Gibt es Nachteile an Entwicklungshilfe?

2 Antworten

Besorge dir: Brigitte Erler: Tödliche Hilfe - Bericht von meiner letzten Dienstreise in Sachen Entwicklungshilfe.- Dreisam Verlag Freiburg. Da findest du viele Argumente.

Diese "Hilfe" hat noch nie und nirgendwo im Sinne des Geldgebers "funktioniert".

Volkerseitz  29.03.2022, 16:39

Brigitte Erlers Buch von 1985 ist (noch) lesenswert. Es bezieht sich allerdings vorwiegend auf Bangladesh und nicht auf den afrikanischen Kontinent wohin seit Jahrzehnten die Milliarden fliessen, die die Armut kaum verbessert haben.

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Ich habe diese Frage in meinem Buch "Afrika wird armregiert" dtv, 2021 (11. Auflage) ausführlich beantwortet. Hier weitere Bemerkungen: Die Entwicklungshilfe ist seit Jahren in Verruf geraten, aber es fehlt der Veränderungsdruck. Entwicklungspolitiker glauben immer noch, dass sie etwas Gutes tun, deshalb zeigen sie auch keinen erkennbaren Willen z.B. die Korruption abzustellen.Entwicklungshilfe wird nicht ausreichend von unabhängigen Experten mit ernsthaften Wirkungsstudien untersucht und die Geberorganisationen werden nicht hinreichend für die Ergebnisse ihrer Arbeit verantwortlich gemacht.

Erfolgsgeschichten beruhen immer noch auf Selbsteinschätzungen. Entwicklungshilfe ist noch immer -gerade in diesen Tagen – Ablasshandel. Altruismus, Mitleid, Großzügigkeit werden gezeigt, in dem eine florierende Hilfsbranche immer wieder und immer mehr Geld gibt. Damit wird christliche Nächstenliebe gezeigt, um die Ursachen der Misere wird sich herumgewunden. Moralisch überlegen ist der, der fordert. Emotionale Aufwallung verhindert das Denken. »Die Täter sind immer die anderen, die Opfer immer die Afrikaner. ›Das Ritual des Beschönigens und Beschuldigens verbindet schwarze Eliten und weiße Helfer‹« sagt die Kamerunerin Axelle Kabou in ihrem immer noch lesenswerten Buch “Weder arm noch ohnmächtig”.

Sehr empfehlen kann ich auch den Dokumentarfilm „Congo calling“

Stephan Hilpert dokumentierte in seiner Langzeitbeobachtung (ab 2015) drei Entwicklungshelfer in der Demokratischen Republik Kongo. Der Film (seit 2019 als DVD ) beschreibt das Dilemma europäischer Entwicklungshilfe und ihrem Scheitern, im Großen wie auch im Kleinen.

Im Kongo hat sich ein Hilfssystem etabliert mit einer sehr sichtbare Struktur Es gibt da Hunderte, wenn nicht Tausende Hilfsorganisationen, lauter weiße, westliche Helfer, die dort mit ihren weißen Jeeps rumfahren. Unter ihnen Raul, Peter und Anne-Laure. Sie sind hochmotiviert und voller Visionen, doch ihre Situation wirft für sie grundsätzliche Fragen auf. Raul, ein spanisch-französischer Wissenschaftler, muss feststellen, dass er seine Kollegen mit den Projektgeldern zur Korruption verführt und seine Studie über die Rebellengruppen deshalb zu scheitern droht. In einer weiteren Szene trifft sich Rául mit Rebellen, die ihm drastisch vor laufender Kamera erklären, dass sie ihn umbringen würden, wenn er mit politischem – statt mit wissenschaftlichem – Interesse vor Ort sein sollte. Peter, ein deutscher Entwicklungshelfer, erhält mit Vollendung des 65. Lebensjahres – nach 30 Jahren in Afrika – keinen Anschlussvertrag mehr, ist also plötzlich mittellos. Er verkörpert den hilflosen Helfer. Die Belgierin Anne-Laure hat ihre Stelle als Entwicklungshelferin aufgegeben. Sie arbeitet nun für ein kongolesisches Musikfestival und kämpft mit ihrem regimekritischen Freund und anderen Einheimischen für eine bessere Zukunft. Junge Afrikaner rufen in die Kamera "Wir wollen wie die Weißen sein." In einer anderen Szene wird ambivalente Konstellation zwischen den Kongolesen und den europäischen Akteuren der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit thematisiert, weil sie Parallelgesellschaften schaffen. Drei persönliche Perspektiven auf das Zusammenleben und Zusammenarbeiten zwischen Europa und Afrika. Der Film zeigt die Zerrissenheit der Helfer , zwischen den Eigeninteressen, die jeder Entwicklungshelfer auch hat, und den Erwartungen, die die Einheimischen an die Entwicklungshilfe stellen.Die Stärke des Films ist, dass er keine Stellung bezieht.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Aoeteroaner  03.04.2022, 15:08

Das hast Du sehr gut zusammengafasst! Eigentlich ist mir das alles seit mitte der 1970er bekannt. Hin und wieder sehe oder lese ich über Projekte, die mir dann doch hilfreich erscheinen. Dachte eigentlich, dass die Verantwortlichend a inzwischen etwas dazugelernt hätten. Und klar, Korruption wird immer noch zu sehr gefördert, was dann tatsächlich jede Veränderung verhindert. Und dann die Konflikte um die nationalen Interessen der Geberländer, die eine ihnen genehme Regierung in diesem Land sehen wollen, wohl auch, um zu verhindern, dass die exportierten waren nicht teurer werden......

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