Kann man seine Gastmutter als Au pair um eine Umarmung bitten?
Ich bin jetzt schon seit drei Monaten hier als Au pair. Rein von der Arbeit her läuft es super und ich habe eine richtig gute Routine mit den Kids gefunden. Auch mit der finnischen Sprache bin ich inzwischen recht gut geworden und kann eigentlich immer kommunizieren, was ich möchte.
Das einzige worauf ich nicht vorbereitet war, ist, wie einsam man als Au pair ist. Ich hatte eigentlich extra mein Jahr hier mit einer Agentur geplant, weil dort unter anderem Treffen mit anderen Au pairs angeboten werden sollten. Nun hat sich also rausgestellt, das die Verknüpfung mit anderen Au pairs eine Facebook Gruppe ist und ich die erste seit drei Jahren bin, die dort neu eingetreten ist.
Ich habe schon so viel versucht, um Leute in meinem Alter kennen zu lernen. Von Saunagängen, Klavier spielen in der Bibliothek, einem Sprachkurs, einem Schreibclub… nichts hat geklappt. Es sind immer nur Leute die mindestens fünfundzwanzig Jahre alt sind. (Sport darf ich aufgrund eines grade heilenden Kreuzbandrisses noch nicht machen) Ich wollte in einen Chor, habe sechs Jugendchöre angeschrieben und von allen gehört, dass sie erst im nächsten Jahr wieder Leute aufnehmen. Ich bin langsam echt ratlos. An der Uni darf ich nichts machen, weil ich keine. Studentin bin :(
Das was mir am meisten fehlt, ist dass mich jemand einfach mal in den Arm nimmt. Und das Gefühl, dass ich jemanden wichtig bin. Ich hab seit jetzt schon drei Monaten, keinen Menschen persönlich gesehen, dem ich wichtig bin, der mich lieb hat oder merkt, wenn es mir nicht gut geht. Ganz zu schweigen, dass jegliche körperliche Nähe fehlt. Ich fühle mich unfassbar einsam und kriege dadurch jetzt, grade auch vor Weihnachten, wirklich Heimweh. Und das obwohl ich das Leben hier eigentlich ansonsten sehr gerne mag und genieße.
Ich glaube einfach in den Arm genommen zu werden würde mir so sehr helfen, mich mehr zu Hause zu fühlen. Deshalb meine Frage: Meint ihr ich kann meine Gastmutter fragen, ob sie mich mal in den Arm nehmen kann, weil ich meine Familie so sehr vermisse? Oder ist das dem Verhältnis nicht angemessen. Sie ist auch meine Chefin, andererseits betonen sie aber auch immer wieder ich bin ein Teil der Familie. Was denkt ihr?
PS: Weitere Ideen wie ich hie ein Turku Leute finde, sind auch willkommen.
3 Antworten
Du darfst sie natürlich auf jeden Fall fragen. Ein Au-Pair ist ja (idealerweise) tatsächlich kein „reines“ Arbeitsverhältnis, und ich hoffe / denke, dass die meisten Arbeitgeber von Au-Pairs auch wissen / verstehen, dass ein ein Zwanzigjähriger zwar erwachsen ist, aber eben auch erst seit kurzem, und deshalb hier und da vielleicht selbst wirklich auch noch etwas Hilfestellung braucht, zumal es ja auch ein anderes Land ist. Vielleicht macht deine Gastmutter es also auch. Aber natürlich hat sie andererseits auch das Recht, es nicht zu wollen, wenn es schlicht nicht ihre Mentalität ist. Und ob es dir hilft, wenn sie es dir zuliebe dann nur halbherzig tut beispielsweise…. Trotzdem würde ich dir aber auf jeden Fall empfehlen, das Gespräch mit ihr zu suchen und ihr alles zu sagen, was du in der Frage auch geschrieben hast. Umarmen hin oder her, aber zumindest Zuhören kann sie ja (das hilft manchmal schon) und vielleicht hat sie ja auch einen Tipp, wo man „landestypisch“ nach Gleichaltrigen suchen kann.
