Gestalttherapie vs systemische Therapie

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Gestalttherapie ist für mich eine Methode, rudimentäre Anteile der Persönlichkeit, (die aus Schmerz verdrängt wurden, aufgrund von Erziehung und Sozialisation verleugnet werden, oder aufgrund von unterdrückten Wünschen oder Ängsten gemieden werden, etc.) wieder zu entdecken, lebendig zu machen und in eine neues Ganzes zu integrieren – oder anders gesagt „Gestalt annehmen zu lassen“. Dies bedarf einer sehr intensiven, verstehenden, unterstützenden und auch emotionalen Arbeit mit dem Klienten – eine Arbeit, bei der immer beide Parteien bereichert werden.

Oder, um ein Zitat aus dem Buch: Fritz Perls: (1981): Gestalt-Wahrnehmung - Verworfenes und Wiedergefundenes aus meiner Mülltonne zu bemühen:

„Sobald man sagt: Ich möchte mich ändern- ein Programm aufstellt - wird eine Gegenkraft in einem erzeugt, die von der Veränderung abhält. Änderungen finden von selbst statt. Wenn man tiefer in sich hineingeht, in das, was man ist, wenn man sich annimmt, was da vorhanden ist, dann ereignet sich der Wandel von selbst. Solange man ein Symptom bekämpft, wird es schlimmer. Wenn man Verantwortung übernimmt für das, was man sich selbst antut, dafür, wie man seine Symptome hervorbringt, wie man seine Krankheit hervorbringt, wie man sein ganzes Dasein hervorbringt - in dem Augenblick, in dem man mit sich selbst in Berührung kommt -, beginnt das Wachstum, beginnt die Integration, die Sammlung.“

Systemische Therapie, ist zumindest mir persönlich zu kognitiv und wissenschaftlich belastet und besser dafür geeignet, die Dynamik und genaue Art von Interaktionen in Gruppen (z.B. Familie) genau zu diagnostizieren, und dann durch Strategie-Änderung positiv zu verändern. Dies hat durchaus seine Berechtigung, bringt aber meiner Meinung nach längst nicht die persönlichen, tiefen Erkenntnisse, und befreienden Wachstumsmöglichkeiten oder richtungsweisenden Erfahrungen für mein Leben mit.

PS: Ich bin ausgebildeter Gestalttherapeut (von Seymour Carter / Director of Gestalt-Institute Big Sur/California), habe allerdings zu 90% immer in psychotherapeutischen Kliniken gearbeitet, die sich streng an psychoanalytischen Konzepten (Freud, Adler, Melanie Klein, Kohut, etc.) orientiert haben.

PPS: Gestalttherapie erforscht mit sehr einfühlsamen und tiefenpsychologischen Methoden das "WIE"! Wie fühlt sich diese Haltung genau an, wie erfahre ich mich, wenn ich es wage diese oder jene Änderung zu leben, etc. etc. ...ein sehr spannender Prozess, während viele andere Methoden über die Erforschung des "WARUMS" schnell zum intellektuellen "Hirnen" verleiten. Während nach einer erfolgreichen Erfahrung, und damit einhergehenden Änderung die sich die Frage nach dem WARUM gar nicht mehr stellt.