Kann mal jemand Entropie einfach erklären?

7 Antworten

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Entropie ist einer der abstraktesten Begriffe, die es in der Physik gibt, und daher gar nicht mal so einfach zu erklären. Entropie kann man nicht anfassen, sehen oder direkt messen. Auch viele Physiker, Chemiker und auch Physiklehrer haben mit diesem Begriff größte Schwierigkeiten und können kaum erklären, was Entropie eigentlich sein soll. Selbst bekannte Physiker wie Einstein oder Hawking hatten damit so ihre Probleme und teils sogar bezweifelt, ob es Entropie wirklich gibt oder ob das nicht bloß ein künstlicher menschgemachter Begriff sei. Inzwischen ist aber nachgewiesen, dass Entropie tatsächlich existiert und einen naturgesetzlichen Charakter hat. Insofern darfst du dich nicht ärgern, wenn auch du damit Schwierigkeiten hast, mit dem Begriff „Entropie“ etwas sinnvolles zu verbinden oder sie gar wirklich zu verstehen. Die diversen Zitate aus Lexikas dürften dir da auch kaum weiterhelfen. Daher versuche ich es mal etwas anders, Entropie zu erklären.

Was dir bekannt sein dürfte ist der Energieerhaltungssatz (1. Hauptsatz der Thermodynamik). Dieser Energieerhaltungssatz macht aber nur Aussagen über die Energiemenge.

Nun hat man aber im Laufe der Zeit festgestellt, dass Energie nicht nur nach ihrer Menge beurteilt werden kann, sondern dass Energie auch eine Qualität besitzt. Die Qualität der Energie bemisst sich danach, wie leicht man sie in andere Energieformen umwandeln kann. Die höchste Qualität besitzt dabei die Gravitationsenergie. Sie lässt sich mit Abstand am allerleichtesten in eine andere Energieform umwandeln, z.B. in kinetische Energie. Dazu braucht man einen Gegenstand nur loszulassen und er fällt von alleine nach unten, nimmt also Geschwindigkeit auf. Die geringste Qualität hat Wärmeenergie bei Umgebungstemperatur. So besitzt die Luft der Atmosphäre durch ihre Temperatur jede Menge innere Energie, aber mit dieser Energie z.B. eine Maschine zu betreiben oder einen Körper zu beschleunigen, ist praktisch unmöglich. Um die Qualität der Energie zu beschreiben, wurde der Begriff der Entropie eingeführt. Die Qualität der Energie bemisst sich also nach ihrer Umwandelbarkeit oder anders gesagt, nach ihrer Arbeitsfähigkeit. Denn das ist das wesentliche Merkmal von Energie: sie kann Arbeit leisten. Das kann sie aber nur solange, wie ihre Entropie gering ist.

Jetzt kommt noch eine Schwierigkeit beim Verständnis dazu, weil man sozusagen falschrum denken muss. Umso höher die Entropie, umso höher ist nicht die Qualität der Energie, sondern es ist genau umgekehrt. Je mieser die Qualität, umso höher ist die Entropie. Insofern kann man sich Entropie eher als ein Maß für „Energieabfall“ vorstellen, weil man mit Abfall nichts mehr anfangen kann.

Will das mal an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn du irgendwo ein Kilo Äpfel kaufst, reicht nicht nur die Kenntnis der Menge, also 1 kg, denn musst du entsprechend der Qualität dieser Äpfel unterschiedliche Preise bezahlen.

Die teuersten Äpfel haben Handelsklasse A. Sie besitzen noch keine Entropie. Die sind makellos und die kann man unbeschränkt in andere Apfelprodukte umwandeln, sei es ein Apfel zum essen, in Apfelkuchen, Apfelsaft oder was immer du willst.

Äpfel der Handelsklasse B haben schon kleine Qualitätsmängel. Die bietet man nicht mehr unbedingt auf einer Obstschale zum Essen an, aber Apfelkuchen oder Apfelsaft kann man noch gut daraus machen.

Billig sind sogenannte Saftäpfel. Die kommen gar nicht mehr in den Handel, sondern werden nur noch zu Apfelsaft gemacht.

Die schlechteste Qualität haben völlig verfaulte Äpfel, denn aus denen kann man gar nichts mehr machen. Diese verfaulten Äpfel haben damit die maximale Entropie, sie bestehen nur noch aus Abfall.

