Sarah Kirsch - Aus dem Haiku-Gebiet?

1 Antwort

Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass das lyrische Ich die zwiespältigen Gefühle zur alten Heimat seitens der Verfasserin wiedergibt.

Auffällig ist, dass sie trotz lange zurückliegender Ausreise in den Westen noch die DDR als ihre eigentliche Heimat bezeichnet, was daran liegen könnte, dass sie unfreiwillig gehen musste, da sie sich für den Systemkritiker Biermann eingesetzt hat. Da sie nirgends wirklich angekommen ist, trägt sie auch noch immer "Reisekleider".

Nun werden bei ihr alte Wunden aufgerissen (vgl. "Winde) und die alte Heimat ist z.B. aufgrund der Aufarbeitung alter Stasiakten noch immer in einem desolaten Zustand. Trotz der Verbundenheit mit der eigentlichen Heimat möchte sie nichts verklären.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrkraft seit etlichen Jahren
Anonym2018773 
Fragesteller
 22.03.2023, 18:05

Vielen Dank erstmal für die sehr nützliche Hilfe! Hätten Sie auch ganz konkret für Strophe 2,4 und 5 eine Idee? Bzw können Sie mit dem Titel ,,Aus dem Haiku-Gebiet’’ etwas anfangen?

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Cogitoergosum99  22.03.2023, 20:55
@Anonym2018773

Puh, an diesen Stellen bin ich ehrlich gesagt auch unsicher. Haiku-Gedichte sind für ihre Kürze und inhaltliche Momentaufnahme bekannt. Genau diese Kürze macht eine eindeutige Interpretation außerordentlich schwierig. Es werden Jahreszeiten, vor allem der Winter, erwähnt, der für Jahresanfang und -ende stehen könnte, aber auch für Überdeckung von Negativem durch den reinweißen Schnee. Oben (Himmel, Mond) und unten (Schnee) kommen vor, aber auch Himmel und Mond wirken auf mich nicht sonderlich positiv.

Auffällig in den ersten beiden Strophen sind die parallelen Antithesen von "neu" und "alt": Trotz des neuen Jahres im Rahmen der Wende sind noch die alten Leute da unter dem Himmel, was bedeuten könnte, dass die Stasimitarbeiter noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Der Schalck-G. geht in die gleiche Richtung, da er auch beim Ministerium für Staatssicherheit tätig war. Das Havelland um Brandenburg ist eher wenig besiedelt und vielleicht öde, was wiederum zu der kargen Gedichtform passen würde. Mit dem Hund ist vielleicht ein echter gemeint, der durch stellvertretende Heullaute die Leere des lyrischen Ichs ausfüllen soll. Es geht darum, das Jahr möglichst schmerzarm zu überstehen, da wie gesagt durch die Wiedervereinigung alte Wunden aufgerissen wurden, die in den Erläuterungen konkret angedeutet werden.

(Alle Angaben ohne Gewähr; ich habe versucht, die Hilfen im Buch einzubeziehen, die leider kaum leserlich sind)

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