Sprachliche Mittel - für was sind sie gut?
Wir beschäftigen uns gerade im Deutschunterricht mit Gedichten. Unsere Lehrerin erinnert uns ständig daran, dass wir auch auf die sprachlichen Mittel achten sollen. Ich habe bis jetzt nicht verstanden, was mir das für die Interpretation eines Gedichtes bringen soll. Kann mir bitte jemand weiterhelfen?
3 Antworten
Du könntest deiner Lehrerin einmal sagen, dass kein Dichter beim Schreiben an diese sprachlichen Mittel denkt. Nach dem Motto: oh, ich habe hier erst drei Mittel eingebaut, ich brauche aber vier, sonst wird das nichts. Es ist viel mehr so, dass ein Dichter eine Idee entwickelt und dann fängt er an zu schreiben. Ich nenne das immer die Musik des Textes, die muss stimmen, aber nicht das einzelne Mittel. Ich kämpfe schon sehr lange gegen diesen falschen Ansatz des Deutschunterricht. Der kommt von der Uni, wo alles analysiert werden muss. Und da die meisten Lehrkräfte des Faches Deutsch selbst nie etwas geschrieben haben, haben sie keine Ahnung davon, was Literatur wirklich ist. außerdem wird die Frage völlig falsch gestellt: denn da es sich um Mittel handelt, muss man erst wissen, was ein Gedicht aussagt und dann überlegt man sich, was der Verfasser sich hat einfallen lassen, um es wirkungsvoll zu machen. Dieser Unsinn vom Einzelnen Mittel auszugehen. Macht den ganzen Deutschunterricht kaputt, weil man sich nicht um viel wichtigere Dinge kümmert. Vielleicht sollte man mal einen Text schreiben aus der Sicht eines Schriftstellers und dann kann deine Deutschlehrerin ja sich mit euch zusammen darüber her machen und es inhaltlich diskutieren.
Ich habe mal irgendwo eine Geschichte gelesen, da ging es um einen Heiratsantrag und da hat sich jemand etwas ganz originelles eingefallen und im Gedächtnis geblieben ist mir nur die wunderschöne Formulierung: du bist der Stöpsel in meiner Badewanne. Und das hat voll gewirkt, allerdings anders, als es eigentlich gedacht war. Aber auf jeden Fall ist es ein wunderschönes Mittel, über das man lange nachdenken kann, ein Begriff, dafür braucht man aber nicht. Es funktioniert auch so.
Ich habe die Geschichte jetzt wiedergefunden.
https://schnell-durchblicken.de/kimia-tivag-der-stoepsel-ein-heiratsantrag-mit-nebenwirkungen
Hallo lenimueller955!
Man kann etwas auf verschiedene Art und Weise ausdrücken. Manche Mittel dazu (die rhetorischen Stilmittel) wurden genauer untersucht und haben dann sogar einen bestimmten Namen bekommen, z.B. die Alliteration. Je nachdem, welches Stilmittel man einsetzt, wirkt das Gesagte oder Geschriebene unterschiedlich. Auch wenn man nicht weiß, dass es so ist, passiert es. Wenn man aber die Stilmittel kennt, versteht man vielleicht besser, wieso die Wirkung entsteht. Viele Songtexte enthalten auch diese Stilmittel. Die Textschreiberinnnen und -schreiber haben eben bestimmte Gefühle im Sinn, die sie besonders gut mit den sprachlichen Mitteln rüber bringen wollen.
LG
gufrastella
Du hast völlig recht mit dem, was du schreibst. Interessant finde ich die Andeutungen, dass die Songschreiber etwas ausdrücken wollen und ein Gefühl dafür haben, was passt. Die Begriffe für die einzelnen Mittel interessieren sie dabei überhaupt nicht.
Man muss die Namen/die Begriffe natürlich nicht kennen, um ein sprachliches Mittel zu verwenden. Aber um sich darüber zu unterhalten, warum der Text eine bestimmte Wirkung haben könnte, sind die Namen/Begriffe sinnvoll.
