Ich bin nicht sprachgewandt im Reden aber im Schreiben

3 Antworten

Zwei gute Gedanken von Dir und von muchobliged: Zeit und Übung. In der Schule werden wir sehr auf das Schreiben gertrimmt, während der Unterrichtsdialog oft (nicht immer) auf Faktenfragen und Antworten in einem Wort bis zwei Sätzen hinausläuft, sodass, wenn man sich mal komplexer/ umfassender ausdrücken soll (Referate) es immer gleich um Noten geht, was die Sache nat. auch nicht entspannter macht.

Und dann gibt es noch das Phänomen der Introversion, eines angeborenen Charakterzuges, der zwar keine Krankheit ist, mit dem man aber zu einer Minderheit von 20-30% der Bevöllkerung gehört und der sich unter anderem in Unsicherheiten beim Reden mit Menschen äußert. Der vermutete Grund dafür ist, dass man sich länger als die anderen damit aufhält, eingehende Wahrnehmungen und Eindrücke zu verarbeiten, sodass die alte Regel "Denken stört beim Sprechen" zuschlägt. Da hilft, wie mein(e) Vorschreiber(in) angedeutet hat Übung in Verschiedenen Formen.

Da ich mich jetzt auf Introversion festgelegt habe, fallen meine Tipps entsprechend aus (können aber auch für nichtbetroffenen wie z.B. einfach nur schüchterne Menschen hilfreich sein)

  • Sich Zeit nehmen: Wenn Du Dich an einem Gespräch beteiligen möchtest, warte kurz, bis Dir klar ist, wie Du das, was Du sagen willst, sagen möchtest (mir geht es jedenfalls oft so, dass ich einem Gespräch zuhöre und zuhöre, und mir irgendwann schlagartig klar ist, wie meine nächste "Textstelle" aussieht und ich sie dann nurnoch zu präsentieren brauche (ist bei größeren Gruppen nat. einfacher, als zu zweit und man muss ein bisschen aufpassen, nicht so zu sprechen, wie man schreibt (Satzbau und -Länge)))

  • Auf Bekanntes zurück greifen: Nicht jedes Thema ist einem vollkommen neu. Über manches hat man schon so einmal nachgedacht, seine Schlüsse gezogen und es dabei auch schon einmal formuliert. Wenn man die Verbindung zwischen dem momentanen Gesprächsthema zu den eigenen Gedanken dazu hinbekommt, kann das eine Abkürzung der Frage "Wie sage ich es?" sein.

  • Schematisieren: Klingt komisch, aber eigentlich geht es um Philosophie, nämlich eine eigenen Lebensphilosophie in der Form einer Systematik des eigenen WIssens und dessen Bewertung. Es geht darum, die Grund-Sätze für das eigene Leben zu finden, sich klar zu werden, was man im Allgemeinen von der Welt, den und dem Menschen und seinen Möglichkeiten hält und warum und was man damit anfangen möchte. Sich das durchzudenken und zusammen zu stellen dauert eine Weile und ist vielleicht niemals ganz abgeschlossen. Aber man kann den momentanen Stand als "Arbeitsversion" verwenden. Der Vorteil: Wenn man eine solche zusammenhängende Sichtweise auf die Welt hat und Äußerungen anderer dort als "passt"/ "passt nicht" und als "feindlich"/ "frueundlich"/ "harmlos"/ "lustig" (und was es noch so gibt) einordnen kann, kann man zum einen diese Äußerungen schneller verarbeiten und ist dabei zum anderen auch noch sicherer unterwegs als jemand ohne eine solche Systematik (wenn man weiß, warum man eine best. Äußerung wie findet, weiß man auch ,unter welchen Umständen man seine Einschätzung korrigieren kann und kann weniger aufgeregt daran heran gehen, als wenn die Reaktion auf bloßem Bauchgefühl beruht.)

  • Sich trauen: Üben ist Machen unter dem Vorbehalt der Nicht-Perfektion. Wenn es gut läuft, ist das schön, wenn nicht, kann man aus dem lernen, was nicht ganz so gut lief. Es ist oft hilfreich, wenn man jemanden hat, der einem Feedback gibt (sprich mal mit einem oder mehreren Freunden über das Thema und macht vllt. aus, dass Du ab und zu mal eine Rückmeldung bekommst oder erfragen kannst – es ist oft erstaunlich, wie weit die eigene Sicht auf sich selbst und der Eindruck, den man auf andere macht, voneinander abweichen.)

  • LmaA: Von Freunden, Familienmitgliedern und einigen aus institutionellen oder gesellschaftlichen Gründen "wichtigen" Personen abgesehen, ist es eigentlich komplett egal, was andere Menschen von einem denken. Wenn man das berücksichtigt, kann man sich enorm entlasten, indem man den kompletten nebenbei laufenden "Oh Gott, hoffentlich komme ich gut bei denen an"-Denkstrang einfach abschaltet und dadurch wesentlich unbeschwerter und innerlich ungestörter einfach agiert. Und komischerweise agiert man oft besser, wenn man unbeschwert ist.

