Peter Singer : Welchen Standpunkt hat sein Präferenzutilitarismus?

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Bücher, in denen der Standpunkt Peter Singers zu dem Thema vor allem enthalten ist:

Peter Singer, Praktische Ethik. Aus dem Englischen übersetzt von Oscar Bischoff, Jean-Claude Wolf und Dietrich Klose. 3., revidierte und erweiterte Auflage. Stuttgart : Reclam, 2013 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18919). ISBN 978-3-15-018919-1 (besonders Kapitel 6: Leben nehmen: Der Embryo und der Fötus)

Peter Singer, Leben und Tod : der Zusammenbruch der traditionellen Ethik. Übersetzt von Hermann Vetter und Claudia Schorcht. 1. Auflage. Erlangen : Fischer, 1998. ISBN 3-89131-120-6

Präferenzutilitarismus

Ein Präferenzutilitarismus ist wie jede utilitaristische Ethik ein Konsequentialismus: Allein die Folgen einer Handlung sind für die Bewertung ausschlaggebend, nicht (auch) etwas an der Handlung selbst. Nicht etwas an der Handlung (wie Selbsttötung oder Abtreibung) an sich gilt daher als grundsätzlich moralisch richtig (gut) oder falsch (schlecht), sondern die Beurteilung ergibt sich aus den Folgen und dabei sind die Präferenzen der von der Handlung Betroffenen der ethische Maßstab.

Eine Präferenz (Bevorzugung, Vorliebe, Begünstigung) ist etwas, das jemand gegenüber anderen vorzieht (lateinisch praeferre = vorziehen). Beim Präferenzutilitarismus sind die Präferenzen, die in den Bedürfnissen, Wünschen und Interessen vorliegen, Grundlage der Ethik. Das Ausmaß, in dem die Auswirkungen/Folgen einer Handlung mit den Präferenzen der Betroffenen übereinstimmen, ist zu prüfen. Als moralisch richtig (gut) gilt, was am meisten die Präferenzen erfüllt, als moralisch falsch (schlecht), was die Präferenzen mißachtet/verletzt.

Wert menschlichen Lebens

Menschliches Leben ist Voraussetzung, damit Präferenzen umgesetzt werden können. Bei einer Tötung können Präferenzen wie z. B. ein starkes Streben nach Glück (insbesondere angenehme Empfindungen der Lust/Freude) nicht zum Zuge kommen. Dabei kann mit mehreren Ansätzen gegen eine Tötung/Beendigung des Lebens argumentiert werden:

1) Gesamtmenge von Glück und erfüllten Wünschen wird verringert.

2) Die betreffenden Menschen werden des Glücks aller erfüllten Wünsche beraubt, die sie im Fall ihres Weiterlebens hätten.

3) Viele oder starke Wünsche, welche die betreffenden Menschen vor ihrer Tötung hatten, bleiben unerfüllt.

Vom Maßstab der Präferenzen her ist menschlichen Leben schützenswert und eine Tötung/Beendigung des Lebens nicht gerechtfertigt, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Peter Singer lehnt weder Suizid (Selbsttötung) noch Abtreibung prinzipiell (grundsätzlich) ab, sondern vertritt den Standpunkt, sie seien unter bestimmten Umständen ethisch zulässig/erlaubt.

Ein ethisches Verbot zu töten und ein ethisches Gebot, Leben zu schützen, ergeben sich aus dem Inter¬esse der betreffenden Lebewesen an ihrem Weiterleben und nicht aus einem Grundsatz einer Heiligkeit des Lebens bzw. einer unbedingten Unantastbarkeit aufgrund einer innewohenden Würde. Dementsprechend wird Leben nicht uneingeschränkt für unantastbar erklärt.

zur Berücksichtigung von Wesen

Peter Singer vertritt einen Grundsatz der gleichen Interessenabwägung (gleiches Gewicht aller betroffenen Interessen). Es spielt eine Rolle, in wie starkem Ausmaß Wesen von einer Handlung betroffen sind. Es wird in einer Abstufung hinsichtlich des Bewußtseins unterschieden, inwieweit das Leben von Wesen schützenswert ist:

1) Nichtbewußtes Leben (hat keine Empfindungsfähigkeit, keinen bewußten Willen und daher keine Präferenzen) hat keinen Wert an sich.

