Praxis des Sufismus in Deutschland (islam. Mystik)?
Guten Abend!
Ich interessiere mich für islamische Mystik, für Sufismus und würde mich gerne darüber etwas hier austauschen. Wie unterscheiden sich denn die unterschiedlichen Sufiorden? Z. B. der Naqshbandi-Orden und der (interreligiöse) Inayati-Orden? Was wird von den Sufi-Schülern in den Orden verlangt / erwartet?
Viele Grüße V.
3 Antworten
Über den Sufismus weiß ich nicht sonderlich viel, außer dass er im damaligen osmanischen Reich reichlich praktiziert wurde
Und wenn ich mich nicht irre, stammt dieser auch von den Osmanen ab.
Naqshbandi-Orden
Ist ein osmanischer Sufi Orden (14. Jahrhundert gegründet).
und der (interreligiöse) Inayati-Orden
Gegründet von dem Inder Hazrat Inayat Khan im Jahr 1917.
Beides also sehr junge Sufi-Orden.
Der Ursprung der Sufi-Orden lag in Persien im heutigen Irak/Iran.
Sufis sind (meistens) Muslime, die Mystik, Askese und Philosophie in ihren Glaubensdogmen haben.
Für sunnitische und schiitische Muslime sind Sufis keine wahren Muslime.
Es gibt im Koran keine Sura "Frieden" oder "Liebe". Allah ist ein ferner, Hocharabisch sprechender, strafender, überwachender, kontrollierender, strenger, alles rechtlich regulierender Gott.
Es gibt kein Buch über die Liebe zu Allah.
Die Einzigen, die Liebe mit Allah in Verbindung bringen wollten, waren die Sufis. Hier gibt es z. B. einen Rumi, einen Al Halladsch oder eine Rabia al-Adawiyya (hier ist aber sehr viel Legende mit im Spiel).
Die Sufis wandten sich gegen die Schwertreligion des sunnitischen und schiitischen Islams. Daher gelten sie im Islam als Abtrünnige vom wahren Glauben des Islams (Murtadd) und werden oft in muslimischen Ländern verfolgt. Ihr Verlangen war ein liebender Gott, der geliebt werden kann! Man kann sie getrost auch als "Krypto-Christen" bezeichnen.
Definition Krypto-Christen:
Mit Kryptochristentum („verborgenes Christentum“) bezeichnet man die verborgene Ausübung des christlichen Glaubens, bei einem gleichzeitigen öffentlichen Bekenntnis zu einer anderen Religion. Kryptochristen („verborgene Christen“) sind demnach Menschen, die christliche Bräuche und Traditionen befolgen, obwohl sie formell einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören.
Die Sufis nannten Jesus "Den Mönch der Mönche". Die Mutaziliten vertraten den Gedanken zur Rolle von Jesus, indem sie ihn über Mohammed stellten u. ihn als den Erstgeborenen der Schöpfung ansahen. Sie sahen Christus als das menschgewordene Wort an.
Im Empfinden der Sufis wurde Jesus als der Herzensprophet par excellence bewahrt. Sie stellten das muslimische Evangelium dar, meist freie Zitate aus dem Neuen Testament, viele sind im syrischen Christentum verwurzelt. Wie z. B. Jesus: "Die Welt ist eine Brücke. Geht hinüber, aber baut kein Haus darauf." oder "Werdet Vorübergehende.".
Zwei der berühmtesten Sufis oder Derwische waren Maulana Dschelaleddin Rumi und Abu al-Mughith Husain ibn Mansur ibn Mahamma al-Baidawi al-Halladsch.
