Warum realisiere ich Tote erst so viel später?
Vor knapp zwei Jahren starb meine Oma an Krebs, sie lebte nicht in meiner Stadt, aber ich mochte sie sehr gerne und habe mich sehr wohl gefühlt bei ihr. Als mein Vater mir und meinen Schwestern mitteilte, dass sie gestorben sei, habe ich nichts gefühlt, keine Trauer, keine Angst, keine Reue, einfach nichts. Erst als mein Vater begann zu weinen war ich traurig ihn in so einem Zustand zu sehen, aber realisiert, dass meine Oma tot war, habe ich nicht. Selbst, als wir in ihr Haus gefahren sind und einige Möbel mitgenommen haben, habe ich nicht verstanden, dass meine Oma nicht mehr da sein würde, dass ich sie nie wieder sehen oder hören würde. Bei der Beerdigung kam mir alles unwirklich vor, aber traurig war ich noch immer nicht, ich war eher irritiert, warum mein Opa weinte und hatte Mittleid mit ihm. Erst vor zwei Monaten, habe ich beim Einschlafen an sie denken müssen und musste weinen, aus heiterem Himmel, hatte ich verstanden, dass ich sie nie mehr sehen würde.
Auch als mein Kaninchen Fee starb, war ich nur bekümmert, weil ich erst einen Monat zuvor ein drittes Kaninchen zu dem Paar dazu gesetzt hatte und die drei sich erst seid einigen Tagen geputzt und gekuschelt hatten, erst als ich vor einer Woche traurige Musik hörte und mir Fotos von ihr ansah, musste ich weinen und habe eine Lehre und Verzweiflung, wie nie da gewesen gespürt.
Ich wirke so kalt und emotionslos was den Tod angeht, das macht mir Angst, ich möchte nicht, wenn meine liebsten sterben, normal weiter leben und nur eine Heulattacke haben, ich möchte wie alle anderen auch den Toten mit meiner Trauer ehren und ihn so gebührend verabschieden, was ist falsch mit mir? Ich weine generell fast nie, aber so herzlos bin ich doch auch nicht?
PS: Bin 14 Jahre alt und weiblich
5 Antworten
Hallo,
das hört sich ein bisschen nach einem Schutzmechanismus des Gehirns an. Könnte in Richtung Dissoziation bzw. Derealisation gehen, da dir die Beerdigung auch so unwirklich vorkam. Bei einer Derealisation fühlt sich alles an wie in einem Traum.
Bei schlimmen Ereignissen wie z.B. Unfall, Tod,... reagiert das Gehirn manchmal mit so einem Schutzmechanismus. Dann spaltet man quasi alle negativen Gefühle ab und fühlt sie nicht.
Das könnte bei dir evtl. der Fall sein.
Aber seltsam ist es, dass es bei dir so lange dauert. Ich verstehe dass dir das Angst macht. Wenn es dich stark belastet würde ich mal mit einer Fachperson darüber sprechen.
Trauer ist nicht bei jedem gleich, jeder trauert anders. Zusätzlich kann es auch sein, dass du unter Schock gelitten hast, und deshalb nicht wirklich so reagiert hast, wie du dir das vorstellst.
Erstmal, es gibt keine richtige oder falsche Art zu trauern. Trauer ist ein komplexer und sehr individueller Prozess, den jeder ein bisschen anders erlebt. Du bist aber nicht allein damit, dass es Zeit braucht um Tode zu realisieren und sie auch emotional begreifen zu können.
Der Tod einer nahestehenden Person oder eines geliebten Wesens ist ein großer Einschnitt und es ist normal und nachvollziehbar, dass du Zeit brauchst, um das auch auf emotionaler Ebene zu spüren und zu verarbeiten.
Das macht dich nicht kalt und bedeutet auch nicht, dass mit dir irgendetwas nicht stimmt.
Wenn du aber Bedenken hast oder einfach mal mit jemandem darüber sprechen willst, kannst du dich gerne bei mir melden. Ich bin von Digital Streetwork Bayern, wir bieten professionelle Online-Beratung an, kostenlos, anonym und unverbindlich. Wir sind immer Mi/Do/Fr bis 18 Uhr online. Weitere Infos findest du auf unserem Profil oder unter www.digital-streetwork-bayern.de
Hallo,
Hier sind grundsätzliche Tipps, um mit der Situation umzugehen: Trauer ist bei Menschen verschieden. Du kannst mit einem Menschen reden. Es gibt im Internet und über das Telefon kostenlose Seelsorge. Falls Du noch zur Schule gehst: Gibt es an Eurer Schule vielleicht einen Vertrauenslehrer? Dann kannst Du auch mit diesem reden.
Ich bin Christ. Der Glaube hilft bei Trauer vielen Menschen. Gott liebt Dich. Wenn Du einiges wissen möchtest, was mich überzeugt, dass es Gott und ein Leben nach dem Tod gibt, dann kannst Du mich z.b. fragen oder auf mein Profil gehen.
Alles Gute
Auch wenn du innerlich nicht trauerst, könntest du trotzdem "künstlich" trauern, indem du z.B. das Grab pflegst/schmückst oder dich an die Verstorbenen bewusst erinnerst.