2) Bewußtes Leben (hat Empfindungsfähigkeit, wobei insbesondere die zur Erleidung von Schmerz Gewicht hat, indem Schmerz wenn möglich gemieden werden soll) hat einen zu achtenden Wert.

3) Selbstbewußtes Leben (Leben mit einem Bewußtsein seiner selbst) ist fähig zu einer Präferenz zu leben, hat ein Recht auf Leben.

Das selbstbewußtes Leben ist das Leben einer Person. Peter Singer stuft nicht jedes menschliche Leben als das Leben einer Person ein. Eine Person ist ein Lebewesen, das Bewußtsein seiner selbst hat, über Vernunftbegabung/Rationalität verfügt, in die Zukunft gerichtete Wüsche hat, in gewissem Ausmaß autonom ist, empfindungsfähig ist, kommunikationsfähig ist.

Suizid (Selbsttötung)

Peter Singer hält Suizid (Selbsttötung) und auch auf der Grundlage von Freiwilligkeit Sterbehilfe auf Verlangen für ethisch zulässig/erlaubt. Es darf aber nur über das eigene Leben verfügt werden, nicht das Leben andere gefährdet oder andere mit in den Tod gerissen. Es geht um eine wohlerwogene Entscheidung entsprechend den eigenen Präferenzen. Wenn ein dauerhaftes Leben mit schlimmen Schmerzen, mit entwürdigenden Umständen bevorsteht, es kein Gegenwicht an Freude gibt, kann die Präferenz sein, nicht weiterleben zu wollen.

Abtreibung

Normalerweise haben Eltern einen Wunsch nach Leben ihrer Kinder.

In den ersten Wochen hat der Embryo/der Fötus noch kein Bewußtsein. Eine Abtreibung ist nach Auffassung von Peter Singer ethisch nicht bedenklich, wenn dies die klare Präferenz der Schwangeren ist (wobei die Präferenz des Vaters/Erzeugers und eventuell weiterer Personen zu berücksichtigen sind, aber deutlich geringeres Gewicht haben).

Sobald der Fötus Bewußtsein hat, gibt es bei ihm einen zu achtenden Wert, aber die Präferenz der Schwangeren überwiegt deutlich, wenn nicht irgendwelche besonderen Umstände vorliegen. Die Abtreibung sollte für den Fötus möglichst schmerzfrei sein. Peter Singer denkt vor allem an Fälle, in denen die Diagnose einer schweren Behinderung besteht.

Auch ein neugeborenes Kund hält Peter Singer in seiner ersten Zeit für noch keine Person. Die Tötung eines das mit einer äußerst schweren Behinderung zur Welt kommt, hält Peter Singer für nicht moralisch gleichbedeutend mit der Tötung einer Person. Seiner Meinung nach ist sie sehr oft überhaupt kein Unrecht. Peter Singer gibt allgemein der Potentialität (ein Embryo/der Fötus ist der Möglichkeit nach eine Person, indem das Potential enthalten ist, in einer ablaufenden natürlichen Entwicklung zu einer Person zu werden) keine große ethische Bedeutung.

Insoweit die Frage trotz des mangels an '.' und ',' verständlich ist, lautet die einfache Antwort:

Präferenzutilitarismus hat keine prinzipiellen Einwände gegen Selbstmord und Abtreibung; relevant sind vor allem die von der Entscheidungen betroffenen leidensfähigen Lebewesen, je leidensfähiger umso relevanter, und was in derem Interesse ist.

