Frage zu Philosophie?

2 Antworten

Das Bild auf dem Foto ist ein Dokument aus der Vergangenheit. Du siehst jemanden, den es so nicht mehr gibt, weil jeder gelebte Tag den Menschen verändert. Dadurch hast du zu dem Bild eine gewisse Distanz, obwohl es ja dein Abbild darstellt.Es ist ein statisches Gebilde, dass mehr ins Archiv denn ins Leben gehört.

Der Blick in den Spiegel ist dagegen eine existentielle Erfahrung. Hier willst du etwas entdecken, etwas erkunden, was dir Wohlgefühl aber auch Schrecken bereiten könnte. Hier willst du erfahren, was sich für einen anderen in deinem Anblick offenbaren könnte. Du prüfst alle möglichen Fragen durch, was z.B. ein Außenstehender beim Betrachten deines Gesichtes denken könnte. Ließe sich aus deinem Bild vielleicht ablesen, dass du charakterliche "Schwächen" hast, dass du an vielen Stellen gegenüber deinen Mitmenschen unehrlich bist, dass du bestimmten tabuisierten Neigungen nachgehst, dass du Suchtstrukturen hast (z.B. dass man dir deinen Alkoholismus ansehen könnte). Oder könnte man deinen Gesichtszügen entnehmen, dass Krankheiten deinen Körper ergriffen haben wie Herzschwäche, Magengeschwüre, Niereninsuffizienz, Nervenleiden, beginnender Alzheimer oder anderes? Oder könnte deine Gesicht verraten, dass du dich schwach und inkompetent fühlst, dass du weit mehr Angst hast als Mut und Zuversicht, und vor allem: könnte sich in deinem Gesicht abbilden, dass dir bewusst ist, dass ein anderer eben diese ganzen Unzulänglichkeiten sieht und dich deswegen verachtet und vor allem sieht, dass du diesem anderen gegenüber signalisierst, dass du weißt, dass er sieht und dich umso mehr verachtet.

So wirst du den Blick viele Male vor dem Spiegel modifizieren, wirst das Licht verändern, von unten nach oben und von oben nach unten schauen, den Kopf drehen und wenden, die Augen mal mehr schließen und dann wieder aufreißen, den Mund öffnen und wieder zukneifen, wirst grimassieren - immer mit der wachsenden Sorge, was man da alles sehen könnte. Scham über Falten und Flecken, Mitesser und unharmonische Strukturen geben Anlass zu peinigenden Erkenntnissen, und hinter allem schwebt so ein endloser Zweifel, ob ich mit diesem Gesicht noch attraktiv im erotischen Feld sein könnte.

Klar, dass bei einem jungen Menschen die typischen Probleme des Alterns und den zahllosen daraus folgernden Sorgemotiven noch nicht so ausgeprägt sind, aber auch bei ihm stellen sich Überlegungen ein wie: erscheine ich intellektuell genug, oder habe ich die Augen eines Dummkopfes. Ist meine Nase nicht zu gequollen, zu großporig, das Kinn nicht entschlossen genug, die Lippen zu dünn und nicht ausreichend sinnlich?

Der Blick in den Spiegel bleibt eine einschneidende Erfahrung, wenn sie mit tiefer Introspektion einhergeht.


Samiiiraaaa1204 
Fragesteller
 01.04.2023, 22:23

Vielen lieben Dank das hat mich grade so weiter gebracht 🫶🏼🫶🏼

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Was mir dazu einfällt:

Dein Spiegelbild ist horizontal gespiegelt.

Auf einem Foto ist das Bild nicht gespiegelt.

Außerdem ist dein Spiegelbild nicht statisch, d.h. du kannst dich vor einem Spiegel frei bewegen und siehst deine Bewegungen.

Auf einem Foto hast du nur die eine Position, Haltung, Gestik, Mimik.

Auch können in beiden Fälle die Lichtverhältnisse anders sein.


Samiiiraaaa1204 
Fragesteller
 01.04.2023, 20:04

Würde es denn reichen wenn ich sowas schreibe oder soll ich meine „Philosophischen“ Gedanken auch mit reinschreiben?

danke dir

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