Was sind 'Literarische Gegenstände', 'Leerstellen' und 'schematisierte Ansichten'?

1 Antwort

Offenbar hast du schon länger Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Du hättest früher Unterstützung suchen sollen. Auf das Thema, das du uns nicht verrätst, hättest du dich nie einlassen sollen.

Jetzt die Kurzerkärungen: 

'Literarische Gegenstände': Themen, die in der Literatur behandelt werden

'schematisierte Ansichten': Ansichten, die dadurch entstehen, dass man nicht die Wirklichkeit betrachtet, sondern sich ein völlig vereinfachtes (schematisches) Bild von der Wirklichkeit macht. 'Leerstellen': Hier reicht die einfache Worterklärung nicht aus. Gemeint ist nämlich das, was "zwischen den Zeilen" steht, also das Unausgesprochene. Aber was unausgesprochen ist, muss man sich in jedem konkreten Fall erschließen. Und das heißt 1. dass man einen Text lesen kann, ohne die vom Autor eingebaute Leerstelle überhaupt zu bemerken, 2. dass jede Ausfüllung einer Leerstelle je nach Leser unterschiedlich ausfallen kann. (Von unausgefüllt über sehr präzis durchdacht bis zu haltlosen Spekulationen.)

Jetzt ein Beispiel: Wenn ein Autor darüber schreibt, dass ein junger Mann und eine junge Frau gemeinsamen einen erotischen oder gar pornographischen Text lesen, und dann fortfährt "

An diesem Tage lasen wir nicht weiter ...", dann denkt sich wohl jeder Leser, der zumindest die Pubertät erreicht hat, das Gleiche. Aber nicht jeder Leser erkennt darin erkennt darin schon eine Begründung dafür, dass das Liebespaar in der Hölle ist. Dafür muss man schon wissen, dass zu Dante Alighieris Zeiten die Kirche sehr sexualfeindlich war. Das wissen freilich die meisten Leser ebenfalls. (Wenn dich die Beispielstelle interessiert: http://www.divina-commedia.de/la_divina_commedia/hoelle_005_la_divina_commedia.htm

Wenn in Fontanes "Irrungen Wirrungen" das 12. Kapitel schließt "Und sie schmiegte sich an ihn und blickte mit einem Ausdrück höchsten Glückes zu ihm auf." und das 13. Kapitel beginnt "Beide waren früh auf", dann ist ebenfalls nur ein geringer Interpretationsspielraum.

Aber Leerstellen sind nicht immer so einfach auszufüllen wie bei Auslassungen von Passagen, die als pornographisch aufgefasst werden könnten.

Berühmt sind Schillers Dramenschlüsse: "Dem Manne kann geholfen werden." "Dem Fürsten Piccolomini" "Der Lord lässt sich entschuldigen. Er ist zu Schiff nach Frankreich." (Zum Verständnis des Zusammenhangs musst du eine Suchmaschine heranziehen.) Hier liegt die Leerstelle am Schluss des Textes. Das gilt genauso für die Märchenformel 

"Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage".

Das muss für den Anfang genügen. Weitere Leerstellen musst du selber suchen.

So viel darf ich dir verraten: Leerstellen sind genau das, was gute Literatur ausmacht und Freude am Lesen erzeugt. Nicht alle Leerstellen freilich, sondern nur die, die nicht trivial ausgefüllt werden müssen.

Und noch eins: Lyrik ist voll von Leerstellen. Deshalb sind Gedichtinterpretationen im Deutschunterricht so beliebt: Weil sie darin schulen, Freude an Literatur zu entwickeln.

MariaFayz 
Fragesteller
 14.11.2015, 11:31

Danke dir! Wirklich toll erklärt jetzt hab ich das richtig verstanden.

Das Problem war, wir hatten dieses Thema im Unterricht noch nie besprochen. Wir haben zur Übung für die richtige Facharbeit diesen Text im Seminarfach bekommen, und dazu sollen wir 3 Seiten schreiben. Wir sollten das Thema selbst verstehen und dazu recherchieren, jedoch findet man kaum Seiten über das Thema. Trotzdem nochmal vielen Dank, hätte mit so einer ausführlichen Erklärung nicht gerechnet!

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