Was ist die Aufgabe eines ,,Inneren Richters"?

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Die Aufgabe eines »inneren Richters« ist, über sich selbst zu richten. Die »Innenwelt« eines Menschen ist sein eigenes Denken, Fühlen und Wollen. Der »innere Richter« ermittelt durch Beobachtung und fällt ein Urteil als Gewissensstimme. Eine Person ist gleichsam zugleich Angeklagter, Zeuge und Richter.

Nach Kants Auffassung vom Gewissen urteilt die praktische Vernunft in Form einer moralischen Urteilskraft über Handlungen, darüber, ob die eigene Beurteilung der Maxime (des Grundsatzes) einer Handlung als gut oder schlecht (Recht oder Unrecht nach moralischem Gesetz) sorgfältig und genau in die eigene Handlung übernommen worden ist.

Immanuel Kant versteht unter dem Gewissen ein Bewußtsein, das für sich selbst Pflicht ist, und die sich selbst richtende moralische Urteilskraft. Das Gewissen ist ein Urteil der praktischen Vernunft.

Kant meint, es bestehe eine Pflicht, das eigene Gewissen zu kultivieren (pflegen, fördern, verfeinern), seiner Stimme Aufmerksamkeit zu geben und ihm Gehör zu verschaffen.

Darüber, ob der Grundsatz einer Handlung gut oder schlecht ist, urteilt der Verstand/die praktische Vernunft. Das Gewissen richtet sich darauf, ob die Beurteilung mit Behutsamkeit und sorgfältiger Prüfung in die eigenen Handlungen übernommen worden ist (Handlung entspricht dem, was als gut beurteilt worden ist).

Darin, was wirklich (objektiv) Pflicht ist, kann ein Irrtum vorkommen. Bei der subjektiven Seite, sich an das Urteil seiner praktischen Vernunft gehalten zu haben oder nicht, gibt es dagegen keinen Irrtum. Daher kann sich das Gewissen nach Kants Verständnis nicht irren.

In einem Selbstbezug einer Person bezieht sich das Gewissen auf eigene moralische Überzeugungen eines vernunftbegabten Wesens, das Freiheit hat. Kant beschreibt dies als inneren Gerichtshof.

Von der Stimme/dem Spruch des Gewissens wird das moralische Gefühl berührt. Bei einem guten Gewissen kommt es zu einer Befriedigung. Auf einen Selbsttadel gründet sich Reue bei der Erinnerung an die Handlung, eine schmerzhafte, durch moralische Gesinnung herbeigeführte Empfindung.

Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793). Viertes Stück. Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft des guten Prinzips, oder Von Religion und Pfaffentum. Zweiter Teil. Vom Asterdienst Gottes in einer statutarischen Religion. § 4. Vom Leitfaden des Gewissens in Glaubenssachen. AA VI, 185 – 186:

„Man könnte das Gewissen auch so definieren: es ist die sich selbst richtende moralische Urteilskraft; nur würde diese Definition noch einer vorhergehenden Erklärung der darin enthaltenen Begriffe gar sehr bedürfen. Das Gewissen richtet nicht die Handlungen als Kasus, die unter dem Gesetz stehen; denn das tut die Vernunft, so fern sie subjektiv-praktisch ist (daher die casus conscientiae und die Kasuistik, als eine Art von Dialektik des Gewissens): sondern hier richtet die Vernunft sich selbst, ob sie auch wirklich jene Beurteilung der Handlungen mit aller Behutsamkeit (ob sie Recht oder Unrecht sind) übernommen habe, und stellt den Menschen wider oder für sich selbst zum Zeugen auf, daß dieses geschehen oder nicht geschehen sei.“

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre. XII. Ästhetische Vorbegriffe der Empfänglichkeit des Gemüts für Pflichtbegriffe überhaupt. b. Vom Gewissen. AA VI, 400:

„Eben so ist das Gewissen nicht etwas Erwerbliches und es gibt keine Pflicht, sich eines anzuschaffen; sondern jeder Mensch, als sittliches Wesen, hat ein solches ursprünglich in sich. Zum Gewissen verbunden zu sein, würde so viel sagen als: die Pflicht auf sich haben, Pflichten anzuerkennen. Denn Gewissen ist die dem Menschen in jedem Fall eines Gesetzes seine Pflicht zum Lossprechen oder Verurteilen vorhaltende praktische Vernunft.”

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre. XII. Ästhetische Vorbegriffe der Empfänglichkeit des Gemüts für Pflichtbegriffe überhaupt. b. Vom Gewissen. AA VI, 401:

„Die Pflicht ist hier nur sein Gewissen zu kultiviren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des inneren Richters zu schärfen und alle Mittel anzuwenden (mithin nur indirekte Pflicht), um ihm Gehör zu verschaffen.“

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Ethische Elementarlehre. Erster Teil. Von den Pflichten gegen sich Selbst überhaupt. Zweites Hauptstück. Die Pflicht des Menschen gegen sich selbst, bloß als ein moralisches Wesen. Erster Abschnitt. Von der Pflicht des Menschen gegen sich selbst, als den angebornen Richter über sich selbst. § 13. AA VI, 438:

„Das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen („vor welchem sich seine Gedanken einander verklagen oder entschuldigen") ist das Gewissen.

Jeder Mensch hat Gewissen und findet sich durch einen inneren Richter beobachtet, bedroht und überhaupt im Respekt (mit Furcht verbundener Achtung) gehalten, und diese über die Gesetze in ihm wachende Gewalt ist nicht etwas, was er sich selbst (willkürlich) macht, sondern es ist seinem Wesen einverleibt. Es folgt ihm wie sein Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste und Zerstreuungen betäuben oder in Schlaf bringen, aber nicht vermeiden dann und wann zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben vernimmt. Er kann es in seiner äußersten Verworfenheit allenfalls dahin bringen, sich daran gar nicht mehr zu kehren, aber sie zu hören, kann er doch nicht vermeiden.

Diese ursprüngliche intellektuelle und (weil sie Pflichtvorstellung ist) moralische Anlage, Gewissen genannt, hat nun das Besondere in sich, daß, obzwar dieses sein Geschäfte ein Geschäfte des Menschen mit sich selbst ist, dieser sich doch durch seine Vernunft genötigt sieht, es als auf den Geheiß einer anderen Person zu treiben. Denn der Handel ist hier die Führung einer Rechtssache (causa) vor Gericht. Daß aber der durch sein Gewissen Angeklagte mit dem Richter als eine und dieselbe Person vorgestellt werde, ist eine ungereimte Vorstellungsart von einem Gerichtshofe; denn da würde ja der Ankläger jederzeit verlieren. Also wird sich das Gewissen des Menschen bei allen Pflichten einen Anderen (als den Menschen überhaupt, d. i.) als sich selbst, zum Richter seiner Handlungen denken müssen, wenn es nicht mit sich selbst im Widerspruch stehen soll. Dieser Andere mag nun eine wirkliche, oder oder bloß idealische Person sein, welche die Vernunft sich selbst schafft.“