Neukiefervögel?

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Man hat früher die rezenten (heute lebenden) Vögel in zwei Gruppen eingeteilt, die man durch den Bau ihres Brustbeins (Sternum) unterschied. Die einen nannte man Flachbrustvögel ("Ratitae") und man zählte zu ihnen die als Laufvögel bekannten Strauße, Emus und Kasuare, Nandus und Kiwis (sowie die ausgestorbenen Moas und Elefantenvögel). Kennzeichnend für die Flachbrustvögel ist, dass ihr Brustbein keinen auffälligen Knochenkamm (Crista sterni, auch als Kiel (Carina) bezeichnet) besitzt. Alle anderen Vögel zählte man zur Verwandtschaftsgruppe der Kielbrustvögel ("Carinatae"). Die Kielbrustvögel besitzen ein Brustbein mit einem ausgeprägten Brustbeinkamm. Der dient ihnen als Ursprung für die kräftigen Flugmuskeln.

Mit den Methoden der Molekularbiologie konnte man die Verwandtschaftsverhältnisse nun auch durch den Vergleich von DNA-Sequenzen ermitteln. Dabei zeigte sich bei den Vögeln, dass die auf der Morphologie begründete Einteilung in Flach- und Kielbrustvögel nicht die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse wiedergibt. Die traditionell zu den Kielbrustvögel gezählten Steißhühner (Tinamiformes) sind nämlich in Wirklichkeit mit den Laufvögeln enger verwandt, wodurch die Gruppe der "Ratitae" ein Paraphylum ist. Paraphyletisch bedeutet, dass eine Verwandtschaftsgruppe nicht alle Nachfahren eines gemeinsamen Vorfahren enthält - in diesem Fall enthalten die flugunfähigen Laufvögel eben nicht die flugfähigen Steißhühner. Weil aber ein Stammbaum die richtigen Verwandtschaftsverhältnisse wiedergeben soll, sind nur solche Verwandtschaftsgruppen zulässig, die monophyletisch sind. Ein Monophylum ist eine Verwandtschaftsgruppe, die erstens einen gemeinsamen Vorfahren hat und zweitens alle seine Nachfahren umfasst.

Man musste die Vögel also aufgrund der DNA-Vergleiche in zwei neue monophyletische Gruppen einteilen, nämlich einerseits die traditionellen Flachbrustvögel inklusive der Steißhühner und andererseits alle anderen Vögel. Es ist aber immer gut, wenn die Monophylie einer Gruppe nicht nur durch genetische Befunde gestützt wird, sondern auch durch sog. abgeleitete oder apomorphe Merkmale morphologisch begründet werden kann. Also hat man auch nach solchen Kennzeichen gesucht.

Heute teilt man die Vögel in die Urkiefervögel (Palaeognathae) und die Neukiefervögel (Neognathae) ein. Die Urkiefervögel umfassen die Laufvögel und Steißhühner. Alle anderen Vogelarten gehören zu den Neukiefervögeln. Die beiden Gruppen unterscheiden sich hauptsächlich durch den Bau des Gaumens, also des Oberkiefers:

  • Urkiefervögel besitzen ein großes Pflugscharbein (Vomer), das fest mit dem Gaumenbein (Palatinum) und dem Flügelbein (Pterygoideum) verbunden ist und quasi eine Einheit bildet. Das Becken besitzt zwischen Darmbein (Ileum) und Sitzbein (Ischium) ein Fenster (Foramen ilioischiadicum). Das Pygostyl (der Knochen, an dem die Schwanzfedern ansetzen) ist im Vergleich zu den Neukiefervögeln reduziert. Die Palaeognathae haben außerdem Längsrillen im Ober- und Unterkiefer, eine oberseits abgeflachte Unterkiefersymphyse und der Maxillarfortsatz des Nasenbeins (Nasale) ist vom Oberkieferbein (Maxillare) getrennt.
  • Neukiefervögel besitzen ein kleines Pflugscharbein und haben zwischen Pflugscharbein und Flügelbein ein Gelenk ausgebildet, wodurch der Oberschnabel beweglich wird - was man insbesondere bei Papageien sehr gut sehen kann. Das Foramen ilioischiadicum ist bei den Neukiefervögeln geschlossen. Das Quadratbein (Quadratum), das den Unterkiefer mit dem Oberkiefer verbindet, hat zwei Gelenkköpfe.
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Das ist halt der Segen und der Fluch der modernen Untersuchungsmethoden. Man kann die wahren Verwandtschaftsverhältnisse erforschen, aber kommt dann auf Gruppen, die vorher kein Mensch kannte. Ich kannte die Neukiefervögel bis eben auch nicht und habe nur die faule Ausrede, dass mein Biostudium 40 Jahre her ist.

Die wahren Verwandtschaftsverhältnisse entsprechen auch nicht immer dem, was man unter Ähnlichkeit versteht. Zwar sind fast alle Vögel der Schwestergruppe Urkiefervögel flugunfähig, aber eben nur fast alle, und die Flugungähigkeit hätte sich ja mehrmals parallel entwickeln können.

Bei Säugetieren ist die Einteilung klarer erkennbar, es gibt eierlegende Säugetiere, Beutelsäuger und "höhere" Säugetiere. Bei den Vögel sind die Neukiefervögel einfach der ganze riesige Rest außer den "Laufvögeln".

"Alle außer" ist natürlich kein gutes Motto für einen Vortrag. Ist so wie ein Vortrag über die Deutschen ohne die Friesen, oder Bayern, such dir was aus. Alle Gruppen der Neukiefervögel durchzugehen ist auch keine gute Idee, dazu sind es zu viele und es wird auch langweilig.

Vielleicht solltest du eher auf das Dilemma eingehen, das ich im ersten Absatz beschrieben habe. Auch als Fachmann stoße ich immer auf Gruppen, die früher keiner kannte, Afrotheria, Euarchontoglires, Scrotifera, die Liste ist endlos.

Kenne mich überhaupt nicht aus, aber vielleicht mit Zusätzen wie Erbgut und Vogelstammbaum suchen.