Wieso sind Farne keine Abstammungsgemeinschaft?

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Der Name Abstammungsgemeinschaft deutet es ja schon an, es handelt sich um eine Gruppe von Arten, die eine gemeinsame Abstammung hat, also einen gemeinsamen Vorfahren hat.

Als Linné Mitte des 18. Jahrhunderts die Systematik entwickelte, ging es vorwiegend darum, in der Natur "Ordnung" zu schaffen. Sein System basierte darauf, dass er die Lebewesen aufgrund gemeinsamer Merkmale in bestimmte Kategorien einteilte. Bei den Pflanzen konzentrierte er sich vorwiegend auf Blütenmerkmale, z. B. Anzahl und Form von Kron-, Staub- und Fruchtblättern. Linné war nicht der erste, der die Natur ordnen wollte, wir finden Ansätze dazu bereits in den antiken Schriften Aristoteles', aber sicher der einflussreichste und bedeutendste, weil er mit der Einführung der binomischen Nomenklatur auch Ordnung in das Sprachwirrwarr brachte und jeder Art einen eindeutigen und überall gültigen Namen gab. An Verwandtschaft dachte er bei der Erarbeitung seines Systems nicht. Wie hätte er das auch tun sollen? Linné war von der Konstanz der Arten und der göttlichen Schöpfung noch voll überzeugt, Darwin veröffentlichte seine Evolutionstheorie erst gut 100 Jahre später im Jahr 1859.

Für die moderne Systematik steht jedoch nicht mehr im Vordergrund, dass das System möglichst übersichtlich ist, sondern, dass es die Evolutionsgeschichte der Arten korrekt wiedergibt. Das System soll daher die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse untereinander widerspiegeln und vereinfacht gesagt in den Stammbaum des Lebens umgeschrieben werden können.

Gültigkeit haben deshalb nur noch solche Verwandtschaftsgruppen (Taxa), die monophyletisch sind. Ein monophyletisches Taxon, auch Monophylum genannt, ist eine natürliche Verwandtschaftsgruppe. Das bedeutet, dass alle Mitglieder des Taxons einen einzigen gemeinsamen Vorfahren haben und das Taxon alle Nachfahren des gemeinsamen Vorfahren enthält. Nur ein Stammbaum, der ausschließlich aus monophyletischen Gruppen besteht, kann die wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse richtig abbilden.

Taxa, welche nicht die beiden Kriterien erfüllen, geben die Verwandtschaftsverhältnisse nicht richtig wieder. Sie sind aus systematischer Sicht ungültig und müssen so aufgelöst werden, dass sie in monophyletische Gruppen integriert werden oder eben komplett aufgegeben werden. Sie werden heute nur noch informell genutzt und zur Kenntlichmachung in Anführungszeichen ("...") gesetzt. Solche nicht natürlichen Verwandtschaftsgruppen können polyphyletisch oder paraphyletisch sein.

Von einem Polyphylum spricht man, wenn die Mitglieder eines Taxons nicht einen gemeinsamen, sondern mehrere verschiedene Vorfahren haben. Ein Beispiel für ein Polyphylum sind die "Würmer" ("Vermis"), die z. B. die Plattwürmer (Plathelminthes), Fadenwürmer (Nematoda), die Ringelwürmer (Annelida, hierzu gehört z. B. auch der Regenwurm, Lumbricus terrestris) und die Eichelwürmer (Enteropneusta) umfassen. Bis auf ihr wurmartiges Aussehen haben die verschiedenen Wurmgruppen jedoch nicht viel miteinander zu tun und haben unterschiedliche Vorfahren. Sie gehören deshalb in Wirklichkeit zu unterschiedlichen Verwandtschaftsgruppen. Die Eichelwürmer sind z. B. ein Taxon, das zu den Neumündern (Deuterostomia) gehört und damit etwa den Wirbeltieren einschließlich des Menschen näher steht als jeder anderen Gruppe der "Würmer", die allesamt Urmünder (Proterostomia) sind.

Ein Paraphylum ist ein Taxon, das zwar einen gemeinsamen Vorfahren hat, jedoch nicht all dessen Nachfahren beinhaltet. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die "Kriechtiere" ("Reptilia"). Die "Reptilien" umfassen im klassischen Sinn die Schildkröten (Testudines), die Schuppenechsen (Lepidosauria) und die Krokodile (Crocodylia). Tatsächlich aber sind die Krokodile mit den Vögeln (Aves) viel enger verwandt als mit Schildkröten und Schuppenechsen. Das Taxon "Reptilia" müsste demnach eigentlich auch die Vögel umfassen, um in sich geschlossen zu sein und ist damit paraphyletisch. Das Monophylum aus den klassischen "Reptilien" und den Vögeln nennt man Sauropsida. Auch die "Fische" ("Pisces") sind ein Paraphylum. Sie müssten nämlich auch alle Landwirbeltiere (Tetrapoda) umfassen, da Quastenflosser (Coelacanthiformes) und Lungenfische (Dipnoi) enger mit Landwirbeltieren als mit anderen "Fischen" verwandt sind.