Da ungeborene - wenigstens bis vielleicht 20.-24. SSW - nicht mal schmerzempfinden haben und ein Bewusstsein wohl erst einige Monate oder Jahre nach Geburt entsteht, ist das ungeborene für den Präferenzutilitarismus für sich komplett irrelevant; relevant sind nur die von der Entscheidung betroffenen, somit nahezu ausschließlich die Schwangere und mit erheblich geringere Bedeutung der Erzeuger. Was in derem Interesse ist, ist dann "richtig".

Insofern die Schwangere in der Lage ist, ihr Interesse zu artikulieren (also sie ist bei Bewusstsein, liegt nicht im Koma, etc.), hat der Präferenzutilitarismus somit überhaupt keine Einwände, wenn sie abtreiben will, da sie ja hauptsächlich betroffen ist, ihr Interesse somit zählt.

Bezüglich Selbstmord ist es ähnlich, sofern der Selbstmörder in der Lage ist, sein Interesse ggf. zu artikulieren (er z.b. also nicht an einer schweren geistigen Störung leidet, die zu einem Mangel an Entscheidungsfähigkeit führt), ist sein Interesse bekannt und wenn dieses eben Selbstmord lautet (und er keine anderen in den Tod reißt und auch niemand erheblich auf ihn angewiesen ist; z.b. Pilot schluckt während Flug tödlichen Pillencocktail; zwar kommt dann der Copilot immer noch gut mit der Landung zu Recht, aber aus Sicht Präferenzutilitarismus wäre es wohl zumutbar, mit dem Selbstmord zu warten, bis man nicht mehr für die Passagiere verantwortlich ist), hat der Präferenzutilitarismus keinerlei Einwände; auch dann nicht, wenn ein vollkommen gesunder aus für andere nicht nachvollziehbaren Gründen seinem Leben ein Ende setzen will.

Anzumerken ist noch, dass die politische strikte Umsetzung des Präferenzutilitarismus (also z.b. ungeborene haben überhaupt keine Rechte) ggf. gegen das Grundgesetz verstoßen könnte und ggf. als verfassungsfeindlich einzustufen wäre.

Wenn schon sollte man Peter Singer in seiner Komplexität selbst lesen und nicht die zusammengerafften Abstracts, die sich da einige zurechtschustern. Schon der Begriff "Selbstmord" ist ein ideologisch-religiöser Fehlgriff. Er entstammt der christlichen Idee, dass Gott Herr unserer selbst sei und nicht man selbst. Wenn man sich selbst gehört, kann man nur dem eigenen Leben ein Ende setzen und ist keinem Gott verantwortlich. Dabei geht es dann allerdings nicht nur um die eigenen Präferenzen: Utilitarismus hat immer auch den Blick auf die Allgemeinheit und da ist neben den eigenen Präferenzen die Verantwortlichkeit ein wichtiger Begriff, der in den verkürzten Singerdarstellungen wohl nicht vorkommt. Das zentrale Problem des Utilitarismus von Anfang an ist, die Spannung auszuloten, die zwischen dem Individuum und dem Individuum als Gemeinschaftwesen existiert. Da geht es um das Austaxieren der jeweiligen Rechte, der Rechte der betroffenen Individuen wie Mutter, Kind, Umgebung und der Rechte der Gemeinschaft. In dieses Rechtegeflecht bezieht ja Singer auch noch Rechte der Tiere ein, was das Geflecht der unterschiedlichen Rechteabwägungen nicht einfacher macht. Präferenzen sind Ausdruck eigener Wunschhaltungen. Rechte dagegen sind die Grenzen, die von der Allgemeinheit dazu gezogen werden, denn nur eine Menschengesellschaft gewährt Rechte und setzt sie durch. Auch in den Begriffen "Präferenzen" und "Rechte" kommt das Spannungsverhältnis zwischen Individuen und Gemeinschaft zum Ausdruck.

Ich glaube, du solltest mehr mit . und , arbeiten. Bzw. mit ?. Dann würde man besser verstehen, was du wissen möchtest. Nur so ne Idee.