Warum bin ich so sensibel?

1 Antwort

Ich sehe hier mehrere Fragen:

  1. Bist du der einzige Mensch, der sensibel ist? Klares Nein. Ca. 20% der Bevölkerung sind hochsensibel (Quelle: https://www.gesundheit.de/medizin/psychologie/hochsensibilitaet)
  2. Finden alle Menschen töten okay? Auch klares Nein. Töten ist für manche Menschen ihr täglich Brot, aber das sind sehr sehr sehr wenige! (Die Wahrnehmung wird verzerrt, weil die Medien viel davon berichten und auch in Filmen oft mit dem Leben geringschätzig umgegangen wird - das heißt aber nicht, dass die Menschen im Alltag auch so sind!) Die meisten Menschen haben eine ambivalente Haltung zum Töten, die v.a. aus ihren erlernten Glaubenssätzen und ihren Gewohnheiten gespeist wird (z.B. ist es in manchen Kulturen ok, Anhänger eines bestimmten Glaubens zu töten, während es bei den eigenen Glaubensbrüdern die Höchststrafe bedeutet; ein anderes Beispiel ist der Fleischkonsum, bei dem die meisten Menschen einfach kein konkretes Bild davon haben, was in einer Schlachterei passiert, sondern sie essen jeden Tag Wurst, weil sie das schon immer so gemacht haben - einem Tier direkt die Kehle aufschneiden würden sie trotzdem nie).
  3. Wieso dürfen Insekten nicht leben? Auch da gibt es verschiedene Ansätze. Ich selbst versuche, sie leben zu lassen, aber ich "verteidige" mich auch, wenn mir etwas schadet. Stechmücken, Motten oder Fruchtfliegen/Maden tun mir "weh", sie reagieren nicht auf Diplomatie und sie werden auch anderen schaden oder zurückkommen, wenn ich sie einfange und raussetze, deswegen töte ich sie. "Weh tun" ist allerdings etwas sehr subjektives. Wenn jemand Angst vor Spinnen hat, dann tut ihm die Anwesenheit einer Spinne auch "weh". Ja, das wäre nicht nötig, die Angst ist unbegründet, aber eine Angst zu überwinden muss man auch erst mal hinkriegen. Denjenigen also dafür zu verurteilen, ignoriert sein eigenes Leid.
  4. Die Natur hat schon lange, bevor die Menschen Empathie entwickelt haben, das Töten eingeführt. Das heißt nicht, dass man sich darüber keine Gedanken machen sollte oder dass es nicht gut wäre, sich für das Leben einzusetzen. Aber es ist auch wichtig, nicht den "bösen, grausamen Menschen" im Gegensatz zur "guten, freundlichen Natur" zu sehen. Die Natur ist an manchen Stellen richtig übel drauf und viele Tiere scheren sich kein Stück darum, wie sehr sie anderen schaden. Sie haben nur nicht die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wir schon, deswegen sollten wir es auch tun. Trotzdem finde ich es wichtig, das im Hinterkopf zu behalten: Das Töten war nicht die Idee des Menschen. Er hat es bloß an einigen Stellen massiv übertrieben.
  5. Der Tod gehört zum Leben dazu. Ich verstehe deinen Wunsch, dass alles am Leben und in Frieden gelassen wird, aber er wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Nicht, weil die Welt schlimm ist, sondern weil sie ambivalent ist, vielseitig und komplex. Und diese Komplexität hat ihre eigene Schönheit. Die Vergänglichkeit und auch den gegenseitigen Einfluss der Menschen und Tiere auf- und untereinander sind ein gigantisches Wunderwerk. Aus der Auseinandersetzung damit entsteht viel Leid, aber auch Großartiges. Mir hilft dieser Gedanke, die "Wirklichkeit" (von der wir sowieso immer nur einen minimalen Bruchteil wahrnehmen) nicht so schlimm zu nehmen. Je mehr du dich darauf konzentrierst, dieses Wunder zu erfahren, desto weniger leidest du unter dem unerfüllbaren Wunsch von "warum können wir nicht alle lieb zueinander sein?".