Für welche Handlungen lässt Aristoteles nach Meinung des Phylosophen keine Maßvolle Mitte finden? Warum nicht?

2 Antworten

Keine maßvolle Mitte gibt es bei Handlungen, die allgemein in sich schlecht sind, und bei dem Zuviel und Zuwenig von Handlungen.

Aristoteles versteht ethische Tugend als (richtige) Mitte, die zwischen einem Zuviel (Übertreibung/Übermaß) und einem Zuwenig (Zurückbleiben/Mangel) liegt.

Die Mitte in der von Aristoteles vertretenen Ethik ist eine innere Haltung/Einstellung (denkbar ist, sie als eine Verhaltensdisposition zu bezeichnen). Sie findet und wählt bei den Leidenschaften und Handlungen das Mittlere. Die Mitte bzw. das Mittlere ist nicht einfach Mittelmäßigkeit, sondern es geht um das für jemand in einer Lage Angemessene. Was dies ist, kann durch Vernunft/richtige Überlegung ermittelt werden.

Bei Handlungen, die in sich schlecht sind, hängt es nicht von den Umständen ab, was bei einer solchen Handlung richtig oder falsch ist, sondern sie sind immer falsch. Die Handlungen werden getadelt, weil sie schlecht sind, nicht nur, wenn sie in einem zu kleinem oder zu großem Ausmaß begangen werden. Aristoteles, Nikomachische Ethik 2, 6 nennt als Beispiele Ehebruch, Diebstahl und Mord.

Bei dem Zuviel und Zuwenig von Handlungen ist es Unsinn, dies noch einmal in richtige Mitte und Zuviel und Zuwenig aufzuspalten, als gebe es eine richtige Mitte, ein Zuviel und ein Zuwenig des Zuviel und eine richtige Mitte, ein Zuviel und ein Zuwenig des Zuwenig.

Ungerechtes, feiges und zügelloses Handeln (und ähnliches Handeln) ist allgemein schlecht. Es ist z. B. nicht gut, in einem mittleren Ausmaß ungerecht zu sein.

Besonnenes und tapferes Handeln (und ähnliches Handeln) ist allgemein gut. 

Das "Mesotes-Motiv" ist in der aristotelischen Ethik eben nur eine gewisse Leitlinie für die Fälle, wo ein Zuviel oder ein Zuwenig für den Menschen unzuträglich sind. Die bekannten Beispiele dazu (Tollkühnheit - Tapferkeit - Feigheit) sind hinlänglich bekannt. Bei zahlreichen ethischen Problemfeldern geht es jedoch weit mehr um eine differenzierte - quasi faktorenanalytische - Betrachtungsweise.

So ist z.B. die "Gerechtigkeitsproblematik" ein ungemein kompliziertes Feld, weil man zunächst einmal die Gleichbehandlungsforderung diskutieren muss. Es ist schließlich naheliegend, dass Gleichbehandlung nur dort zu fordern ist, wo Menschen in jeder Hinsicht auch gleich sind - und eben das ist nicht der Fall. Sie sind unterschiedlich alt, unterschiedlich ausgebildet und erfahren, haben sehr verschiedene Talente, Prägungen oder körperliche Voraussetzungen, stammen aus zum Teil ganz verschiedenen sozialen Bezugssystemen, haben die unterschiedlichsten Qualifikationen, Prüfungen oder angeborene wie auch erworbene Privilegien. Somit eröffnet sich eine schier endlose Fülle von Perspektiven, die nur in einem seriös geführten Diskurs einer Lösung zugeführt werden können, die dann natürlich auch immer anfechtbar bleiben muss, da es keine absolut gültigen Entscheidungen geben kann.

Selbstverständlich wusste auch schon Aristoteles um diese Probleme, doch als eine Art Handreichung für eine erste grobe Orientierung in ethischen Fragen schien ihm für bestimmte Entscheidungsprozesse das "Mesotes-Motiv" hilfreich zu sein, und eben nur so sollten wir es auch in unserer Zeit für die Fälle zu Hilfe nehmen, in denen sich das "mittlere Maß" als das ethisch anzustrebende vorteilhaft erweist.