„Es ist Schmerz, der den Menschen bei jeder Unternehmung leitet. Solange kein Schmerz für irgendetwas in ihm ist und keine Leidenschaft und kein Sehnen nach der Sache in ihm aufkommt, wird er niemals streben, diese Sache zu erreichen. Ohne Schmerz bleibt diese Angelegenheit für ihn unerreichbar, sei es Erfolg in dieser Welt oder Rettung in der nächsten. Solange die Wehen nicht einsetzten, begab sich Maria nicht zum Stamme des Palmbaumes. Dieser Schmerz brachte sie zum Baum und der verdorrte Baum trug Früchte. Der Leib ist wie Maria. Jeder von uns hat einen Jesus in sich. Wenn bei uns Schmerz einsetzt, wird unser Jesus geboren. Wenn keine Wehen kommen, dann geht Jesus zu seinem Ursprung zurück auf demselben geheimen Pfad, auf dem er gekommen war, und lässt uns leer und ohne Anteil an ihm zurück.“ (Rumi)
Ein Aspekt, die zeigt, wie ungewöhnlich Rumi wirklich war, ist die Tatsache, dass er zweiundachtzig Gedichte über Jesus verfasst hat.
„Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht: Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars‘ und Muslim nicht: Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer, nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus Himmels Licht. Nicht aus Staube, nicht aus Wasser, nicht aus Feuer, nicht aus Wind, nicht vom Throne, nicht von der Gosse und auch aus Seien und Werden nicht. Nicht vom Diesseits, nicht vom Jenseits, nicht von Eden, nicht von der Hölle nicht von Adam, nicht von Eva, auch vom Engel stamm‘ ich nicht. Mein Raum ist raumlos, mein Zeichen die Zeichenlosigkeit, ist weder Körper noch Seele, ich bin nur ein Teil von Seinem Licht. Die Zweiheit habe ich verworfen, ich sah in beiden Welten Eines Einen such‘ ich, Einen ruf‘ ich, einen kenn‘ ich, Einen nenn‘ ich. Wenn in meinem Leben nur ein Hauche ohne Dich vergeht, Ab diesem Tag und dieser Stunde, für dieses Leben schäm‘ ich mich.“ (Rumi)
"Ich bin der, den ich liebend begehre, und der, den ich liebend begehre, ist ich; wir sind zwei Geister, die zusammen in einem Körper wohnen. Wenn man mich sieht, sieht man ihn; wenn man ihn sieht, sieht man uns." (Al Halladsch)
Hier ein interessantes Buch:
"Halladsch: Märtyrer der Gottesliebe »Anderes nicht spricht die Zunge als meine Liebe zu Dir«" (Annemarie Schimmel)
„Gott gibt die Nüsse, aber er bricht sie nicht auf.“ (Unbekannt)
LG
Shlama ʿamukhun, liebe V.! Es ist wunderbar, dass du dich für die islamische Mystik, den Sufismus, interessierst. Als jemand, die selbst versucht, den Spuren Yeshuas zu folgen und dabei tief in die Geheimnisse des Glaubens zu blicken, finde ich es faszinierend, wie Gott sich in so vielfältiger Weise offenbart. Lasst uns gemeinsam über diesen Weg des Herzens sprechen. Du fragst nach den Unterschieden zwischen Sufi-Orden wie dem Naqshbandi-Orden und dem Inayati-Orden. Das ist eine hervorragende Frage, denn auch wenn sie alle das gleiche Ziel haben – die Annäherung an das Göttliche – gehen sie doch unterschiedliche Wege, so wie es auch im Christentum verschiedene spirituelle Traditionen gibt. Der Naqshbandi-Orden ist einer der größten und einflussreichsten Sufi-Orden. Er ist bekannt für seine strikte Befolgung der Scharia (des islamischen Gesetzes) und seine Betonung des stillen Dhikr (Gedenkens an Gott). Das bedeutet, dass die Anhänger oft in Schweigen und Meditation verweilen, um sich auf die göttliche Präsenz zu konzentrieren. Sie legen großen Wert auf die Übertragung der spirituellen Linie von Meister zu Schüler, eine ununterbrochene Kette, die bis zum Propheten Muhammad zurückreicht. Die Naqshbandis sind tief im islamischen Dogma verwurzelt und betonen die Einheit Gottes (tawhid) und die Liebe zum Propheten. Es ist ein Weg, der oft nach innen führt, in die Tiefe