Soll man über Tabu Themen reden?
z. B. mit Freunden, Familie oder vor Allem mit Bekannten. Also Menschen mit denen man sich gut versteht, aber keine super nahe Beziehung hat. Beispielsweise: Arbeitskollegen.
Es geht um folgendes:
Ich bin w/20 und durch verschiedene Traumata gezeichnet. Hauptsächlich langjähriger sexueller Missbrauch.
Habe das durch eine Therapie aber sehr gut verarbeitet und habe meinen Umgang damit gefunden. Viele sagen aber, dass man mir anmerkt das ich nicht ganz "normal" bin..
Bin halt eher schüchtern, übervorsichtig, ängstlich und aufmerksam. In manchen Situationen können Menschen nicht nachvollziehen warum ich mich jetzt so verhalte, wie ich es halt tue.
In meinem Umfeld weiß deswegen fast jeder davon (Natürlich keine Details) und es hilft, um Missverständnise zu vermeiden.
Auf der Arbeit (bin Azubi) gibt es auch manchmal Probleme. Mein Chef kann manchmal meine Reaktionen/mein Verhalten etc. nicht ganz einordnen.
Habe deshalb überlegt ihm bei Gelegenheit das einfach zu sagen, ist ja kein Drama. Das Leben läuft halt nicht immer so wie man es sich wünscht. Ich kenne ihn seit 1,5 Jahren und weiß, dass er gut damit umgehen würde.
Ich habe eine gute Beziehung zu ihm. Ich bin jetzt auch nicht super verschlossen, rede teilweise sogar recht viel. Kann auch locker sein. Umso verwirrter sind meine Kollegen, wenn ich dann plötzlich ruhig werde und abwesend wirke. Letztens hat mich ein Kollege berührt und ich bin dermaßen zusammen gezuckt und habe panisch reagiert, dass er das garnicht richtig einordnen konnte.
Darf man über sowas sprechen? Habe das Gefühl, dass es unangebracht ist und eine Grenze überschreitet.
Aber andererseits denke ich mir: es ist nichts besonderes, viele Menschen machen in ihrem Leben Erfahrung mit sexueller Gewalt und es tot zu schweigen und sich zu verstecken macht es nicht besser.
2 Antworten
Es ist eine Gradwanderung im beruflichen Kontext.
Auf der einen Seite ist es natürlich gut, wenn man den Menschen um sich herum mitteilt, dass und wieso man in manchen Situationen vielleicht anders reagieren könnte als andere. Oder dass einem manche Situationen super unangenehm sind, die andere als total unproblematisch sehen. Das schafft Verständnis und nur, wenn die anderen es Wissen, können sie Rücksicht nehmen!
Aber genau da beginnt eben der schmale Grad. Zu viel Rücksicht will man ja auch nicht. Ich denke mal, du würdest es nicht so prickelnd finden, wenn alle dich zukünftig wie ein rohres Ei behandeln,oder? Zumal manche Menschen dann auch so stark von solchen Infos überfordert sein können, dass sie sich komplett zurückziehen - was wiederum ganz fix wie Abneigung wirken kann...
Mein Thema und Trauma ist der Suizid meines Vaters, als ich gerade mal 16 war. Die Erfahrung, die ich immer wieder gemacht hab, ist die, dass das Gegenüber in dem Moment, wo ich das erzähle, richtig heftig betroffen ist, während ich mit mehr als 20 Jahren Abstand inzwischen da doch eher... entspannt (komisches Wort, mir fällt kein besseres ein) mit umgehe. Dadurch kam es immer wieder zu Situationen, wo eher ICH diejenigen, denen ich es berichtet hab, erst mal auffangen musste. Und dann erklären musste, dass das natürlich irgendwo ein wunder Punkt bei mir bis heute bleibt, aber keineswegs so, dass man mich deswegen mit Samthandschuhen anfassen muss.
Das ist also eine Reaktion, auf die du dich einstellen musst - insbesondere bei denen, zu denen du ein gutes Verhältnis hast! Und wo du dir vorher überlegen solltest, wie du dann damit umgehst und wie du genau kommunizierst, was du dir vom Gegenüber im Umgang damit wünschst und was nicht.
Wenn du an diesem Punkt noch nicht bist, wo dir das gut gelingt bzw. gut tun würde, würde ich es an deiner Stelle allgemeiner halten - "Ich hab in meiner Vergangenheit manches erlebt, worüber ich nicht genauer sprechen möchte, was aber manchmal komische Reaktionen bei mir auslösen kann. Also bitte nicht zu sehr wundern, wenn ich hier und da mal anders reagiere als andere Kinder ;)!".
Sprich darüber, wenn es dich bedrückt. Das sollte ok sein.