Utilitarismus, Teleologie...?

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Also Utilitarismus und Hedonismus und Eudämonismus hängen lose miteinander zusammen, insoweit, als die Utilitaristen des 18. und 19. JHs sich auf die materialistische Theorie des Epikureismus stützen. Der Epikureismus umfasst in Grenzen Hedonismus, doch ist nicht mit ihm identisch. Dem Hedonismus und dem Epikureismus sind der Empirismus gemeinsam, sprich sie gründen ihre Auffassungen auf die menschliche Erfahrung. Der Hedonismus ist in seiner Lebensorientierung körperbetonter, was für den Epikureismus nicht zutrifft und auch nicht für die Klassiker des Utilitarismus.

Der Eudaimonismus wurde fast in der gesamten antiken Philosophie als hohes Ziel vertreten, auch von Aristoteles. Aber Aristoteles oder die Stoa verstanden unter Eudaimonismus und seiner konkreten Lebensumsetzung etwas anderes als der Epikureismus.

Die Teleologie wurde als Argument von Aristoteles eingeführt, sogar als Gottesbeweis angeführt, worauf sich dann Thomas von Aquin berufen hat. Epikureismus und Utilitarismus enthalten zwar ein evolutionstheoretisches Element, doch keine zwingende Teleologie. Diese findet sich eher bei Hegel und Marx, ebenso in der christlichen Theologie, die eine Vervollkommnung der Welt unterstellt. Somit kann man sagen, dass Teleologie und Utilitarismus keinen zwingenden Zusammenhang haben. Dass wir, wie es der Utilitarismus anstrebt, eine bessere Welt haben wollen, bedeutet nicht, dass wir nicht auch dieses Ziel verfehlen könnten. Der Utilitarismus sieht im Gegensatz zu Hegel z.B. nicht, dass wir auch vor einem Niedergang bewahrt wären, weil wir gehalten sind von einer festgelegten strukturellen Entwicklung zum Höheren.

Die Beziehungen sind teils falsch, teils richtig verstanden.

Utilitarismus ist nicht der Oberbegriff (Überbegriff) zu Teleologie. Dann wäre Teleologie eine von mehreren Unterarten des Utilitarismus. Dies ist aber sachlich falsch.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Utilitarismus, Hedonismus und Eudaimonismus. Dies bedeutet nicht, Hedonismus und Eudaimonismus seien weitere Unterarten des Utilitarismus neben Teleologie (was im Fragetext auch nicht ausdrücklich gesagt ist, aber auch nicht deutlich ausgeschlossen wird). Vielmehr ist Utilitarismus in seiner klassischen Ausprägung ein Hedonismus und ein Eudaimonismus.

Der klassische Utilitarismus (beispielsweise von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten) enthält als Grundsätze:

a) Konsequentialismus: Beurteilung, was in ethischer Hinsicht gut ist, hängt von den Folgen einer Handlung ab.

b) Nützlichkeitsprinzip

c) Hedonismus (der Nutzen wird als Glück bestimmt und dieses als Lust bzw. Freude, Annehmlichkeit, Gefälliges oder Ähnliches)

d) Universalität (ein Prinzip der Allgemeinheit): Alle sind zu berücksichtigen, das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl ist anzustreben.

Glück wird als ein Empfindungsglück verstanden. Maßstab in der Ethik ist die Menge dieses Glücks (Intensität ist dabei ein Gesichtspunkt aber nicht der einzige, es gibt andere wie z. B. Dauer). Damit ist ein quantitatives Kriterium aufgestellt.

Eine Handlung ist moralisch richtig, wenn sie das Glück fördert/vermehrt (die Tendenz dazu hat, also in diese Richtung geht) und falsch, wenn sie in der Summe ihrer Folgen Unglück hervorruft.

Bei den verschiedenen Ansätzen/Standpunkten/Auffassungen ist immer der Gesichtspunkt zu beachten, unter dem sie in Beziehung zueinander gebracht, zugeordnet und entgegengesetzt sind.

Ein geeigneter Oberbegriff ist ethische Theorie.

Beim Verstehen der Unterschiede und den Beziehungen der verschiedenen Theorien können Philosophielexika und Übersichtsdarstellungen zur Ethik helfen.

Teleologie (griechisch τέλος [telos] = Ziel, Zweck; λόγος [logos] = Lehre, Annahme, Behauptung) ist allgemein die Auffassung einer Zielgerichtetheit der Wirklichkeit.

Im Zusammenhang der Frage geht es aber um den Begriff teleologische Ethik.

Der Utilitarismus ist eine teleologische Ethik, aber nicht der einzige Ansatz mit einer teleologischen Ethik.