Schön, dass du mir hilfst, die Sache noch besser zu verstehen. Was hältst du denn von dieser praktischen Umsetzung deiner Idee: da sind zwei Freundinnen in einem Konzert und die eine ist regelrecht in Tränen ausgebrochen vor Freude, dass ein Song genau ihre Gefühle ausgedrückt hat. Sprechen die dann hinterher darüber, welche Mittel da verwendet worden sind oder versuchen Sie auf andere Art und Weise zu verstehen, warum dieser Song bei Ihnen so gewirkt hat. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass sie noch bis zu dem Begriff des Bildes kommen wie bei dem Stöpsel in der Badewanne, aber man braucht doch dann nicht mehr das Wort Metapher oder? Das lenkt doch eher von der Sache ab, denn das Wort Bild drückt ja noch das aus, was da passiert und dann kommen die Germanisten mit ihren Begriffen aus einem Handbuch von einem gewissen Herrn Lausberg, da stehen etwa 5000 Begriffe drin, die der Mann sich in Mühe voller Arbeit ausgedacht hat, ohne jemals selbst ein Gedicht zu schreiben. Jetzt bin ich mal gespannt, was du dazu sagst. Man könnte noch ergänzen, was unsere beiden Freundinnen angeht, wenn die einiges anfängt, die literarischen Mittel mit den richtigen Begriffen aufzuzählen. Hört die andere auf zu weinen, läuft dafür aber schreiend weg.
Ich benutze die Begriffe, da ich sie gelernt habe, um Menschen, die die Begriffe ebenfalls kennen, präzise und effizient mitzuteilen, was ich meine. "Oxymoron" ist schneller als z.B. "Zusammenstellung zweier sich widersprechender Wörter", oder "Pleonasmus" ist schneller gesagt als "eine Kombination von Wörtern, die das Gleiche bedeuten". Die Freundinnen sind keinesfalls gezwungen, mir dies gleich zu tun, wenn sie nicht ähnliche Voraussetzungen haben.
(Fremd)wörter in Fachsprachen erleichtern den Kundigen die Kommunikation. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und Neugier sowie Interesse an allen möglichen Fachbereichen bringen den Erwerb der jeweiligen Fachsprache mit sich.
Da stimme ich dir voll zu - es ist nur die Frage, ob bei Schülis die Liebe zu Gedichten wächst, wenn man sie zwingt, zu "Kundigen" zu werden, obwohl sie viel lieber Gedichte auf sich wirken lassen würden - und ggf. es auch mal selbst mal probieren. Und die meisten Schriftsteller gehören nicht zu den "Kundigen" - wenn sie ihre germanistischen Kenntnisse rauslassen, haben sie als "Poeten" verloren ;-) Nur darum ging es mir. Germanistik habe ich lange genug getrieben - und sie dann beiseitegeschoben und mich der Literatur und ihren Geheimnissen selbst zugewendet - so weit man das sich im Deutschunterricht leisten kann ;-)
Ob Gedichte oder Prosa, wenn Texte gelesen und empfunden werden sollen, verstanden im weitesten Sinn, braucht es die innere Freiheit, sie auf sich wirken zu lassen, genau! Die begriffliche Einordnung sollte allenfalls Hilfsmittel sein, nicht als Korsett missbraucht in Klassenarbeiten auswendig gelernt und gefühllos abgefragt werden.
Es ist immer wieder schön, wenn aus These und Antithese eine Synthese wird. 👍
Überhaupt kein Problem, für mich ist die Dialektik einfach ein Weg zu besserer Erkenntnis - ohne Bewertung der beiden Zwischenstufen.
Übrigens bin ich, was Wissenschaft angeht, ein großer Verehrer des Philosophen Feyerabend, den ich leider viel zu spät kennengelernt habe.
Weil ich jetzt schnell den 1. Mai genießen will, habe ich einfach mal ChatGPT gebeten, die Verbindung zwischen den sprachlichen Mitteln und Problemen der Wissenschaft zu formulieren.
Ich habe es noch nicht gelesen, aber diese These braucht ja sowieso deine Antithese, um zu einer besseren Synthese zu werden.
