Meinungen zu "Der Reigen" von Arthur Schnitzler

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Früher mochte ich den "Reigen" sehr, d.h. die geschriebene Version. In den 60er Jahren wurde das Theaterstück verfilmt,- sehr kitschig, seeeeehr dezent,- eben den Ansprüchen der etwas prüderen Generation angepaßt - und das fand ich zu "liebevoll" , zu verkrampft . Dann habe ich vor einigen Jahren eine modernere Inzenierung im Hamburger Thaliatheater gesehen. Und die war mir zu direkt - zu sehr "nur" auf Körperkontakt aufgebaut,- und wieder war ich enttäuscht. Nicht entsetzt - dazu bin ich zu erwachsen. Aber es wurde der Phantasie fast überhaupt nichts mehr überlassen - und das ist mir zu sehr das Körperliche betonend. Mit anderen Worten; lies den Reigen so, wie Schnitzler ihn geschrieben hat. In Deinem Kopf oder Deiner Phantasie wird sich dann das abspielen , was Schnitzler durchaus gemeint hat - aber das hat sehr viel mit verletzten Seelen zu tun - und nur wenig mit reinen Körperaktionen.

Was die Leute damals in ihren Moralvorstellungen zutiefst verletzte, waren nicht so sehr die Dialoge sondern das Ausschalten des Lichtes zwischen den Akten.

Vergleiche die Fahrt in der verdunkten Kutsche in Flauberts "Madame Bovary". Auch da verdammten die Leser einen Geschlechtsakt, der niergends benannt oder beschrieben wird, sondern sich nur in ihren frustrierten Köpfen abspielte.

Ich liebe Schnitzler, dass man heute mit solchen Stücken, über die sich nur noch krankhafte Klemmis aufregen, nicht mehr viel anfangen kann, ist verständlich. Man muss sich eben darin trainieren, sich über die Inhalte hinaus an Stil, Strukturen und Wortwahl zu erfreuen.

Wir finden ja auch vieles, was wir auf alten Gemälden sehen, heute nicht mehr zeitgemäß, und trotzdem können wir den Malstil, die Bildaufteilung und die Farben gut finden. 

Ich liebe Schnitzler, kann jedoch mit "Reigen" und der "Traumnovelle" leider rein gar nichts anfangen. Dafür mit seinen Novellen.