Beim Eudaimonismus ist das Streben nach Glück(seligkeit) grundlegend. Glückseligkeit (εὐδαιμονία) ist nach ihm höchste und letzte Ziel (Endziel) menschlichen Handelns.

Martin Suhr, Eudaimonismus. In: Metzler Lexikon Philosophie : Begriffe und Definitionen. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2008, S. 170:
Eudaimonismus, in einem weiteren Sinn die Theorie, dass das Ziel allen menschlichen Handelns in der ↗ Eudaimonie, dem Glück liege. In einem engen Sinne heißen nur die Moraltheorieen eudämonistische, die das Ziel des moralischen Handelns in der Eudaimonie sehen.“

„Man kann die eudämonistischen Moraltheorien danach einteilen, wie sie die Eudaimonie sehen, sei es in einem gemeinsamen Glück (soziale E.[thik], oder in einem individuellen (individuelle E.[thik], Die antike Moraltheorie ist fast durchgängig eudämonistisch, on sie nun das Glück in die Lust (hedone), wie Aristipp, oder in die Tugend, wie die Stoa, legt.

Auch das Christentum ist nicht ohne eudämonistische Züge, denn für sein eigenes Seelenheil zu sorgen, ist ein eudämonistisches Ziel. Die Neuzeit kennt eine ausgeprägt soziale E.[thik], den Utilitarismus Benthams: nicht mehr das Glück des Einzelnen, sondern das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl ist das Ziel moralischen Handelns. J. S. Mill bestimmte das Glück der utilitaristischen Theorie als Lust (pleasure) und Freisein von Unlust.“

Otfried Höffe, Glück. In: Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. Originalausgabe, 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe ; 152), S. 117:
„Eine E[thik], die nicht die ↗ Pflicht, sondern das G.[lück] zum höchsten Prinzip menschlichen Handelns erklärt, heißt Eudaimonismus (gr.[iechisch] eudaimonia: G.[lück].“

Hedonismus (griechisch ἡδονή = Lust) bezeichnet in einer weiten Bedeutung jede Lehre und innere Einstellung, die Lust als höchstes Ziel betrachtet. Eine engere Bedeutung hat Hedonismus, wenn die Bezeichnung abwertend für eine platte und grobe Spielart verwendet wird, die ausschließlich mit engem und kurzfristigen Blickfeld egoistisch orientiert und ganz auf materielle Genüsse ausgerichtet ist.

Albrecht  08.03.2012, 06:46

Peter Prechtl, Hedonismus. In: Metzler Lexikon Philosophie : Begriffe und Definitionen. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2008, S. 234:
Hedonismus (griech. hedone: Lust), Bezeichnung für eine ethische Haltung, die zum einen das Erreichen des Glücks als oberstes Ziel moralischen Handelns und Strebens sieht (darin deckt sie sich mit dem ↗ Eudaimonismus) und andererseits als Wesen des Glücks in der Erfüllung der Lust sieht. Das ethische Verhalten wird von einem objektiven Gut her bestimmt, das ein Höchstmaß an menschlichem Wohlbefinden bietet.“

Otfried Höffe, Freude. In: Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. Originalausgabe, 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe ; 152), S. 87:
„Nach dem e[thischen] Hedonismus ist allein F.[reude] um ihrer selbst willen erstrebenswert. Dabei erklärt ein naiver e[thischer] Hedonismus (Aristipp) die sinnliche F.[reude] des Augenblicks zum Maßstab (Genußleben). Ein aufgeklärter e[thischer] Hedonismus sucht das langfristige ↑ Glück, zieht deshalb die geistigen F.[reude]n vor (↑ epikureische E[thik], auch Mill) u.[nd] kritisiert ↑ sadistisch-masochistische F.[reude], während der von der christlichen Tradition beeinflußte ↑ utilitaristische Hedonismus das Glück für möglichst viele sucht.“

Bei einer teleologischen Ethik gilt als gut und geboten, was der Herbeiführung eines als gut anerkannten Zweckes dienen soll bzw. dient.

C. D. Broad hat 1930 den Begriff zur Unterscheidung einer Ethik vom Typ Kants von der teleologischen Ethik Sidgwicks und anderer teleologischer Ethiken definiert. Nach der teleologischen Ethik ist die moralische Richtigkeit einer Handlung in besonderer oder ausschließlicher Weise von ihrer Eignung zur Erreichung eines bestimmten Zweckes abhängig.