  • Mut zur Lücke: Man muss nicht zu jedem Thama eine Meinung haben. Man muss nicht immer etwas dazu sagen. Und man muss auch nicht immer überzeugen. Viele Menschen wollen im Gespräch einfach nur ihre Meinung bekannt machen und sie nicht diskutieren oder gar korrigieren lassen.Man muss nicht von jedem verstanden werden.

So, vielleicht war was für Dich dabei.

Alles Gute!

certains 
Fragesteller
 29.01.2014, 17:27

Auch eine sehr tolle Antwort :) Ich hoffe aber nicht das ich nicht unter den 20-30% zähle. Der letzte Punkt ist wahr. Ich höre auch oft zu und wenn ich dann etwas dazu sage, wird meist das Thema schon weiterdiskutiert aber auch nicht mehr all zu viel. Ich denke die meisten werden mich als komisch betiteln. Zumindest wurde mir das über 3 erzählt. Ich mag ja auch nicht jeden und jeder bildet sich eine Meinung über einen anderen, was eigentlich nicht recht ist. Man kann ja auch nicht von jedem gemocht werden. Ich denke oft, ich will das auch können, das freie Sprechen, denn wenn ich das nicht kann dann denke ich darüber nach und das deprimiert mich in dem Moment wirklich.

Danke für deine zahlreichen Tipps :)

1
nemoUnfound  05.02.2014, 15:15
@certains

Hallo nochmal,

schön, dass Du was damit anfangen konntest. Introversion ist allerdings wirklich nichts Schlimmes. Oft wirkt sie sich "bloß" auf bestimmte Vorlieben aus. Wie ein perfekter Tagesablauf für einen persönlich aussieht, was für soziale Situationen man mag, wie man sich in seiner Freizeit am besten entspannen und regenerieren kann und sowas. Einem Introvertierten bringt es tendenziell eben nichts, seine Wochenenden auf zehntausend Parties zu verbringen (es sei denn, er mag die Musik, kennt dort ein paar Leute, oder hat dort irgendwas bestimmtes vor) und er wird ein wenig länger brauchen, um mit neuen Bekannten warm zu werden. (weshalb es oft mit Schüchternheit verwechselt wird).

jeder bildet sich eine Meinung über einen anderen, was eigentlich nicht recht ist.

Oh, doch. Es gibt Menschen, die sind schlecht für einen. Warum sollte man sich schaden, indem man mit ihnen mehr zu tun hat, als unbedingt nötig?

LG

0

Ich glaube, es geht erst mal vielen Menschen so, dass sie sich beim Schreiben besser ausdrücken können als beim Sprechen - man hat ja viel mehr Zeit, sich was Vernünftiges zu überlegen. Trotzdem kann ich verstehen, was du meinst.

Ich denke, eine Möglichkeit ist es, sich immer wieder Situationen zu suchen, in denen freies, spontanes Sprechen gefordert ist. Lass dich aber nicht zu sehr unter Druck setzen! Es ist nicht schlimm, mal etwas Falsches zu sagen oder einen Fehler zu machen. Zwei Möglichkeiten, so etwas zu üben, wären zum Beispiel Improtheatergruppen, wo du auch spontan sprechen musst, aber mit der Zeit auch besser und sicherer darin wirst. Vielleicht lohnt es sich auch, einen Kurs dazu zu besuchen! Eine andere Möglichkeit wäre ein Debattierclub - das gibt es in manchen Städten/Schulen/Unis. Es geht dort darum, mit anderen über bestimmte Themen zu debattieren und so lernt man neben dem freien Sprechen auch das schlüssige Argumentieren.

Allgemein aber würde ich sagen: Versuch, dir nicht zu viel Stress zu machen. Wenn du was Falsches sagst, ist das kein Weltuntergang. Und vielleicht sind die anderen gar nicht so sicher, wie sie scheinen - wie gesagt ist das eher ein Problem, das viele Menschen haben. Und wenn du beim Schreiben wenig Probleme hast, dich gut auszudrücken, ist es wohl eher ein Problem deines Selbstvertrauens und nicht deiner Sprachfähigkeiten.

certains 
Fragesteller
 29.01.2014, 15:44

Danke für deine Antwort, es ist wirklich mein Selbstvertrauen. Ich bin oft ein unsicherer Mensch. Deine Vorschläge dazu, mich im Reden zu verbessern finde ich echt klasse. Ich fühle mich in solchen Situationen hilflos... und habe dazu auch schon einige Kritiken bekommen bezüglich meines Sprechens bzw. wie ich mich Ausdrücke. Dazu kann ich nur sagen, in den Momenten, in denen ich sprechen soll, weiß ich zwar wie ich es formulieren kann aber da kommt dann so ein Stopper. Ich will auch nichts sagen was man falsch verstehen könnte. Mir ist das schon oft sehr peinlich.

Hilfreichste Antwort!

1

Kommt vielleicht daher das ich nicht sonderlich viel rede mit anderen sondern eher schreibe.