Vergangenheit keinen Einfluss hat.
Irgendwie fällt mir da wahrhaftig nichts ein.
Also gehe ich davon aus, dass die Vergangenheit in jeder Situation auf irgendeine Weise Einfluss nahm. Dazu gehört natürlich dann auch meine eigene Vergangenheit im Zusammenhang mit meiner Arbeit.
"Hat man beispielsweise selbst eine strenge Erziehung erfahren, könnte dies möglicherweise dazu führen einen autoritären Erziehungsstil in Kitas zu befürworten oder aber total abzulehnen?"
Nach meinem Verständnis beeinflusst und prägt also auch die eigene Vergangenheit die Vorstellungen von Moral, Vernunft, Werten und Normen.
Auch gehe ich davon aus Erfahrung davon aus, dass dieser Einfluss der Vergangenheit auch als "einschränkend" bewertet werden kann.
Ich selbst bin in meiner Arbeit immer wieder damit beschäftigt, ungünstige Projektionen und Übertragungen zu vermeiden indem ich auch an mir arbeite.
Wenn ich bemerke, dass meine Vergangenheit nun so sehr in der Gegenwart "blicken lässt", so dass es sich einschränkend auf meine Arbeit auswirkt, benutze ich meistens folgende Möglichkeiten:
Ich lasse in der Situation meinen professionellen Anteil im Vordergrund und versuche möglichst die Gegenwart von der Vergangenheit zu trennen.
Später widme ich mich dem Teil, der da aus der Vergangenheit kommt und sich in der Gegenwart zu Wort meldete. Wenn dieser mal in einer traumatischen Situation entstanden ist, nehme ich mir ggf. professionelle Hilfe. ("Hat man selbst traumatische Erfahrungen gemacht, können diese Erfahrungen unser Handeln vielleicht einschränken?" ist damit vielleicht auch schon beantwortet.)
"Warum kommt es manchmal zu Missbrauchfällen durch Betreuer? Hat das etwas mit der Biografie der Person zu tun?"
- Davon gehe ich aus, weil die Biografie nun mal auch zur Vergangenheit gehört. Warum kann ich nicht sagen, vielleicht findest Du bei Google individuelle Hintergründe für Missbrauch. In einer Fortbildung lernte ich mal, dass das Abhängigkeitsverhältnis Täter möglicherweise dazu einlädt, dies auszunutzen.
"Wie empfindet man den heutigen Wandel der Kindheit? Kann man dafür Verständnis aufbringen oder nicht? Und wie hängt das mit der eigenen Kindheit zusammen?
Was meinst Du mit Wandel der Kindheit?
Wenn ich das so lese fällt mir ein: Die Jugend von heut im Gegensatz zu früher..
Dazu würde ich sagen: Als ich ein Kind war, habe ich die Kindheit aus Kindersicht gesehen. Heute bin ich erwachsen und sehe die Kinder heutzutag´ aus Erwachsenensicht. Ich kann diesen Wandel also überhaupt nicht beurteilen. Klar sehe ich, viele Dinge, die es früher nicht gab und heute schon oder umgekehrt. Sei es Technik, Moral und Ethik ect.
Aus dieser Sichtweise bin ich einfach nur beeindruckt, wie sehr sich die "Kindsgesellschaft" und auch die Erwachsenen anpassen können an Fortschritte. Natürlich gibt es dadurch auch andere Probleme als früher (z.B. wenn Kinder es mit dem Medienkonsum übertreiben, so dass die Erwachsenen sich sorgen...)
Aber ich glaube dass die Probleme sich einfach nur verlagert haben, genau wie die Vorteile.
Deshalb stehe ich der Veränderung sehr positiv gegenüber und nenne es mal Wachstum.
"Wie empfindet Ihr dieses Thema?"
Ich finde das Thema hochinteressant und finde es wichtig, dass jeder Pädagoge sich mit der eigenen Biografie auseinandersetzt und auch später im Beruf immer wieder bereit ist, an sich zu arbeiten. . Dafür reicht Reflexion allein nicht aus, auch die Möglichkeiten sehen zu können, welche Lösungen es für den Einzelnen gibt, finde ich wichtig. Ich empfinde es außerdem als wirklich sinnvoll, ein Gespür für Projektion und Übertragungen zu bekommen.
"Vielleicht hat jemand Lust über seine eigenen Erfahrungen zu berichten?"
Nicht wirklich. :)
Trotzdem mal ein paar Beispiele:
Zwei Pädagogen haben unterschiedliche Ansichten, ob ein Handy am Tisch benutzt werden darf oder nicht.
Der Pädagoge ist bei einer Blutentnahme seines Klienten anwesend und kann (aus persönlichen Gründen aus der Vergangenheit) selbst kein Blut sehen.
Der Pädagoge hat in der Jugend gelernt trotz starker Erkältung und Fieber zur Arbeit zu gehen und setzt dies um. Deine Arbeit ist an diesen Tagen "eingeschränkt"
Der Pädagoge tröstet ein schreiendes Kind und er selbst ist dabei z.B. durch die in der Vergangenheit erlernte Empathie emotional sehr berührt, so dass er sich beherrschen muss nicht selbst weinen zu müssen.
usw.
LG