Kann mir jemand ein/das Zitat erklären?

3 Antworten

Das Zitat ist bei Novalis (Friedrich von Hardenberg), Das allgemeine Brouillon (Materialien zur Enzyklopädistik), 1798/99 die Aufzeichnung Nr. 857:

„Die Philosophie ist eigentlich Heimweh - Trieb überall zu Hause zu seyn.“

Zum Verständnis ist es nötig, sich seine Auffassungen über die Lage des Menschen in der Welt/Wirklichkeit und über das Wesen und die Leistung der Philosophie klarzumachen.

Der Mensch ist nicht selbstverständlich in der Welt/Wirklichkeit beheimatet, einfach in ihr ruhend, in völliger Harmonie, ganz an ein Ziel gekommen, zu einer restlosen Erkenntnis eines Grundes (eines Gesamtzusammenhanges) gelangt, sondern es gibt eine Erfahrung von Verlorenheit, Verlust, Fremdheit, Entfremdung, Empfindung von Entwurzelung, Mangel an Vereinigung und Zugehörigkeit.

Philosophie ist von einem Bedürfnis angetrieben, in Einklang mit der Welt/Wirklichkeit bei sich zu sein. Philosophieren ist ein Streben nach Erkenntnis des Grundes und einer Vereinigung.

Heimat bedeutet eine vertraute, geordnete Welt, Geborgenheit und Orientierung. Novalis denkt aber nicht nur an einen kleinen, überschaubaren Teilbereich der Welt/Wirklichkeit. Bei ihm werden Heimweh und Sehnsucht nach der Ferne verbunden, indem ein Gefühl der Einheit Übereinstimmung und Zugehörigkeit im Ganzen, an jeder Stelle angestrebt wird.

Zum einen ist Sehnen/Sehnsucht ein Leitmotiv der Romantik.

Zum anderen gibt es den magischen Idealismus, einen philosophischen Ansatz, den Novalis vertritt, angeregt vor allem durch die Transzendentalphilosophie Immanuel Kants und den von diesem Ausgangspunkt fortdenkenden Deutschen Idealismus (Johann Gottlieb Fichte ist für ihn dabei besonders wichtig). Der magische Idealismus besteht darin, Gedanken mittelbar vernehmbar/zu äußeren Dingen machen zu können und äußere Dinge in Gedanken verwandeln zu können. Die Verwandlung ist Teil einer Experimentalmethode, in der die Dinge den Regeln der Einbildungskraft unterworfen werden. Das Denken nimmt das Selbstdenken des Gegenstandes vorweg und bringt die Gegenstände gleichsam zum Sprechen. Der Rahmen ist ein „thätiger Empirismus“, in dem Idealismus und Realismus vereinigt sind. In einer mit sich selbst vermittelnden Reflexion sind Subjekt, Mittel und Gegenstand des Experimentierens austauschbare Momente geworden. Jede Wissenschaft und jeder einzelne Gegenstand ist als Werkzeug und Experimentalstoff zugleich zu behandeln. Eine Perspektive ist eine vollständige Versöhnung von Natur und Kunst (auch das Künstliche, technisch Hergestellte einschließend), Wenn unsere Intelligenz und unsere Welt harmonierten, seien wir Gott gleich. Dabei handelt es sich um ein Ideal, das orientierende Funktion hat.

Philosophie ist gleichsam ein erster Schritt zum Gewinnen einer höheren Sphäre. Ein transzendentales Selbst umfaßt Leben und Tod, Außen- und Innenwelt, Selbstgefühl und Gedanke, Sein und Nicht-Sein und verknüpft es in einer dialektischen Einheit oder einem Schweben der Einbildungskraft, die Totalität (Ganzheit) herstellt.

Marianne Beese, Novalis : Leben und Werk. Rostock : Neuer Hochschulschriftenverlag, 2000, S. 152:
„Beim Wirken des Geistes unterscheidet Hardenberg analytisches und synthetisches Bestreben. Das synthetische sei die Centripetalkraft, das analytische die Centrifugalkraft. Dominierend sei die Centripetalkraft. Licht (das absolut Flüssige) und Wärme (das absolut Starre) werden als polare Kräfte bestimmt, wobei das Licht in Novalis' Verständnis die Verbindung schaffende Kraft im Weltall ist. Überall nach Einigendem suchend, war Hardenberg auch Philosophieren Heimweh, Trieb, überall zu Hause zu sein.“

Reflexion ist Selbstdurchdringung des Geistes. Reflexion stellt eine ursprüngliche Identität in Trennungen verkehrt dar. Wenn die Reflexion sich selbst reflektiert, kann sie (wie ein zweiter Spiegel in einer Art Spiegelkabinett) die Verkehrung aufheben. Wenn das Gefühl den Stoff der Reflexion – das Sein—gibt und die Reflexion die Form, entfaltete sich die Philosophie als gedachter Zusammenhang von Denken und Fühlen. Beim Urteilen wechseln bezogen auf das Ich Subjekt (reflektierendes Ich) und Objekt (gefühltes Ichsein) ständig und unabschließbar.