Nun sagt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik aus, dass in einem geschlossenen System die Entropie immer nur zunehmen, aber niemals abnehmen kann. Dieser Grundsatz gilt im gesamten Universum sowohl für die Energie als auch für die Äpfel.

Wenn du eine Kiste mit Äpfeln der Handelsklasse A hast, musst du nichts tun, damit die Entropie zunimmt. Die Äpfel faulen im Laufe der Zeit ganz von alleine. Es ist aber noch niemals beobachtet worden, dass aus einer Kiste mit fauligen Äpfeln im Laufe der Zeit von alleine Äpfel der Handelsklasse A wurden.

Energie verfault nicht, da spricht man von Entwertung oder Dissipation. Alle Energie strebt danach, entwertet zu werten und das geht auch von alleine. Alle Energie strebt dazu, sich letztlich in Wärme umzuwandeln. Bei allen praktischen Prozessen, bei denen Energie umgewandelt wird, entsteht meistens durch Reibung auch Abwärme, mit der man nichts mehr anfangen kann. In dieser Abwärme steckt die entstandenen Entropie. Diese Abwärme verringert immer auch den Anteil der Energie, der umwandelbar bzw. arbeitsfähig bleibt.

Um die Entropie in einem geschlossenen System zu verringern, also die Qualität anzuheben, muss immer Energie zugeführt werden, von alleine passiert das niemals. Hättest du also eine Kiste mit Äpfeln der mittleren Entropie, sprich die sind nur halbe verfault, könntest du Energie aufwenden, indem du überall das faulige wegschneidest und wegwirfst und aus dem Rest könntest du immerhin noch Saft machen. Genauso wäre das auch mit Energie. Um die Entropie in einem geschlossenen System zu verringern, musst du von außen hochwertige Energie zuführen. Der Energieabfall, also die Entropie, würde dann in der Umwelt landen und deren Entropie entsprechend erhöhen.

Häufig wird Entropie zu Beginn des Unterrichtes auch als ein Maß für die Unordnung bezeichnet. Bei geschlossenen Systemen ist das auch noch in Ordnung, bei komplexen Systemen führt diese Vorstellung aber in die irre. Hohe Ordnung bedeutet dabei hohe Qualität, also niedrige Entropie, während eine maximale Unordnung eine niedrige Qualität also maximale Entropie bedeutet.

Meist wird als Vergleich ein Zimmer angeführt. Ein frisch renoviertes, neu eingerichtetes, sauberes und aufgeräumtes Zimmer hat die höchste Wohnqualität, also die minimale Entropie. Wohnt man darin und macht ansonsten nichts, nimmt die Unordnung, die Verschmutzung, die Vermüllung konstant zu. Die Wohnqualität wird immer geringer, die Entropie nimmt ständig und ganz von alleine zu. Nur wenn man Energie aufwendet, kann man die Entropie wieder verringern. Dazu muss man putzen und aufräumen und den Schmutz und Abfall aus dem Zimmer hinausbefördern.

So könnte z.B. deine Mutter sagen: "Jetzt räume endlich mal dein Zimmer auf", während dein Vater, wenn er Physiker ist, zu dir sagen könnte: "Du solltest mal wieder die Entropie deines Zimmers verringern."

Zusammenfassung:

Entropie ist ein Maß für die Qualität von Energie. Je höher die Entropie, umso mehr wurde die Energie bereits Richtung Abwärme entwertet und umso geringer ist ihre Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Alle Energie im Universum hat das natürliche Bestreben, sich entwerten zu wollen sprich.

Bis zum Antritt eines Thermodynamikstudiums übersetzt man Entropie mit Unordnung - im Studium wird es dann ein klein wenig komplizierter.

Entropie ist ein schwieriger Begriff. Etwa so:

Die Entropie eines Makrozustands wird dabei durch die Wahrscheinlichkeiten der Mikrozustände berechnet. "Makrozustand" ist das, was du von einem Zustand siehst (Volumen, Dichte, Temperatur, ...). "Mikrozustand" ist der Zustand in allen Details: Wo sind die Atome? Wie schnell sind sie?

