Wie ist intensiver Augenkontakt mit fremden Menschen zu interpretieren?

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Also generell wird Augenkontakt mit Fremden auf der Straße ja nur zur Koordination hergestellt bzw. um persönliche Räume nicht zu verletzen. Der typische Verlauf ist der: Man läuft auf der Straße, Blick nach vorne gerichtet mit einem unbestimmten, weit entfernt liegenden Fokuspunkt - in einer Menschenmenge ist der Fokuspunkt in der Regel am Boden bzw. auf Brusthöhe der entgegenkommenden Personen. Stellt man fest, dass eine Person frontal auf einen zusteuert, hebt man kurz den Blick um festzustellen ob die andere Person einen ebenfalls wahr nimmt und handelt dann innerhalb von Millisekunden aus, wer wie ausweicht. Der Blick beim Vorbeigehen signalisiert in der Regel meist nur: "Ich habe dich wahrgenommen, ich weiche dir aus". Natürlich gibt es auch noch die Option, dass das Gegenüber nicht zurückblickt. Hier kann man schon von einer Demonstration von Dominanz sprechen, denn die Person die nicht koordiniert zeigt damit nach außen hin: Ihr müsst mir ausweichen.

Im klassischen Fall hat der Blickkontakt also eher den Charakter einer Versicherung, nicht mit dem anderen zusammenzustoßen. Dominanz strahlt bzw. übt in diesem Fall also eher die Person aus, die die Existenz des anderen "wortwörtlich" keines Blickes würdigt.

Man merkt hier aber schon: Blickkontakt sagt als eine der grundlegendsten Formen der Kommunikation auch sehr viel über Hierarchie und Dominanz aus. Aber nicht nur.

An sich ist Blickkontakt in erster Linie das Mittel der Wahl zur Kontaktaufnahme bzw. zur Bekundung von Interesse und zwar dann wenn dieser Kontakt länger als einen Moment genauer gesagt 1 oder 2 Sekunden dauert (in der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben, je nachdem um was es geht). Hält man den Blickkontakt länger, so wirkt das "merkwürdig" - eben weil erwartet wird, dass da noch "mehr" kommt bzw. "mehr" dahinter steckt. Der Blickkontakt schafft dann, wie du schon schreibst, Intimität.

Dass dir auffällt, dass es ausgerechnet "erfolgreiche" Männer sind, die "zurückstarren" könnte durchaus daran liegen, dass diese Männer sich in einer Umwelt bewegen, die Dominanzverhalten fördert. Man könnte das Verhalten dieser Männer dann durchaus so interpretieren, dass sie ihr Dominanzverhalten sosehr internalisiert haben, dass selbst das "Einknicken" bei der Aufnahme von Blickkontakt für sie nicht in Frage kommt. Stattdessen versuchen sie dich zum "Einknicken" zu bringen. Die Frage was Blickkontakt wann und wie aussagt, hängt auch sehr stark mit kulturellen und sozialen Faktoren zusammen.

Gerade in der Wirtschaft werden Leute sogar regelrecht zu solchem "Dominanzverhalten" geschult. Das ist es per se aber nicht unbedingt. In anderen Ländern schaut man sich z.B. viel direkter an, oft auch länger oder der persönliche Raum ist kleiner. Man liest z.B. auch häufig, dass Frauen häufiger wegschauen und das sei ein Zeichen von Unterordnung. Das wäre aber nur dann logisch wenn Blickkontakt nur etwas mit Dominanz zu tun hätte. Abbruch von Blickkontakt signalisiert aber auch, "kein Interesse".

Vielleicht ist es auch einfach so, dass dir dieses Verhalten nur deshalb auffällt, weil Du genau dieser unterbewussten Regel "kein falsches Interesse zu bekunden" nicht folgst und den Blickkontakt nicht abbrichst. Stattdessen fragst du dich, warum die so schauen, wodurch du die "Erfolgsmänner" in die Situation bringst dich anzustarren, weil sie selbst internalisiert haben, Blickkontakte nicht abzubrechen, um Dominanz zu bekunden.

Wenn du noch ein bisschen mehr lesen willst, hab hier was zum Einstieg gefunden: http://www.pantucek.com/seminare/200709avalon/cizek_kommunikationspsychologie.pdf

Dionysos881  14.11.2015, 17:29

Interessant, gut erklärt. 

Den Link, werde ich gewiss auch noch ein bisschen lesen. Schaden kann es nicht. 

LG, Tommy 

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