Ein Musikgenre ist eine Musikrichtung. Die Zuordnung ist nicht (immer) eineindeutig.
Menschen gruppieren Dinge, um sich die Welt einfacher zu machen. Die meisten Kategorien sind gewissermaßen willkürlich oder subjektiv. Einfaches Beispiel: Die Kategorien ♀ und ♂ - In manchen Fällen mag das hinhauen, und dann gibt es Exemplare, wo es nicht mehr so einfach zuzuordnen ist. Kategorien sind also abstrakte Konstrukte, und das Genre ist da keine Ausnahme.
D. h.: Man versucht, Liedern/Musikstücken, die sich in gewisser Weise ähneln, einen gemeinsamen Oberbegriff zuzuordnen. Aber genau wie bei allen anderen Kategorien ist das pauschal und subjektiv. So kannst du Dinge nach verschiedenen Kriterien ordnen, und dann überschneiden sich die Kategorien. Verschiedene Menschen können außerdem ganz verschieden wahrnehmen, was sie hören. Wenn du also widersprüchliche Aussagen über die Zuordnung eines bestimmten Liedes findest, brauchst du dich nicht zu wundern.
Musik ist generisch, sie entwickelt sich und die Übergänge sind fließend. Vieles, was wir heute hören, hat sich über lange Wege aus dem Blues entwickelt: RocknRoll, Rock, Funk, Hip-hop, Alternative, Indie, Metal, Crossover, Punk... Entsprechend könnte man alle diese , Nachkommen als moderne Bluesformen bezeichnen, was man aber meistens nicht macht - man erntet ja auch eher Verwirrung, wenn man Italienisch als Modernlatein bezeichnet^^.
Hilfreich für die Zuordnung ist bei vielen Genres das Entstehungsjahr des Liedes und die Frage, ob das Lied seinerzeit mit dem oder außerhalb des Zeitgeists war. Für mich ist Rap eine Vokalform (im Unterschied zu Gesang) und damit ein Element des Genres Hip-hop, kein eigenständiges Genre. Aber es gibt Leute, die das differenzieren und dafür haben sie sicher eigene Gründe. Entsprechend definiert sich Hip-hop für mich durch die typische Verwendung von Rap. Für mich ist das ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Dazu noch die Praxis des Samplings. Dann wieder ist das korrespondierende Genre für viele RnB oder Black Music - für mich greift da eines ins andere. Aber ich mag weißen Hip-hop auch nur in Ausnahmefällen. An die Musikgenres knüpft sich für gewöhnlich eine bestimmte Lebenskultur an. Die Integration von Hip-hop/Rap in Rock/Alternative würde ich als Crossover bezeichnen, weil da 2 Äste des selben Baumes zusammengebunden werden, die in ganz verschiedene Richtungen weisen und deren gemeinsamer Vorfahr schon sehr weit zurückliegt. Keins von beiden hat sich aus dem anderen entwickelt, es ist kein Übergang, sondern ein nachträglicher Hybrid.
Festgelegt ist das nicht, es gibt kein (Natur-)Gesetz, dass der Sache Objektivität verleiht oder sie vorschreibt. Natürlich wäre es praktisch, wenn das standardisiert/genormt wäre. Aber es liegt in der Natur der Sache, das es nicht geht. Stattdessen gibt es einen gewissen gemeinschaftlichen Konsens, man versucht sich zu verstehen.
Jemand hat mal (vor einem Jahrzehnt) gesagt, wenn Bach heute leben würde, würde er Metal machen. Und das ist gar nicht so abwegig. Mein Vater hatte in seiner CDsammlung eine Kategorie "Schreiende Weiber", was keineswegs negativ gemeint war, schließlich mochte er sie offensichtlich. Für ihn war das ein ziemlich eindeutiges Genre und man kann durchaus objektiv nachvollziehen, was für Musik damit gemeint wäre - Tina Turner, Christina Aguilera und manche Tracks von Beyoncé oder Rihanna - aber die Bezeichnung hat sich öffentlich in den Medien nie durchgesetzt und deswegen würde ich nach Möglichkeit versuchen, die Ladies in Genres zu packen, die von einer möglichst breiten Mehrheit verstanden werden. Außer im Gespräch mit meinem Papa, versteht sich ;)
Du kannst also deine eigenen Genres erfinden, je nach dem, was für deine Vorlieben und Bedürfnisse passt. Wenn du z. Bsp. jede Art von RocknRoll bis auf den von Elvis mögen würdest, gäbe es für dich wahrscheinlich einen elementaren Unterschied zwischen dem, den du magst, und dem anderen. Wenn dieser Unterschied für dich so schwerwiegend ist, kann es für dich unsinnig erscheinen, beide als zugehörig zum gleichen Genre zu erachten, dann brauchst du neue, für dich passende Gruppierungen. Wenn diese genug anderen Leuten einleuchten, würden sich deine Begriffe vlt durchsetzen. Neue Genres werden definitiv nötig, wenn jemand musikalisch etwas nie dagewesenes macht und daraus dann ein neuer Stil wird, der sich etabliert.
