Hallo, ich glaube, ich muss mir das einfach von der Seele reden. Ich hatte schon immer ein sehr schlechtes Verhältnis zu meinem Vater. Er war starker Alkoholiker und Kettenraucher seit ich ihn kenne, wurde oft mir, meinem Bruder und meiner Mutter gegenüber aggressiv und handgreiflich, tyrannisierte die Familie und machte mir als Kind große Angst. Als ich erwachsen wurde (ich bin jetzt 26), fing ich an, den Kontakt zu reduzieren, und stritt mich auch immer öfter mit ihm. Ich empfand nur noch Wut und Enttäuschung für ihn, und sah ihn schon sehr lange nicht mehr als Vater an. Abgesehen davon ist er wahrscheinlich für eine große und lange Anzahl meiner pschischen Diagnosen verantwortlich, aber das ist eine andere Geschichte.
In den letzten Wochen nahm sein Gesundheitszustand rapiede ab, er kam mit Leber- und Nierenversagen ins Krankenhaus, war quasi dabei, sich "totzusaufen". Ins Krankenhaus selbst schmuggelte er noch ab und an Bier. Dort besuchte ich ihn ein mal, der Besuch war allerdings sehr kalt und wortlos.
Nach einigen Komplikationen wurde er ins Koma gelegt, mit künstlicher Beatmung, künstlicher Ernährung usw. Die Ärzte versuchten, Wasser ihn zu pumpen, um die Nieren wieder zum Laufen zu bringen. Das hat nicht geklappt, und so kam heute Vormittag der Anruf von meiner Mutter, das Krankenhaus habe angerufen, er hat noch etwa 1 - 2 Stunden. Mein Bruder war schon den ganzen Vormittag bei ihm, und ich bin schnell zum Krankenhaus gefahren. Kurz vorher kam die SMS von meiner Mutter: "Er ist gestorben".
Als ich dann auf der Intensivstation war, fragte mich die Schwester, ob ich nochmal mit rein will. Mama wollte sich Papa nicht mehr so ansehen, mein Bruder war den Anblick schon gewohnt und ging voraus. Ich war unschlüssig, aber die Freundin meines Bruders nahm mich an die Hand und ging mit mir rein.
Ich weiß, es ist nicht sehr pietätvoll, aber er sah wirklich eklig aus. Die Haut war grau-gelb, alle Schläuche waren noch dran, er war total aufgequollen vom Wasser, und das Gesicht von den Schläuchen breit gedrückt. Das Schlimmste war allerdings für mich, dass er noch an der Atemmaschine angeschlossen war. Die Leiche hat noch geatmet. Nach einer Zeit fand ich wieder Worte, und fragte meinen Bruder "Warum atmet er noch?" Ich konnte diesen Anblick nicht ertragen.
Später boten uns die Schwestern an, noch einmal Abschied zu nehmen, die Schläuche und Geräte waren nun entfernt. Er sah noch schlimmer aus. Das Gesicht hatte überhaupt keine Spannung mehr und war eine einzige Pfütze, die Lider waren leicht geöffnet, die Hände zur Faust geballt. Aber er atmete nicht mehr.
Ich trauere nicht wirklich um ihn, er war schon immer sehr depressiv, wollte sich oft umbringen. Für ihn ist es wahrscheinlich eine Erleichterung, er starb mit 55. Ich sitze nun wach hier, und immer wieder kommt mir diese Frage in den Kopf "Warum atmet er noch?" Klar, es war nur die Maschine...aber es war so makaber.
Ich hoffe, ich kann diesen Anblick bald vergessen...