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Zwischen Wissenschaft und Wirklichkeit – Warum starre Regeln zum Problem werden können
Zurecht wird im schulischen Unterricht – gerade mit Blick auf Abitur und Hochschulreife – Wert auf wissenschaftliche Denkweisen gelegt. Schließlich sollen Schüler*innen lernen, präzise zu beobachten, systematisch zu denken und fundierte Urteile zu formulieren. Doch genau an diesem Punkt lauert eine Gefahr, die der Philosoph Paul Feyerabend immer wieder eindrücklich beschrieben hat: Fachwissenschaften neigen dazu, aus ursprünglich sinnvollen Verfahren feste Systeme zu machen – mit Regeln, die dann als unumstößlich gelten. Was einmal als hilfreiches Denkmodell begann, wird zur Zwangsjacke.
Besonders im Deutschunterricht zeigt sich diese Problematik auf fast tragikomische Weise. Hier hat sich über Jahre eine Sichtweise auf Texte etabliert, die sich stark an der Methodik der Germanistik orientiert. Insbesondere bei Gedichten führt das dazu, dass die sogenannte „Analyse sprachlicher Mittel“ zu einer Art Pflichtübung verkommt – losgelöst vom eigentlichen Erleben, das ein Gedicht auslösen kann. Die Folge: Schüler*innen lernen, korrekt zu benennen, wo eine Alliteration sitzt – aber nicht, was sie bewirkt. Sie zerlegen Texte in rhetorische Einzelteile – aber verlieren dabei oft den Zugang zu dem, was ein Gedicht ausmacht: seine Atmosphäre, sein Klang, seine manchmal rätselhafte Wirkung.
So wird ein Gedicht, das eigentlich das Herz berühren oder zum Nachdenken anregen möchte, zum Fallbeispiel im Interpretationslabor. Was aber hat ein Dichter davon, wenn sein Werk gar nicht mehr als lebendiges Kunstwerk wahrgenommen wird, sondern nur noch durch das Raster eines didaktischen Pflichtprogramms? Vielleicht wäre es an der Zeit, wieder mehr Mut zum offenen Blick zuzulassen – und ein Gedicht zunächst einfach als das zu lesen, was es ist: ein sprachliches Kunstwerk, das wirken will, bevor es seziert wird.
Den ersten Mai schnell genießen? Dann viel Spaß! 😊 Damit der nächste Feierabend rasch näher rückt...😁
Ich habe mich nicht im Widerspruch zu deiner Ansicht befunden.
Weißt du, es ist sehr schwierig Jugendlichen zu erklären, dass sie noch viel zu wenig begreifen können, was sie alles in unserem europäischen Staat der Hochkultur bereits bis zur Volljährigkeit wissen sollten oder könnten, wenn sie wollten! Das ist aber anstrengend, gar nicht bequem. Und die meisten kennen einfach viel zu wenig erwachsene Menschen persönlich oder/und deren berufliche Lebenswege, um darüber mehr Wissen zu haben.
Dazu gehört eben nicht nur die eigene Umgangssprache lesen und schreiben und auch sprechen zu können, sondern auch zu lernen, was Sprache überhaupt ist. Zum Beispiel gibt es rhetorische und stilistische Mittel einer Sprache so ähnlich in allen Sprachen der Erde. Oder denke an die Entwicklung von komplexen Computer-Übersetzungsprogrammen, nicht nur von Umgangssprachen, sondern zum Beispiel auch von Fachsprachen und nicht mehr üblichen Sprachen (z.B. altgriechisch, Latein). D.h. sie sind banales Grundwissen, mehr doch noch nicht.
Natürlich gibt es auch Gelderwerbstätigkeiten, für die man keine spezialisierte Ausbildung und höhere Bildung braucht. Aber warum sollte man das als Lebensziel anstreben?!
Hier gibt es ein schönes Video, das zeigt, wie immer mit diesen Mitteln vielleicht besser umgehen könnte. Nicht suchen, sondern finden
Künstlerische Mittel – nicht „suchen“, sondern „finden“ - für mehr Liebe zur Literatur
https://youtu.be/8N2lTia5qLk