Das Problem ist der Grad des nie dagewesenen - wie wichtig, enorm ist die Veränderung? Wenn für Person A gerade eine weltbewegendes musikalische Neuheit entstanden ist, findet sie es berechtigt,selbstverständlich, unverzichtbar ein neues Genre einzuführen. Person B lässt das selbe Musikstück dagegen völlig kalt, und auf dessen Grundlage ein neues Genre zu begründen, erscheint dieser 2. Person völlig haltlos, überflüssig, hypend. Und genau deswegen gibt es in der zeitgenössischen Musik soviele Sub- und Minigenres, fast so viele wie Meinungen.
Rückblickend wird sich dann in der Zukunft herausstellen, welche aktuellen Genres sich durchsetzen konnten, bis dahin müssen wir mit dem überschwänglichen Chaos leben.
Ein Genre, das sehr leicht zu definieren ist, ist Pop. Je nach Definition von "Genre" ist Pop nämlich gar keins und wird nur so verwendet. Das Grundmerkmal des Pop ist, dass die ihm zugerechneten Songs zu ihrer Zeit populär, sehr beliebt waren und im Radio und bei Tanzveranstaltungen (Clubs, Diskotheken, oder wie sie in ihrer Zeit eben so hießen) gespielt wurden/werden. Häufig bezeichnet man auch solche Songs als Pop, die "sonst nichts" sind, also sich schwer in eine der üblichen Genreschubladen pressen lassen., evtl. weil sie zu einem neuen, noch unbekannten Genre gehören. Damit ist Pop ein Synonym zu Mainstream, was nicht unbedingt ein Kompliment ist. Wer nur Pop anhört, läuft Gefahr deswegen als meinungsloser Mitläufer betrachtet zu werden, jemand, der praktisch keinen eigenen Musikgeschmack hat. Vieles, dass dieses Jahr so in den Charts war, passt imho nicht in die etablierten Genres - vor allem nicht in diejenigen, die Musik enthalten, die ich mag - und ist meiner Ansicht nach daher auch "nur Pop und sonst nichts". Ganz typisches Beispiel wäre "Dance Monkey". Offiziell wird es unter Alternative/Indie geführt, aber nach meinem Verständnis ist es keins von beiden. Beide sind nämlich rockig (oder gründen wenigstens darauf) und das ist dieses Lied nicht. Es ist eher ein digital bearbeitetes Kinderlied. Vielleicht werde ich auch einfach alt und deswegen liegen mir die aktuellen Musiktrends nicht^^, wie Frank Turner so schön sagte.
Kinderlied wäre auch so ein Genre, das leicht zu verstehen ist, weil es aus dem technischen/historischen Genrerahmen fällt - auch Kinderlieder könnten theoretisch verschiedenen Genres nach Machart/Gestaltung angehören. Meistens sind sie aber eher schlicht gehalten, ähnlich Singer-Songwriter/Liedermacher - auch so ein Genre, das sich weniger an der eigentlichen Umsetzung, sondern primär an der Entstehungssituation orientiert. Damit verbunden sind dann oft aber auch typische Gestaltungs- /Aufbauelemente.
Am leichtesten lernen sich Kategorien, in dem du deinem Hirn zu jeder eine ganze Liste Beispiele präsentierst - wir bilden unser begriffliches Verständnis nämlich zweierlei, einmal durch eine mentale Liste von Vertretern einer Art, und zweitens durch die Merkmale, die den meisten davon gemein sind, und zwar beides in Kombination. Deswegen weißt du, dass ein Pinguin ein Vogel ist, und du bist dir im Klaren, dass es typische und weniger typische Exemplare einer Kategorie gibt (Prototypentheorie). Wenn du also die verschiedenen Genres verstehen willst, bzw. ihre Unterscheidung, dann pick dir eins raus und höre dir verschiedene Songs (nicht zu wenige, lieber ein paar mehr) an, die diesem zugeordnet werden. Beobachte Gemeinsamkeiten. Dann ein anderes. Fang am besten mit etwas einfachem an (Singer-Songwriter ist über die Jahre z. B. sehr konstant: Neil Young, Reinhard Mey, Tracy Chapman, Michelle Branch, Paul Simon, Anouk, Sarah Lesch, Vanessa Charlton...) und vlt am besten mit etwas, das dir potentiell gefallen könnte, oder wenigstens nicht zuwider ist. Je moderner das Genre, umso komplizierter und vielfältiger ist die Zuordnung, also sind ältere Genres einfacher identifizierbar. Gehe aber nicht bis zu klassischen Musikepochen zurück, wenn du eigentlich etwas über die moderne Liedkultur lernen möchtest. Ca. Mitte des vergangenen Jhds sollte reichen, also höchstens.
Rock hat jedenfalls sehr viele Varianten ausgebildet, das macht es vielleicht schwierig nachzuvollziehen. Einfacher ist es mit Punk(rock), der oft unter Alternative geführt wird. Ich finde die Verbindung zum RocknRoll kommt da gut heraus dabei. Gerade Alternative ist ein ziemlich oberbegriffliches Genre, man könnte sagen, Alternative fasst verschiedene (Sub?)Genres zusammen, auch GothicRock, Metal, Crossover, Hip-hop... Oder man betrachtet diese als eigenständige Genres.