Sterbefasten oder Essensverweigerung?
Wie erkennt man den Unterschied?
Ein Verwandter von mir ist seit Juli im Krankenhaus, war im August/ Sept. für einen Monat in der Kurzzeitpflege. Konnte im Juni laufen, seit Juli nicht mehr, hatte Gefäßverschluss (wie schon früher), in der Kurzzeitpflege "faulte das Bein sichtbar ab", es kam nur noch eine Amputation in Frage. Dies wurde ihm von der Ärztin angekündigt, er hatte 5 Tage bis zum Krankenhaustermin, arrangierte sich äußerlich auch damit, vom Termin bis zur OP (erneute Einlieferung) vergingen noch mal 3 Tage, es war am Schluss sehr dringend (OP am vorletzten Samstag).
Seitdem geht es ihm jeden Tag besser oder schlechter, erster Tag sehr gut, zweiter Tag schläfrig, dritter Tag Delir (wollte mit dem Auto wegfahren usw.), vierter Tag sehr gut ansprechbar, Intensivstationsaufenthalt.
Seit Juli isst er sehr wenig. Vorher hatte er Essen auf Rädern, auf das er immer gewartet hat und Sandwiches, die man zusätzlich anbot, die er sich selbstständig aus dem Kühlschrank holte. Er hat seit Jahren keine Zähne im Mund (freiwillig, Protehese und Zahnarzt wurde abgelehnt). Geistig ist er eigentlich voll fit, nur jetzt aufgrund der Gesamtsitiation auch sehr gedämpft.
Jetzt verweigert er das Essen und die Medikamenteneinnahme plötzlich seit gestern, Essen war aber wohl auch die letzten Tage sehr wenig, seit Juli grundsätzlich recht wenig. Er kann oder will das nicht erklären, aber es ist typisch, dass er uns nicht alles sagt. Erste Woche Krankenhaus war er bettlägerig, bekam die Ente, mehr wurde nicht angeboten, er aß wenig - am Ende der Woche sagte er locker, er hätte so versucht, den Stuhlgang zurückzuhalten (weil er ja auch keine Perspektive sei, wie das zu machen wäre). Gestern sagte er nach vielen Nachfragen, die Portionen seien zu groß. Wir hatten im Extra Essen vom Restaurant mitgebracht. Alternative Erklärung seinerseits: Übelkeit wegen des Morphiums (seit letzten Sonntag abgesetzt).
Wie unterscheiden wir nun evtl. Sterbefasten von Essensverweigerung aufgrund fehlenden Hungers und emotionaler Überforderung, Übelkeit, nicht präferierten Speisen usw.? Vom Krankenhaus gibt es da wohl wenig Hilfe.
6 Antworten
Sind Sie selbst und andere Angehörige ratlos, und Sie haben Bedenken betreffend der Nahrungsaufnahme, würde ich persönlich mich an den behandelnden Arzt wenden, bsw., den Hausarzt, der den Betroffenen bereits von früher her kennt.
Ist evtl. bereits vom begonnen Sterbevorgang auszugehen, sehen nicht wir das hier - eher wohl aber ein Arzt, an verschiedenen Anzeichen.
...Es ist übrigens keinen ein Vorwurf zu machen, womöglich nicht zu erkennen, welche Art Essensverweigerung das jetzt beim Kranken genau ist. Wir selbst standen ungefähr vor einem Jahr vor einer ähnlichen Situation - und erkannten als Angehörige das ebenfalls nicht, dass sich der Betroffene bereits im Sterbeprozess befand.
Für die folgende Zeit möchte ich Ihnen allen viel Kraft und alles Gute wünschen.
Ist denn die Situation mit dem Stuhlgang für ihn jetzt geklärt? Vielleicht liegt es immer noch daran. „Wenn nichts reinkommt, kommt auch nichts raus“
Zu berücksichtigen wäre zunächst wie alt der Mensch schon ist und dann, wie lange er bereits leiden muss. Was sind seine Aussichten für die Zukunft? Kann er noch Sinn in seinem Weiterleben sehen? Kann er vertrauen, dass Ihr seine Entscheidung aus dem Leben scheiden zu wollen respektieren könntet? Wenn Ihr es könntet, solltet Ihr das offen ansprechen und Unterstützung anbieten. Fragt auch, was ihm noch wichtig ist, was er noch erreichen möchte. Sagt ruhig: »Wenn Du so weitermachst, wirst Du an Unterernährung sterben, das kann aber einige Wochen dauern. Wenn Du wirklich sterben möchtest und es lieber schneller tätest, solltest Du auch die Flüssigkeitszufuhr einschränken und nur noch den Mund ausspülen.« Wenn er das später nicht mehr kann, könnt Ihr ihm Mundpflege anbieten, damit er keinen Durst leiden muss. Sorgt dafür, dass ein Arzt ihn palliativmedizinisch optimal betreut. Der Arzt muss dazu nicht wissen, dass er sterben will, dann hat er wahrscheinlich weniger Bedenken ihn zu betreuen.
Es ist lobenswert, wie ihr euch um das Wohlbefinden eures Verwandten kümmert. Einer Vertrauensperson, evtl. Krankenhausseelsorger, könnte er sich möglicherweise öffnen. Falls er sich deutlich fürs Sterbefasten entschiede (keine Medikamente, keine Nahrung, keine Flüssigkeit), wäre das auch von allen zu respektieren. Er ist offenbar nicht dement.
@ Tasha. Aeltere Menschen befinden sich nach Operationen häufig in einem vorübergehenden Delirium. Nach wenigen Tagen sind sie dann meistens wieder gut ansprechbar. Der zuständige Arzt wird euch über die Prognose auf dem Laufenden halten. Ihr dürft darauf bestehen. Ich wünsche euch genügend Entspannungsmomente in dieser anforderungsreichen Zeit.
Ich würde einen Palliativmediziner zur Rate ziehen und einen Psychologen.
Bis dahin würde ich Smoothies anbieten und keinen Druck ausüben.
Er scheint sich viele Sorgen zu machen...vielleicht kann er dem Palliativmediziner die Fragen stellen die er hat.
Welche Schmerzmedikation bekommt er,wenn das Morphium abgesetzt wurde?
Zur Zeit so weit ich weiß Gabapenthin.
Medikamente verweigern liegt teilweise an einer jahrelangen Handverkrüpppelung (Finger sind nach innen gebogen und gehen nicht mehr auf), mit der er aber gut zurecht kam. Pallitivmedizinerin ist eingeschlatet und sucht seit Freitagnachmittag nach einem Platz für ihn für 10 Tage auf ihrer Station zwecks Mobilisierung. Er weiß davon erst seit gestern und reagierte nicht begeistert.
Im Pflegeheim (bis vorletzten Freitag) wurde ihm immer die Bettpfanne angeboten, seit letzten Freitag haben wir ehrlich gesagt auch dahingehend nicht mehr nachgefragt. Er meinte gestern Abend auf Nachfrage, er hätte gestern abgeführt, wobei aber nicht ganz klar ist, ob das stimmt. Er war halt nie der Typ, der anderen intieme Informationen anvertraut wie Verdauung oder Schmerzen. Also darüber redet er mit keinem offen; andere Senioren machen das ja zeitweise zum Hauptthema, er halt gar nicht.