Das unaufhörliche, unendliche Wechseln zeigt ein Streben, das Unbedingte zu suchen. Der endliche menschliche Verstand kann dies aber niemals vollständig erreichen. Ein gedachter systematischer Zusammenhang ist nur zu erreichen, indem in freiwilliger Entsagung auf das Absolute verzichtet und an dessen Stelle ein Totalisieren („Verganzung“) durch Synthese und Wechselbestimmung gesetzt wird.

Ein System der Philosophie soll ein System der mannigfachsten Einheit, unendlicher Erweiterung und Kompaß der Freiheit sein.

Albrecht  14.09.2013, 07:22

Eine zentrale Stelle zur Philosophie steht bei Novalis, Fichte-Studien (1795/1796), Nr. 566:
„Filosofiren muß eine eigne Art Denken seyn. Was thu ich, indem ich filosofire? Ich denke über einen Grund nach. Dem Filosofiren liegt also ein Streben nach dem Denken eines Grundes zu Grunde. Grund ist aber nicht Ursache im allgemeinen Sinn – sondern innre Beschaffenheit – Zusammenhang mit dem ganzen. Alles Filosofiren muß also bey einem absoluten Grunde endigen. Wenn nun dieser nicht gegeben wäre, wenn dieser Begriff eine Unmöglichkeit enthielte so wäre der Trieb zu Filosophiren eine unendliche Thätigkeit – und darum ohne Ende, weil ein ewiges Bedürfniß nach einem absoluten Grunde vorhanden wäre, das doch nur relativ gestillt werden könnte – und darum nie aufhören würde. Durch das freywillige Entsagen des Absoluten entsteht die unendlich freye Thätigkeit in uns – das Einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden kann und was wir nur durch unsre Unvermögenheit ein Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebne Absolute läßt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, daß durch kein Handeln erreicht wird, was wir suchen.

Dis ließe sich ein absolutes Postulat nennen. Alles Suchen nach Einem Princip wär also wie ein Versuch die Quadratur des Zirkels zu finden./Perpetuum mobile. Stein der Weisen./(Negative Erkenntniß/(Die Vernunft wäre das Vermögen einen absoluten Gegenstand zu setzen und festzuhalten. (Der durch die Einbildungskraft ausgedehnte Verstand/ Streben nach Freyheit wäre also jenes Streben zu filosofiren, der Trieb nach der Erkenntniß des Grundes. Filosofie, Resultat des Filosofirens, entsteht demnach durch Unterbrechung des Triebes nach Erkenntniß des Grundes – durch Stillstehen bey dem Gliede, wo man ist –Abstraction von dem absoluten Grunde und Geltendmachen des eigentlichen absoluten Grundes der Freyheit durch Verknüpfung (Verganzung) des Zu Erklärenden / zu einem Ganzen. Je mannichfaltiger die Glieder dieses Ganzen sind desto lebhafter wird die absolute Freyheit empfunden – je verknüpfter, je Ganzer es ist, je wircksamer, anschaulicher, erklärter, ist der absolute Grund des Begründens, die Freyheit, darin. Die Mannichfaltigkeit bezeugt die Energie, die Lebhaftigkeit der practischen Freyheit – die Verknüpfung - die Thätigkeit der theoretischen Freyheit. Die Erste begreift - Handlungen - die Andere – Behandlungen. – Hierunter verstehe ich die Handlungen der eigentlichen Reflexion, die auf bloße Denkhandlungen gehen. (Reflexion ist nicht alles Denken, sondern behandeltes, bedachtes Denken Ich bedeutet jenes negativ zu erkennende Absolute – was nach aller Abstraction übrig bleibt –Was nur durch Handeln erkannt werden kann und was sich durch ewigen Mangel realisirt./ So wird Ewigkeit d[urch] Zeit realisiert, ohnerachtet Zeit d[er] Ewigkeit widerspricht./ Ich wird nur im Entgegengesezten wircksam und bestimmt für sich./ Indem ich frage: was ist das? So fodre ich die Entäußerung des Dinges an sich – ich will wissen - was es ist? Das weiß ich ja schon, daß es das Ding ist, aber was für ein Ding? Dis will ich wissen - und hier tret ich in die Sfäre des Subjectiven.

/Die Anschauung find ich nie, weil ich sie bey der Reflexion suchen muß und so umgekehrt.“

eine zusammenfassende Darstellung zu Friedrich von Hardenberg (Novalis) als Philosophen:

Walter Jaeschke/Andreas Arndt, Die Philosophie der Neuzeit 3. Teil 2: Klassische Deutsche Philosophie von Fichte bis Hegel. München : Beck, 2013 (Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von Wolfgang Röd ; Band 9, 2), S. 100 - 110

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Denke mal damit will er zum Ausdruck bringen, dass wir Menschen uns mit Philosophie das "Unbekannte/Unbewusste" näher bringen, es durchleuchten so dass es uns vertraut scheint. Vertraut mit, zu Hause gleichgesetzt...
Das nehme ich so aus dem Zitat heraus.

mfg Particle

Ich denke, dass das Zitat die Bedeutung hat, dass man mit der Philosophie nach dem Ursprung sucht, da man unsere jetzige Welt nicht als die eigentliche, reale existieren kann, sondern etwas höheres sieht.