Fassen wir kurz zusammen: Die moderne Systematik versucht die realen Verwandtschaftsbeziehungen widerzuspiegeln. Nur monophyletische Gruppen sind echte Abstammungsgemeinschaften, weil nur Monophylae die wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse wiedergeben.

Auch die "Algen", "Moose" und "Farne" sind keine monophyletischen Gruppen und existieren aus streng systematischer Sicht nicht. Die "Algen" sind eine polyphyletische Gruppe, deren einzelne Untergruppen im Stammbaum des Lebens völlig verschiedene Wurzeln haben. Ohne hier weiter ins Detail zu gehen, seien exemplarisch nur einige Beispiele genannt: Braunalgen (Phaeophyceae), Kieselalgen (Bacillariophyta) und Goldalgen (Chrysophyceae) gehören zu den Stramenopiles; Grünalgen (Chloroplastida, aber s. u.) Rotalgen (Rhodophyta) und Blaugrünalgen (Glaucophyta) gehören zu den Archaeplastida, ebenso die Rhodelphidia, die eng mit den Rotalgen verwandte räuberische Einzeller sind und sogar sekundär ihre Photosynthesefähigkeit verloren haben.

Die Grünalgen im klassischen Sinn sind außerdem paraphyletisch, weil sie die Landpflanzen ursprünglich nicht beinhalten. Diese sind aber mit den Armleuchteralgen sehr eng verwandt und müssen deshalb hinzu gerechnet werden. Das Monophylum wird, wie oben schon geschrieben, Chloroplastida genannt, es finden sich auch die Bezeichnungen Viridiplantae und Chlorobionta für diese Gruppe.

Die drei Untergruppen der Moose, Hornmoose (Anthocerotophyta), Lebermoose (Marchantiophyta) und Laubmoose (Bryophyta) sind jeweils monophyletisch, die Moose als Ganzes jedoch nicht. Sie sind mit großer Wahrscheinlichkeit paraphyletisch, d. h. mindestens eine der drei Gruppen steht den Gefäßpflanzen (Tracheophyta) näher als den übrigen Moosen. Die genauen Verwandtschaftsbeziehungen sind jedoch unklar. Häufig werden aber die Hornmoose als Schwestergruppe der Gefäßpflanzen gesehen.

Die "Farne" oder "Gefäßsporenpflanzen" ("Pteridophyta") wurden traditionell in drei Gruppen aufgeteilt: die eigentlichen Farne (Polypodiopsida), Schachtelhalme (Equisetopsida) und Bärlappe (Lycopodiopsida). Auch diese Gruppierung ist nicht monophyletisch, sondern polyphyletisch. Die Bärlappe sind tatsächlich die Schwestergruppe der übrigen Gefäßpflanzen (Euphyllophyta). Die Euphyllophyta umfassen also auch die Samenpflanzen (Spermatophyta), die die Schwestergruppe der Polypodiopsida bilden. Die Polypodiopsida umfassen heute auch die Schachtelhalme.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Eine Verwandschaftgruppe ist dadurch definiert, dass die Mitglieder mit jedem Mitglied innerhalb der Gruppe näher verwandt sind als mit einem beliebigen Nichtmitglied. Der Grad der Verwandtschaft entspricht der Lebenszeit des letzten gemeinsamen Vorfahren.

Das hört sich erst mal einfach an, nur lässt sich die Verwandtschaft erst in jüngster Zeit wirklich bestimmen. Heutzutage natürlich durch DNA-Analysen und schon einige Jahrzehnte länger durch Protein-Sequenzanalysen. Und auch damit ist es natürlich ein Menge Arbeit, tausende/hunderttausende von Arten zu untersuchen.

Früher hat man Arten eher nach Ähnlichkeit geordnet, die ab einem bestimmten Punkt versagt, weil die Änderungen zu groß sind. Niemand würde einfach so die Wale den Huftieren zuordnen, die Ähnlichkeit ist einfach nicht mehr vorhanden, bis auf ein paar anatomische Detail vielleicht, auf die niemand achtet.

So hat man einfach klar definierte Gruppen geschaffen, Samenpflanzen z.B., und hat alles anderen Gefäßpflanzen in einen Topf geworfen, Farne, oder vielleicht auch in 3, Farne, Schachtelhalme und Bärlappgewächse. Landpflanzen ohne Gefäße wurden in den Topf Moose geworfen, und nicht mal bei den Untertöpfen Laub- und Lebermoose bin ich mir sicher, dass die echte Abstammungsgemeinschaften sind.

Das gibt es auch in anderen Bereichen, so sind "Reptilien" schlicht alle Amnioten, die nicht Säugetiere oder Vögel sind. Dabei sind Krokodile näher mit Vögeln als mit Eidechsen verwandt. Raubvögel sind auch keine Verwandschaftgruppe, weil die Falken näher mit den Papageien verwandt sind als mit Adlern & Co.

Die echte Systematik nach Verwandtschaft ist natürlich im Aufbau und schon recht weit fortgeschritten. Der Nachteil ist, dass dort völlig neue Gruppen auftauchen, die kaum ein Mensch kennt oder sich merken kann.