Fraktionsdiziplin Pro Contra?

2 Antworten

Fraktionsdisziplin, oder auch Fraktionszwang, bedeutet, dass die Mitglieder einer parlamentarischen Fraktion sich an die Abstimmungsvorgaben des Fraktionsvorstandes bzw. des Fraktionsvorsitzenden halten und geschlossen zu bestimmten Drucksachen abstimmen.

In der konkreten Praxis ist der Ablauf so, dass in einem parlamentarischen Zyklus Drucksachen (Anträge, Anfragen, usw.) aus den Ausschüssen und Fraktionen bei der Bundestagsverwaltung bzw. dem Bundestagspräsidenten eingebracht werden.

Es entsteht eine Tagesordnung mit diesen Drucksachen, die den Fraktionen vor einer Sitzung zugestellt wird. Dann kommen die Fraktionen in ihren Fraktionssitzungen zusammen und debattieren, wie sie sich zu bestimmten Anträgen verhalten wollen. Dabei wird im Blick behalten was die Position der Partei ist, was die Position der anderen Parteien im Parlament ist, des möglichen Koalitionspartners, der Wähler und so weiter.

Wenn die Fraktion sehr groß ist, was alle Fraktionen im Bundestag betrifft, dann gibt es natürlich immer wieder Leute die bei einzelnen Drucksachen persönlich eine andere Meinung vertreten. Wenn aber die Fraktion als ganzes oder in der Mehrheit eine andere Meinung hat, besagt der Fraktionszwang, dass sich der einzelne Abgeordnete der Mehrheit der Fraktion bzw. der Vorgabe des Fraktionsvorsitzenden anschließt und gegen seine persönliche Meinung stimmt.

Da die Abgeordneten in Deutschland per Grundgesetz frei sind, ist der Fraktionszwang verfassungswidrig und hat keine rechtliche Wirkkraft, auch wenn die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU es in ihrem Koalitionsvertrag so vereinbaren. Man hört ja immer wieder, dass bei sehr schwierigen Themen auch Abweichler dabei sind. Obgleich er aber Verfassungswidrig ist und keine rechtliche Wirkkraft hat, ist das politische System leider dennoch so ausgelegt, dass Abweichler unter Druck gesetzt werden können. Das betrifft vor allem Leute, die nicht mit einem Direktmandat aus einem Wahlkreis in den Bundestag gewählt werden, sondern durch Übergangmandate und einen Listenplatz in den Bundestag kommen. Wenn der Betroffene zu oft Abweicht, wird ihm der Listenplatz entzogen.

Soweit zum Inhalt.

Der Vorteil des Fraktionszwanges ist, dass man in der Regierung stabile Mehrheiten generieren und garantieren kann. D.h. man hat politische Stabilität und baut zu den anderen Koalitionspartnern Vertrauen auf und kann langfristiger Planen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man nicht der Gefahr ausgesetzt ist, dass die eigenen Leute plötzlich mit der Opposition abstimmen und Drucksachen beschließen, welche die Regierung nicht will.

Der Nachteil des Fraktionszwanges ist, dass er wie gesagt Grundgesetzwidrig ist und den einzelnen Abgeordneten dazu zwingen könnte nicht nur gegen seine eigene Meinung, sondern z.B. auch gegen die Interessen derjenigen zu stimmen die ihn in seinem Wahlkreis gewählt haben. Ein weiterer Nachteil ist, dass damit der Eindruck verstärkt wird, dass es z.B. zwischen den Parteien keine Konflikte oder Unterschiede gibt was für die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung und das Vertrauen in die Demokratie Gift ist.

In der politischen Praxis gibt es auch Auswege aus dem Fraktionszwang. Der Fraktionsvorsitzende hat auch die Möglichkeit in Absprache mit der Partei und anderen Fraktionsvorsitzenden, die Abstimmung freizugeben. Das bedeutet, dann kann jeder Abgeordnete abstimmen wie er möchte. Außerdem ist es auch gängige Praxis, dass wenn es bspw. wichtige Abgeordnete sind die nicht so wie die Fraktion abstimmen wollen, der betroffene Abgeordnete auch den Parlamentssaal verlassen kann.

Für viele Kritiker und Frustrierte, ist der Fraktionszwang eines der zentralen Argumente, warum in Deutschland bspw. eine Fassadendemokratie herrscht. In Wahrheit ist der Fraktionszwang selten notwendig, da die Abweichler oft selbst nicht gegen ihre eigene Fraktion arbeiten wollen und es nicht sehr oft Fragen gibt, wo es krassen Dissenz in der eigenen Fraktion gibt.

Politiker kandidieren als Repräsentanten ihrer partei und DEREN Programmatik. Daraus lässt sich auch die Notwendigkeit der Fraktionsdiziplin ableiten und begründen.

Andererseits sind sie als autonome Individuen nunmal auch zu freier Mienungsbildung und -äußerung berechtigt - und insofern natürlich auch berechtigt, sich gegen die Fraktionsdisziplin zu entscheiden.

Die Partei bzw. Farktion hat ihrerseits das Recht, bedarfsweise "Abweichler" aus ihren Reihen auszuschließen.

Das sind die Eckpunkte eines Spannungsverhältnisses, indem sich jeder Abgeordnete bewegt.