Ein Makrozustand hoher Entropie kann durch mehr verschiedene Mikrozustände verwirklicht werden. Deshalb passiert es im Lauf der Zeit normalerweise, dass die Entropie zunimmt.

Ich habe mir angwöhnt Entropie als Maß der statistischen Unbestimmtheit eines Systems zu betrachten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium technische Physik, promoviert in Festkörperphysik
Hamburger02  27.02.2020, 22:44

Boltzmann und Gibbs lassen grüßen.

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michiwien22  27.02.2020, 22:50
@Hamburger02

>...lassen grüßen.

Vor allem auch mein damaliger Dozent in statistischer Physik, der uns das so eingetrichtert hat, dass ich es 35 Jahre danach noch weiß. Wir haben da alle möglichen Ensembles (mikrokanonisch, makrokanonisch durchgerechnet) und die Entropie unter diversen Nebenbedingungen maximiert. Das ist für immer hängengeblieben ;-)

Kommt diese Sicht von Boltzmann? Dass es nicht von mir stammt, war wohl klar...

Dass die Sicht möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist, damit kann ich leben.

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Hamburger02  27.02.2020, 23:03
@michiwien22

Ja, Gibbs hat praktisch die statistische Mechanik erfunden und darauf basierend hat Boltzman dann die statistische Themrodynamik begründet.

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michiwien22  27.02.2020, 23:13
@Hamburger02

Ganz verstanden hab ich Thermodynamik ehrlich gesagt nie. Wir haben in der Vorlesung einfach stillschweigend postuliert, dass der Grad der Unbestimmheit im Gleichgewicht ein Maximum unter Nebenbedingungen annimmt. Daraus kann man im Grunde alle thermodynamischen Gesetze (vom idealen Gasgesetz bis hin zur Hohlraumstrahlung) herleiten - und das fand ich damals schon extrem überraschend.

Bis heute versteh ich aber nicht, ob diese Annahme nun ein Naturgesetz ist, oder aus etwas folgt, das eher der Mathematik/Stochastik zuzuordnen ist. Heute weiß ich auch, dass dieser Weg möglicherweise nicht mehr ganz zeitgemäß ist, aber man kann ja nicht alles wissen...Jedenfalls hat dieses "Naturgesetz" einen etwas unphysikalischen Touch - da es sich nicht auf die Eigenschaften der Komponenten reduzieren lässt, sondern irgendwie "darübersteht", sobald man nur genügend viele Freiheitsgrade hat. Das fand ich immer schon merkwürdig: Es handelt sich weder um eien Eigenschaft von Zeit und Raum, noch von Teilchen, sondern um eine neue Eigenschaft - aber wovon?

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Hamburger02  28.02.2020, 09:35
@michiwien22
Ganz verstanden hab ich Thermodynamik ehrlich gesagt nie.

Was ja selbst für Physiker keine Schande darstellt. Mit der TD tun sich viele schwer. Mit der statistischen Thermodynamik kennne ich mich selber nicht gut aus, da ich ausschließlich die makroskopische bzw. phänomenlogische Thermodynamik studiert habe und da hieß es in den Vorlesungen, Boltzmann habe zwar auf der mikroskopischen Ebene die makroskopische TD theoretisch untermauert, aber näheres müssten wir nicht wissen, da das für die Anwendung keine Rolle spielt. Im Prinzip spielt die statistische TD nur für Chemiker und Physikochemiker eine Rolle.

Daraus kann man im Grunde alle thermodynamischen Gesetze (vom idealen Gasgesetz bis hin zur Hohlraumstrahlung) herleiten - und das fand ich damals schon extrem überraschend.

Das unter bestimmten Bedingungen. Die wären, dass sich das System im thenromdynamischen Gleichgewicht befindet, statisch und geschlossen ist und dass das Boltzmannsche Ordnungsprinzip gilt. Das Boltzmannsche Ordnungsprinzip sagt aus, dass sich alle Abweichungen vom statistischen Mittelwert gegenseitig ausgleichen, wenn nur genügend Teilchen vorhanden sind. Diese Grenze wird allgemein ab 1 mol Stoff angenommen. Aber ansonsten überrascht es auch mich, dass das funktioniert, was ja offensichtlich der Fall ist. Boltzmann zähle ich sowieso zu den größten Denker des vergangenen Jahrhunderts, der seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war und den sogar Einstein an einigen Stellen nicht verstanden und angegriffen hat. Erst in den 1970er Jahren stellte sich dann heraus, dass Boltzmann doch recht hatte. Nur nebenbei, ers chrieb schon Anfangs des 20. Jahrhunderts in seinen populären Schriften und wurde dafür von Kollegen als Spinner gemobbt:
"Ich halte führ wahrscheinlich, daß auf dem Mars Meere, Festlande, Schnee existieren, sogar, daß um andere Fixsterne sich Planeten ähnlich der Erde drehen, daß unter denselben wohl noch der eine oder andere mit Lebewesen, die uns ähnlich, aber auch in manchem von uns verschieden sind, bevölkert ist."

