Was versteht man unter "spinerlaubt" und "spinverboten"?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Spinerlaubte Übergänge sind die zwischen gleicher Spin­multiplizi­tät (also z.B. S₀→S₁, aber auch T₁→T₂), und spin­verbo­ten ist alles zwischen ver­schie­de­nen Spin­multiplizi­täten (z.B. S₀→T₁).

Alle Verbote sind relativ, aber das Spin­verbot ist relativ stark. Grund­sätz­lich kann Spin–Bahn-Kopplung spin­verbo­te­ne Über­gänge er­möglichen, aber für leichte Atome (etwa bis Brom) ist das meistens nicht sehr effektiv, wobei blöde Über­raschun­gen immer wieder möglich sind.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

Vermutlich dasselbe wie unter "erlaubten" und "verbotenen" Linien in der Spektroskopie.

Weißt du, wie die Energieerhaltung gewährleistet wird beim Übergang eines Elektrons von einem Zustand zu einem anderen?

Ein Photon hat immer Spin ±1 (rechts- bzw. linkszirkular polarisiert). Weißt du, wie beim Übergang gleichzeitig die Drehimpulserhaltung gewährleistet wird?

Woher ich das weiß:Hobby – seit meiner Schulzeit; leider haupts. theoretisch
Ichbinsven  02.10.2016, 10:37

warum sind die Übergänge verboten? und wie wird beim Übergang gleichzeitig die Drehimpuls Erhaltung gewährleistet?

0
PWolff  02.10.2016, 15:33
@Ichbinsven

"Verboten" ist inzwischen nur ein Name ohne tiefere Bedeutung. Als man ihn eingeführt hat, dachte man, die zugehörigen Übergänge seien unmöglich, weil man keine Spektrallinien dazu gefunden hatte. Da das Elektronenschalenmodell und seine Verfeinerungen u. a. auf den Ergebnissen der Spektroskopie beruhen, hatte man damals noch keine Erklärung für dieses Phänomen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Drehimpuls zu erhalten:

- Jedes Elektron hat einen Spin (Eigendrehimpuls) 1/2 ħ, der nach "oben" oder nach "unten" gerichtet sein kann (genauer: parallel oder antiparallel zur Achse, bezogen auf die man den Spin misst)

- Jedes Elektron im Atom hat einen Bahndrehimpuls, der ein ganzzahliges Vielfaches von ħ ist (wieder bezogen auf die Achse bei der Messung)

- Jedes Photon hat einen Spin 1 ħ, wobei hier die Beobachtungsachse parallel zur Bewegungsrichtung des Photons ist

- Wenn bei einem Elektronenübergang ein Photon ausgesendet (oder absorbiert) wird, ist das Photon der Beobachter und seine Bewegungsrichtung die Beobachtungsrichtung

- Es ist sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass ein Elektron bei ein und demselben Vorgang sowohl seinen Spin als auch seinen Bahndrehimpuls ändert

- Es ist außergewöhnlich unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass zwei Photonen in einen Elektronenübergang verwickelt sind

- Es ist extrem unwahrscheinlich, aber nicht physikalisch unmöglich, dass zwei Elektronen gleichzeitig an einem ernergieändernden Vorgang beteiligt sind

- Physikalisch möglich sind alle diejenigen Vorgänge, bei denen die Gesamtenergie und der Gesamtdrehimpuls erhalten bleiben; nur die Wahrscheinlichkeiten sind umso geringer, je mehr Veränderungen gleichzeitig vorgenommen werden müssen

- In der Schule und in den üblichen Praktika an der Uni beobachtet man also nur die "erlabuten" Spektrallinien, also die, die zu den "erlaubten" Übergängen gehören; die "verbotenen" Linien sind so schwach, dass man besondere Vorkehrungen treffen muss, um sie nachweisen zu können

1
PWolff  02.10.2016, 15:43
@PWolff

Beim Bahndrehimpuls habe ich noch vergessen, dass hier nicht der absolute Betrag des Bahndrehimpulses wichtig ist, sondern "nur" seine Komponente in Beobachtungsrichtung; diese ist - bis auf den Faktor ħ - die "magnetische Quantenzahl".

Die einzelnen Drehimpulse sind natürlich keine Erhaltungsgrößen - der Spin kann "umklappen", der Bahndrehimpuls kann sich als Ganzes und/oder als Komponente in Beobachtungsrichtung ändern (natürlich nur um ganzzahlige Vielfache von ħ), der Photonenspin wird bei der Erzeugung/Vernichtung des Photons mit dem übrigen System ausgetauscht. 

(Generell erlaubt die Quantenmechanik den Austausch von Drehimpuls nur in ganzzahligen Vielfachen von ħ.)

1