Japanische Kanji vorlesen?

3 Antworten

Wenn man seinen Text dann vorliest dann kann der doch gegenüber einen gar nicht verstehen, was man meint. Oder liege ich im Irrtum?

Genau so ist es. Japanisch ist die einzige Sprache auf der Welt, wo man nur so tut, als würde man verstehen, was der andere sagt. Wenn du irgendwo siehst, dass zwei Japaner sich gegenseitig was auf Japanisch erzählen oder vorlesen, und der andere jeweils zustimmend nickt oder sonst so tut, als würde er überhaupt was verstehen, weißt du sofort: ist fake.

Beispiel: go = Sprache/Mittag

Dein Verständnisproblem ist, dass „go“ alleine „Sprache“ oder „Mittag“ bedeutet, aber nicht das Wort „Sprache“ oder „Mittag“ ist - im Deutschen ist es nämlich dasselbe. Das Wort „Sprache“ ist (zum Beispiel) „gengo“, und das Wort „Mittag“ ist (zum Beispiel) „shōgo“. Innerhalb des Wortes „gengo“, das übersetzt „Sprache“ heißt, bedeutet „go“ „Sprache“, aber das Wort „Sprache“ ist nicht einfach nur „go“, sondern eben „gengo“. Ja, ist erstmal schwer zu verstehen, weil es im Deutschen diese Unterscheidung zwischen „Bedeutung“ und „Wort“ (zumindest bei diesem Beispiel) nicht gibt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lebe und arbeite seit 2017 in Japan

Das Zauberwort lautet Kontext. Du sagst ja nicht einfach "Mutter" und damit ist das Gespräch beendet. Du sagst sowas wie "Meine Mutter ist Ärztin" und damit ist klar, dass deine Verwandte gemeint ist und nicht das Gegenstück zur Schraube.

Ebenso in Japanisch: Du sagst nicht einfach ご, sondern vllt sowas wie

ドイツごが話せますか?

Damit ist klar, dass das ご hier für Sprache steht und nicht für Mittag, da letzteres sowohl inhaltlich als auch grammatikalisch keinen Sinn ergibt.

Kontext, Komposita, Betonung und Intonation machen i.d.R. klar, worüber gesprochen wird.

Zumal du auch aus der falschen Richtung denkst: Gesprochen wird unabhängig davon, in welcher Schrift man schreibt. Es ist also irrelevant, ob man Japanisch mit oder ohne Kanji schreibt - gesprochen wird es gleich.