Wo lieht der unterschied zwischen dem Biologischen Artbegriff & dem morphologischen Artbegriff?

3 Antworten

Morphologie ist die Lehre von der äußeren Gestalt von Lebewesen. Alles, was in wesentlichen Merkmalen gleich aussieht, gehört also zu einer Art.

Die biologische Definiton des Artbegriffes beruht auf der Kreuzbarkeit von Lebewesen und fruchtbaren Nachkommen.

Es gibt manche Arten, die sich äußerlich sehr ähnlich sehen, aber wenn man die Gen-Sequenzen vergleicht, selbst wenn es sich um die ja relativ hochkonservierten Protein-codierenden Bereiche handelt, zeigen sie dann manchmal derart verblüffende Verschiedenheiten, dass man sie als verschiedene Arten (und eben nicht z.B. als Unterarten) verstehen muss.

Ein sehr aktuelles Beispiel ist der Tapanuli-Orang-Utan, der auf der Insel Sumatra lebt, und den man lange Zeit für eine Rasse, oder zumindest nur für eine Unterart, des Sumatra-Orang-Utans hielt. Heute muss man ihn als eigene Art betrachten, denn die Sequenz-Unterschiede zum Sumatra-Orang-Utan sind relativ beträchtlich.

Der Tapanuli-Orang-Utan ist heute leider durch ein Staudamm-Projekt auf seinem Gebiet sehr bedroht. Es gibt von ihm ohnehin nur noch ca. 800 Individuen :( ...

Darwinist  17.11.2019, 11:45

Was du geschrieben hast, stimmt alles. Man muss dazu sagen, dass die Abtrennung des Tapanuli-Orangs (Pongo tapanuliensis) vor allem dadurch gerechtfertigt werden kann, dass sie näher mit dem Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus) verwandt sind als mit dem Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii).

Die Abtrennung der Tapanuli-Orang-Utans als eigene Art ist daher nur gerechtfertigt, wenn man Sumatra- und Borneo-Orangs als voneinander getrennte Arten betrachtet. Das wird heute von den meisten Wissenschaftlern so akzeptiert, es gibt jedoch durchaus noch kritische Stimmen, die der Ansicht sind, dass es sich bei den beiden nur um Unterarten einer einzigen Art handelt. In diesem Fall wäre der Tapanuli-Orang-Utan dann "nur" eine weitere Unterart.

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Der biologische Artbegriff definiert eine Art als eine Fortpflanzungsgemeinschaft. Lebewesen gehören dann zu einer Art, wenn sie sich miteinander uneingeschränkt fortpflanzen können, d. h. Nachwuchs zeugen können, der selbst uneingeschränkt fruchtbar ist. Ausnahme von dieser Uneingeschränktheit ist natürlich, dass bei getrenntgeschlechtlichen Lebewesen sich ein Männchen und ein Weibchen miteinander fortpflanzen müssen.
Beispiel: der Tiger (Panthera tigris) bildet eine eigene Art, weil jeder Tiger sich mit einem anderen Tiger fortpflanzen kann. Paart sich ein Tiger mit einem Löwen (Panthera leo), dann entsteht zwar ebenfalls Nachwuchs, dieser ist aber in der Regel infertil (unfruchtbar) und daher gehören Tiger und Löwe nach dem biologischen Artkonzept zu zwei verschiedenen Arten.

Das biologische Artkonzept ist bis heute das geläufigste und am meisten genutzte Artkonzept in der Biologie. Man stößt mit diesem Konzept oft aber an Grenzen. Es gibt viele Situationen, bei denen das biologische Artkonzept nicht angewendet werden kann:

  • bei Lebewesen, die sich nicht geschlechtlich vermehren, versagt das biologische Artkonzept, für das ja eine geschlechtliche Fortpflanzung essentiell ist.
  • bei ausgestorbenen Lebewesen verfügen wir oft nur über den Fossilienbericht. Um zu belegen, dass zwei Arten nach dem biologischen Artkonzept voneinander getrennt sind, müssten wir Kreuzungsversuche unternehmen. Da das bei ausgestorbenen Arten nicht möglich ist, scheitert das biologische Artkonzept auch hier.

Aus diesem Grund wird, vor allem in der Paläontologie, das morphologische Artkonzept angewendet (bzw. in seiner etwas modifizierten Form das Konzept der Chrono-Spezies, das noch den Aspekt der Zeit berücksichtigt). Einer Art gehören diesem Konzept zufolge alle Individuen an, die bestimmte morphologische und anatomische Merkmale miteinander teilen und in denen sie sich von anderen Arten abgrenzen lassen. Diese Merkmale sind also im Idealfall artspezifisch, d. h. sie sind einzigartig für diese Art.
Auch hier wieder das Beispiel Tiger und Löwe: Tiger sind morphologisch vom Löwen zu unterscheiden durch ihr Streifenmuster, männliche Tiger bilden keine Mähne aus, eine Quaste am Schwanzende fehlt. Löwen sind dagegen dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Schwanzquaste besitzen, ein sandfarbenes Fell ohne Streifen besitzen und die Männchen tragen auffällige Mähnen. Subtilere Merkmale sind außerdem Unterschiede im Bau des Skeletts, insbesondere des Schädels.

Schwierig wird es, wenn die morphologischen Merkmale nicht diskret sind, sondern es fließende Übergänge gibt. Dann ist nicht immer eindeutig, wo man die Grenze zwischen zwei Arten ziehen soll. Der Unterscheidung nach dem morphologischen Artkonzept haftet daher immer auch ein bisschen die Willkür des jeweiligen Biologen an. Nicht immer sind alle Biologen hier derselben Meinung.

Es gibt übrigens noch eine ganze Reihe anderer Artkonzepte. Gestützt durch die Möglichkeiten der Molekularbiologie (Sequenzvergleiche von Aminosäuren oder DNA) wird heute das so genannte phylogenetische Artkonzept zunehmend in den Fokus gerückt. Es versteht Arten als Individuen mit einer gemeinsamen Phylogenie (Stammesgeschichte), die von gemeinsamen Merkmalen (Apomorphien) abgeleitet werden kann.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig