Wie lassen sich der biologische und populations genetische artbegriff mit Hilfe von Beispielen belegen?

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"Belegen" ist das falsche Wort, weil alle Artkonzepte ihre Vorzüge haben, aber auch Nachteile. Welches Konzept angewendet wird, hängt daher sehr stark von der Fragestellung ab und auch, von welcher Gruppe von Lebewesen man spricht - auf Mikroorganismen lässt sich das biologische Artkonzept beispielsweise überhaupt nicht anwenden, weil diese sich nicht sexuell vermehren (Agamospezies). Es gibt aber gute Beispiele, die die verschiedenen Konzepte anschaulich illustrieren und dadurch verständlicher werden lassen.

Das biologische Artkonzept definiert eine Art als eine Fortpflanzungsgemeinschaft. Zu einer Art gehören demnach alle Individuen, die sich miteinander uneingeschränkt (abgesehen von der Voraussetzung, dass stets ein Weibchen und ein Männchen zusammenfinden müssen) und erfolgreich fortpflanzen können. "Erfolgreich" heißt, dass auch der Nachwuchs uneingeschränkt fruchtbar sein muss. Eine Art im biologischen Sinn ist beispielsweise der Tiger (Panthera tigris), eine andere der Löwe (Panthera leo). Denn alle Individuen, die "Tiger" sind, können sich mit anderen "Tigern" fortpflanzen und auch ein "Löwe" kann sich mit einem anderen "Löwen" fortpflanzen. Tiger und Löwe gehören aber unterschiedlichen Arten an, weil Nachkommen zwischen ihnen (so genannte Liger, wenn der Vater ein Löwe war, und Tiglions, wenn der Vater ein Tiger war) unfruchtbar sind.

Das populationsgenetische Artkonzept definiert eine Art als eine Population, d. h. eine in sich geschlossene Fortpflanzungsgemeinschaft. Eine Population ist demnach eine Gemeinschaft sich reproduzierender Individuen, die von anderen Populationen getrennt ist. Zwischen den verschiedenen Arten kommt es also nicht zu einem Genfluss. In der Praxis heißt das, dass sich eine Art im populationsgenetischen Sinn in einem Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befinden sollte.
Ein Beispiel dafür sind die Blauelstern (Cyanopica cyana). Blauelstern haben ein disjunktes Verbreitungsgebiet, d. h. es gibt zwei räumlich voneinander getrennte Populationen, nämlich eine in Ostasien (Sibirien) und eine auf der Iberischen Halbinsel (Spanien, Portugal). Zwischen den beiden Populationen findet kein genetischer Austausch statt, deshalb sind einige Forscher der Ansicht, dass die Population der Iberischen Halbinsel eine eigenständige Art, Cyanopica cooki, repräsentiert, die sich genetisch deutlich von den anderen Blauelstern unterscheidet.
Wendet man das biologische Artkonzept an, sind beide Populationen hingegen keine eigenständigen Arten, weil Individuen aus Iberien sich problemlos mit sibirischen Blauelstern fortpflanzen können, wenn man sie z. B. in einem Zoo zusammen bringt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig