Goethes Faust Studierzimmer!

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Ich zitiere mal aus dem Nachwort in der Ausgabe die ich besitze (Nachwort von Erich Trunz):

Am Anfang war das Wort. Der Anfang des Johannes-Evangeliums. Der griechische Ausdruck "logos" ist hier mit "Wort" wiedergegeben. In der antiken Philosophie bedeutete "logos" Begriff, Vernuft, Weltgeist. Das Wort wurde aufgenommen von dem Frühchristentum, bedeutete die göttliche Vernunft und das Schöpfnungsprinzip, wurde dann auch auf Christus angewandt. - Faust will zwar, wie er sagt, übertragen, doch er geht sogleich dazu über, das entscheidende Wort nachzudenken. Es handelt sich um das, was im Anfang war, und deswegen kommt er im Sinne der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1) auf die Tat. - Herder als Theologe hat im Jahre 1775 in seinen "Erläuterungen zum Neuen Testament" geschrieben: "Im Anfang war das Wort... Was wissen und begreifen wir vom Wesen des Unendlichen, des Unerforschten?... Ließ sich also die väterliche, erziehende Gottheit herab, sich, den Unbegreiflichen, uns,... begreiflich zu machen: wie anders, als Menschen menschlich, in einem Bilde unserer Bilder ... Das innigst Begriffene, Heiligste, Geistigste, Wirksamste, Tiefste wählte sie, das Bild Gottes in der menschlichen Seele, Gedanke! Wort! Wille! Tat! Liebe!" (Werke, hrsg. von Suphan, Bd. 7, S. 355f.).

Quelle:Urfaust; Faust 1; Faust 2 - Komment. v. Erich Trunz - 2007. 777 S. 18,5 cm - Verlag/Jahr: BECK 2007 - ISBN: 3-406-55250-1 - Neue ISBN: 978-3-406-55250-2

Was nun soll das Zitat sagen? Es geht darum, die Bibel nicht nur zu übertragen, nicht nur das Wort in ein anderes umzuwandeln, sondern den Sinn darin mit hinüber zu nehmen. Die Szene soll zeigen, dass Faust sehr wohl weiß, was Gott/ göttliche Macht bedeutet, und dennoch lässt ihm sein Verlangen nach Erkenntnis keine Ruhe, sodass er sich letztlich doch mit dem genauen Gegenteil des göttlichen abgibt. Das göttliche in seiner Vollkommenheit reicht Faust nicht aus, ja scheinbar besitzt Faust nichts göttliches in sich und muss sich folglich auf die Ebene des nichtgöttlichen, des teuflichen herablassen. Dies wird auch im Vergleich mit der Geschichte von Hiobs deutlich, welcher die Prüfung durch Gott auferlegt bekam, sich mit dem teuflischen auseinandersetzen musste, um das göttliche zu sehen.

Die Szene mit der Bibel ist ein kleiner narrativer Haken, der dem Leser zeigt, in welche Richtung es mit Faust geht. Es wird der Widerspruch zwischen Befriedigung durch nicht-erkennen-wollen und Befriedigung durch Erkenntnis dargelegt. Das erhöht die Spannung, stellt klar auf welcher Ebene sich der Autor befindet und wohin Faust zurück muss. Diese kleine Schlüsselstelle enthält - wenn man um sie weiß - sehr viel Aussage über die Figur Faust in dem gesamten Konzept.

Sooo, das sollte nur mal ein Denkanstoß sein. Ich glaube anhand meines Zitats oben kannst du sehr gut erkennen, worum es geht. ;-)