Das mit dem Problem der Einsamkeit bzw. Problem, Freunde zu finden, ist meiner Meinung nach länderübergreifend so ein „Ding“ des Erwachsenseins. In der Kindheit und Jugend geht man halt zur Schule und verbringt einen großen Teil der Zeit mit Klassenkameraden, zu denen man kein Abhängigkeits- oder Konkurrenzverhältnis hat, weshalb man sich mit ihnen gut anfreunden kann, wenn auch nur halbwegs die Chemie stimmt. Als Erwachsener verbringt man einen großen Teil des Tages mit dem Arbeitgeber und Kollegen und ggf. Kunden, und zu allen steht man in einem (gegenseitigen) Abhängigkeitsverhältnis und das macht eine „private“ Verbindung etwas kompliziert, selbst wenn die Chemie stimmt. Und außerhalb der Arbeitszeit fehlt einem eben mitunter auch einfach die Energie oder Zeit für noch irgendwelche Aktivitäten. Und ganz besonders Au-Pair ist man da insofern in einer speziellen Situation, als dass die Gleichaltrigen in dem Gastland selbst gerade entweder in Ausbildung oder Studium sind (und eben dort viel Zeit verbringen und einen Freundeskreis aufbauen), oder eben selbst gerade im Ausland sind.
Ok, nun hast du aber ja schon einiges probiert. Was ist denn zum Beispiel an 25-Jährigen schlimm? 😅 Wenn du auch eine Umarmung deiner Gastmutter nehmen würdest, die bestimmt deutlich älter als 25 ist, dann sollte doch auch eine Freundschaft mit 25-Jährigen möglich sein.
Was du noch versuchen könntest wäre Tandem, wofür du ja trotzdem die Aushänge in der Uni nutzen könntest. Bestimmt will der eine oder andere Erstsemestler jetzt gerade Deutsch lernen.
Nur, das andere Problem ist denke ich auch einfach die grundsätzliche finnische Mentalität, die eben ein wenig „eigenbrötlerisch“ und „abweisend“ wirken kann. Ich hatte in meinen Mittzwanzigern mal eine Finnin in einem Tanzkurz. Sie war nicht unsozial oder so, aber besonders outgoing war sie eben auch nicht. Lange Zeit waren wir halt nur „so irgendwie“ zusammen im Kurs, und erst als wir mal zusammen eine Tanzshow machen wollten, kamen wir dann Stück für Stück ins Gespräch.
Ja, klar theoretisch kann man natürlich auch mit einer oder einem fünfundzwanzigjährigen befreundet sein. Ich bin halt erst 19 und stehe nach meinem Abi an einem Punkt im Leben, der sich sehr krass von den zwei drei Leuten unterscheiden hat, die ich in dem Alter getroffen habe. Die waren eben schon berufstätig und irgendwie gab es da nicht viele Überschneidungen bei gemeinsamen Themen. Versucht habe ich es, dass kannst du mir glauben :)
Also tatsächlich habe ich die finn:innen bis jetzt als extrem offen wahrgenommen. Es wird sich viel auf der Straße zugelächelt und tatsächlich unterhalten sich wildfremde Menschen an den unmöglichsten Orten. Zum Beispiel im Wartezimmer des Busunternehmens, im Supermarkt, in der Sauna, auf dem Weihnachtsmarkt. Immer wieder wird sich einfach gegenseitig angesprochen, vor allem von älteren Leuten. Das hat mich total überrascht, aber ich würde fast sagen es ist wie in Deutschland, nur dass die Menschen nicht permanent im Stress sind und in der Regel gute Laune haben. Eigentlich finde ich die Leute hier recht outgoing
Aber die Idee mit dem Tandem ist nett danke
Finde ich absolut legitim und völlig in Ordnung!
AuPairs sind sehr junge Menschen, die eine doch recht lange Zeit oft zum ersten Mal weit weg von zu Hause leben. In einer Familie, eng eingebunden in das Familienleben. Wenn dort die Familie das als klassisches, völlig normales Arbeitsverhältnis betrachtet, macht die was falsch.
Ach, und übrigens - sogar meine Chefin in so einem stinknormalen Arbeitsverhältnis umarmt uns, wenn es uns gerade mal nicht gut geht! Zuletzt zum Beispiel, nachdem wir unsere Katze einschläfern lassen mussten und ich somit ziemlich traurig war (bzw. immer noch bin...). Selbst in so einem ganz normalen Arbeitsverhältnis sind wir am Ende des Tages ja doch alle nur Menschen, oder?
Danke das war lieb gesagt und tut mir leid mit deiner Katze
Da eure Beziehung zueinander vertraut und respektvoll zu sein scheint, könnte ein einfacher Satz wie: „Könnte ich dich um eine Umarmung bitten?“ ausreichen.
Ja, ich wünschte es würde sich immer so einfach anfühlen wie es klingt. Aber ich werde es einfach angehen. Das schlimmste was passieren kann, ist dass sie nein sagt.