Bis heute versteh ich aber nicht, ob diese Annahme nun ein Naturgesetz

Das war z.B. so ein Punkt, wo Boltzmann mit seinen Kollegen incl. Einstein mächtig aneinandergeraten ist. Boltzmann behauptet schon damals, dass seine Herleitungen und damit auch die Entropie einen naturgesetzlichen Charakter habe und daraus zwangsläufig folgen würde, dass der damals gepfllegte Determinismus und Reduktionismus auch nicht der Weisheit letzter Schluss sei und letztlich das ganz Universum einem festen Zeitpfeil unterworfen und irreduzibel sei. Um nicht aus dem gesamten Wissenschaftsgebiet wegen seiner "Spinnereien" ausgeschlossen zu werden, ließ er sich dann auf den Formelkompromiss ein, die Entropie sei "ledigllich eine Erfahrungstatsache, die der Grobkörnigkeit des Universums geschuldet sei", also lediglich ein Maß für Unwissen darstellen würde. Unter seinen Kollegen galt Boltzman sowieso als nicht ganz dicht und eines Professors unwürdig, da er z.B. regelmäßig mit seinen Studenten zusammen zu Sauftouren um die Häuser zog und sich ständig über den gesamten akademischen Betrieb lustig machte.

So schrieb er z.B. über eine internationale Konferenz, die eine Enzyklopädie der Physik erstellen sollte, zunächst zu seiner Anreise:
"Im Restaurant des Nordwestbahnhofs verzehrte ich noch in aller Gemütlichkeit Jungschweinsbraten mit Kraut und Erdäpfeln und trank einige Gläser Bier dazu. Mein Zahlengedächtnis, sonst erträglich fix, behält die Zahl der Biergläser stets schlecht."

und dann zur Auswahl der Autoren:
"Da gilt es für jedes Spezialgebiet unter allen Nationen des Erdballs denjenigen herauszufinden, der es am besten beherrscht. In der Tat arbeiten Deutsche und Franzosen, Russen und Japaner in Eintracht mit. Der Auserwählte ist nun oft ein großer Herr, der genug Geld und wenig Zeit, vielleicht auch nicht so viel Arbeitslust, aber desto mehr Eigensinn hat. Er muß erstens bewogen werden, daß er einen Beitrag verspricht, dann belehrt und mit allen Mitteln der Überredungskunst dazu vermocht werden, daß er den Beitrag so abfaßt, wie er in den Rahmen des Ganzen paßt und last but not least, daß er sein Versprechen auch rechtzeitig hält."

Oh je, ich komme ins Schwafeln....

Seis drum, jedenfalls nahm sich Boltzmann dann aus einer Kombination von gesundheitlichen Problemen, den fortgesetzten Aversionen seiner Fachkollegen und dem tiefen Gefühl des Unverstandenseins 1906 das Leben, indem er sich in seinem Hotelzimmer aufhängte.

Erst fast 70 Jahre später wurde Boltzmann sozusagen von Ilya Prigogine rehabilitiert in dessen Theorie Dissipativer Strukturen rehabilitiert, für die er 1977 den Nobelpreis erhielt, in der er zeigte, dass Boltzmann völlig recht hatte, die Entropie naturgestzlichen Charakter hat und wie letztlich die Behauptung Boltzmanns, dass die reversiblen mikroskopischen Bewegungen von Teilchen zu irreversiblen makroskopischen Prozessen führen können, was man heutzutage "Emergenz" nennt.

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Entropie und schlicht die Rate der zunehmenden Unordnung in einem bestimmten Zeitrahmen.