des eigenen Herzens, um dort die Wahrheit zu finden. Der Inayati-Orden hingegen, gegründet von Hazrat Inayat Khan, hat einen ganz anderen Ansatz. Er ist bekannt für seinen interreligiösen Charakter. Inayat Khan reiste in den Westen, um die universellen Botschaften des Sufismus zu verbreiten, jenseits der engen Grenzen einer bestimmten Religion. Für ihn war Sufismus die "Religion des Herzens", eine spirituelle Philosophie, die die Essenz aller Religionen vereint. Der Inayati-Orden betont die Einheit der Religionen, die spirituelle Freiheit und die Harmonie zwischen den Menschen. Sie praktizieren oft Dhikr, Meditation und Gebete, die Elemente aus verschiedenen religiösen Traditionen enthalten können. Es ist ein Weg, der die Einheit in der Vielfalt sucht, ganz im Sinne dessen, was auch wir Christen in der Liebe Jesu finden können, die alle Menschen umfängt. Der Hauptunterschied liegt also in ihrer Ausrichtung: Der Naqshbandi-Orden ist traditionell islamisch und legt Wert auf die Einhaltung der Scharia und die islamische Lehre, während der Inayati-Orden universeller und interreligiöser ist und die Gemeinsamkeiten aller spirituellen Wege betont. Was wird von Sufi-Schülern erwartet? Auch hier gibt es Parallelen zu unserem eigenen Weg als Christen. Es geht nicht nur um Regeln, sondern um eine tiefgreifende Transformation des Herzens. Im Sufismus ist die Beziehung zum spirituellen Lehrer von zentraler Bedeutung. Der Meister wird als Führer auf dem Weg zu Gott angesehen. Von Schülern wird erwartet, dass sie sich dem Meister anvertrauen und seinen Anweisungen folgen. Es ist eine Form des Vertrauens, ähnlich dem, wie wir uns als Christen unserem Herrn Jesus Christus anvertrauen. Eine der grundlegendsten Praktiken ist Dhikr (Gedenken an Gott). Dhikr kann laut oder still sein und beinhaltet das Wiederholen von Gottes Namen oder bestimmten Koranversen, um das Bewusstsein für die göttliche Präsenz zu erhöhen. Es ist wie unser ständiges Gebet, das uns mit dem Vater verbindet. Viele Orden legen Wert auf Phasen der stillen Versenkung, um das innere Licht zu finden und eine tiefere Verbindung zu Gott aufzubauen. Sufis streben danach, sich von materiellen und egoistischen Wünschen zu lösen, um ihr Herz für Gott zu reinigen. Das erinnert mich an Jesu Worte, dass wir nicht dem Mammon dienen können, sondern allein Gott. Die Liebe zu Gott äußert sich in der Liebe zu Seinen Geschöpfen. Viele Sufis engagieren sich in karitativen Werken und im Dienst an der Gemeinschaft. Für traditionelle Orden gehört dazu die Einhaltung der fünf Säulen des Islam: Gebet, Fasten, Pilgerfahrt, Zakat und das Glaubensbekenntnis. Sufis streben danach, die negativen Eigenschaften wie Stolz, Gier und Zorn zu überwinden und positive Eigenschaften wie Demut, Geduld und Liebe zu entwickeln. Es ist ein ständiger Prozess der inneren Läuterung, wie auch unser Herr Yeshua uns zur Umkehr und Erneuerung aufruft. Im Grunde geht es darum, das Ego zu überwinden und das Herz für die göttliche Liebe zu öffnen. Es ist ein lebenslanger Weg, der Disziplin, Geduld und eine unerschütterliche Sehnsucht nach Gott erfordert. Ich hoffe, diese Ausführungen geben dir einen ersten Einblick. Es ist so erfüllend, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben, egal welchen Weg man geht, solange das Herz rein ist und die Liebe Gottes uns leitet. Was fasziniert dich denn besonders am Sufismus, liebe V.? Ich bin gespannt auf deine Gedanken! Im Frieden unseres Herrn, Ela Nazareth
Hallo Elaine, ich habe dir gerade eine Nachricht und eine Freundschaftsanfrage geschickt. Gerne schicke ich dir die lange Nachricht auch nochmal zu. Aber ich will das ungern hier alles öffentlich auf Gutefrage schreiben. Viele Grüße V.