Vgl. Bernd Gräfrath, Ethik, teleologische. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstrass, Band 2: C – F. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2005, S. 423 – 424

Peter Prechtl, Teleologie. In: Metzler Lexikon Philosophie : Begriffe und Definitionen. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2008, S. 607 – 608

S. 607: „Teleologie (griech. telos : Ziel, Zweck); unter T.[eleologie] wird die Annahme der Zielgerichtetheit eines Prozesses oder eines Handlung verstanden.“

S. 698: „Im Kontext der Ethik wird jene Position als Teleologie bezeichnet, die die Richtigkeit des Handelns danach beurteilt, ob durch dieses Handelns ein Zustand herbeigeführt wird, den unabhängig von konkreten Handeln und ohne Exkurs auf moralische Pflichten als erstrebenswert gilt und gerechtfertigt ist. Der Utilitarismus repräsentiert eine teleologische Ethik.“

Otfried Höffe, normative Ethik. In: Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. Originalausgabe, 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe ; 152), S. 231:
„Während […] der ↑ Utilitarismus das Wohlergehen aller Betroffenen für die höchste sittl.[iche] hält, sieht es […] die egoistische E[thik] nur im eigenen langfristigen Wohl (↑ Selbstinteresse), sei es des Einzelnen (Hobbes,* La Rochefoucault*), sei es einer Gruppe (↑ KlassenE[thik]). Beide Formen der n.[ornativen]E[thik] betrachten die Folgen einer Handlung (folgenorientierte bzw. konsequentialistische E[thik]) u.[nd] bewerten sie nach dem höchsten Ziel, dem empirisch-pragmatisch verstandenen ↑ Glück. Eine n.[ornative]E[thik], die sich auf ein höchstes Ziel bezieht, heißt ↑ teleologische E[thik] (gr. Telos: Ziel, zwecks) Dazu gehört außer dem Utilitarismus auch […] Aristoteles’ StrebensE[thik], die das Glück allerdings nicht mher empirisch-pragmatisch (↑ Aristotelischen E[thik]) u.[nd] Nietzsches E[thik], deren höchstes Ziel die Steigerung des Lebens ist (↑ Lebensphilosophie).“

Peter Prechtl, Utilitarismus. In: Metzler Lexikon Philosophie : Begriffe und Definitionen. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2008, S. 641:
Utilitarismus, Position der Ethik, welche die Richtigkeit einer Handlung nach der Nützlichkeit ihrer Folgen beurteilt. Die anthropologische Grundlage stellt das natürliche menschliche Streben nach Lust und Vermeidung von Unlust dar. Ein solches utilitaristische Prinzip gibt zwar den Beurteilungsmaßstab ab, stellt aber nicht das Handlungsziel dar. Das Handeln ist vielmehr zu möglichst großer Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse und Interessen verpflichtet. Daraus ergibt sich die Definitionskette. Lust bestimmt das Streben nach Glück, Glücksstreben erfüllt sich in Bedürfnisbefriedigung, die Möglichkeit und den Maßstab der Befriedigung ergibt den Nutzencharakter.“

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Albrecht  08.03.2012, 06:47

Otfried Höffe, Utilitarismus. In: Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. Originalausgabe, 7., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe ; 152), S. 324:
„Utilitarismus (lat. utilis: nützlich) ist eine Richtung der normativen Ethik, die oft ls Nützlichkeitsmoral abgestempelt, sich in der englischsprachigen Welt zu einem differenzierten Instrument der empirisch-rationalen Normenbegründung u.[nd] Gesellschaftsreform entwickelt hat. Kriterium der sitt.[ichen] Verbindlichkeit ist das Prinzip der Nützlichkeit, nach dem jenen Handlungen geboten sind, deren Folgen für das ↑ Glück aller betroffenen optimal sind. Dieses ↑ Moralprinzip enthält vier Teilprinzipien: (1) im Unterschied zur deontologischen E[thik] (↑ normative E[thik]) sind Handlungen nicht aus sich heraus, sondern von ihren Folgen her zu beurteilen (Konsequenzen-Prinzip). (2) Der Maßstab der Folgen ist der Nutzen, nicht der für beliebige ziele und Werte […], sondern der für das in sich Gute (Utilitätsprinzip). (3) Als in sich gut u.[nd] höchster ↑ Wert gilt die Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse u.[nd] Interessen, das Glück, wobei es den einzelnen überlassen bleibt, worin sie ihr Glück erwarten. Das Kriterium dafür ist das Maß an ↑ Freude, das eine Handlung hervorruft, vermindert um das mit ihr verbundene Maß an Leid (hedonistisches Prinzip). (4) Ausschlaggebend ist nicht das Glück bestimmter Individuen oder Gruppen, sondern das aller von der Handlung betroffenen. Im Gegensatz zu jedem Egoismus (↑ Selbstinteresse) verpflichtet sich der U.[tilitarismus] auf das allgemeine Wohlergehen (Sozialprinzip)."

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