Dornröschen

8 Antworten

Ich habe noch einen interessanten Hinweis. Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" 12/2012 vom 19.3.2012 steht der folgende Artikel:

Literaturwissenschaft "Schon kommt der Prinz"

Heinz Rölleke, 75, emeritierter Germanistikprofessor, über sein Buch "Es war einmal..." (Verlag Eichborn), in dem er beschreibt, wem die Brüder Grimm die Märchen verdanken.

Spiegel: Vor 200 Jahren erschien die Erstausgabe von Grimms Märchen. Sie haben herausgefunden, wer den Brüdern Grimm die Märchen zutrug. Lesen sich die Märchen anders, wenn man das weiß?

Rölleke: Natürlich. da haben wir zum Beispiel die Schwestern Hassenpflug, Töchter eines Regierungspräsidenten, von denen die Älteste den Brüdern Grimm "Dornröschen" erzählt hat. Sie war damals noch keine 20 Jahre alt. Sie erzählte die Geschichte einer Prinzessin, die nichts leisten muss, die nicht geprüft wird, sondern einfach nur schläft - und schon kommt der Prinz und damit das Happy End. Das dürfte in etwa das gewesen sein, was eine junge Dame von ihrem eigenen Leben erwartetete.

Spiegel: Härtere Stoffe wurden den Grimms von Leuten zugetragen, die ein entbehrungsreiches Leben hatten?

Rölleke: Zum Teil ist das tatsächlich so, wie meine Forschungen im Nachlass der Grimms und in den Aufzeichnungen ihrer Freunde ergeben haben. Da gibt es Dorothea Viehmann, damals 57 Jahre alt, eine Wirtstochter und Schneiderswitwe, die den Brüdern Grimm Märchen erzählte, in denen die Heldinnen sich das Happy End erkämpfen müssen, voher verstoßen werden und so weiter. "Die Gänsemagd" oder "Hans mein Igel".

Spiegel: Hat sich die Sprache der Zuträger den Märchen eingeprägt?

Rölleke: Dorothea Viehmann brachte Wendungen wie "Es begab sich aber" oder "Es geschah aber" in die Märchen ein. Sie war eine fromme Frau und kannte diese Wendungen aus der Bibel.

Spiegel: Warum hat sich die Germanistik so lange nicht für die Zuträger interessiert?

Rölleke: Das liegt am Genre. Märchen gehörten für die Literaturwissenschaft zur nicht künstlerischen Volksliteratur. Und die Volkskundler wiederum haben gesagt: Das ist Literatur, also nichts für uns.

Aus dem ersten Google-Treffer, dem Märchenlexikon, habe ich einmal einen Abschnitt für die herauskopiert:

"Dornröschen ist 15 Jahre alt, als sie der Verzauberung verfällt - es ist der Zeitpunkt des Übergangs vom Kind zur Jungfrau. Jede wichtige Entwicklungswende, jeder Übergang von einer Lebensstufe zur anderen wird als Gefährdung empfunden. Es ist eine natürliche Erscheinung, dass der Junge in diesem Alter sich auf sich selber besinnt, dass das Mädchen sich in sich zurückzieht, dass beide Geschlechter eine Zeitlang schüchtern und zurückhaltend oder stachlig, trotzig, abweisend werden; eine Dornenhecke scheint um den jungen Menschen zu wachsen und ihn nach aussen abzuschirmen. Aber im Schutze solcher zu erwachen.

Die Figuren des Märchens sind nicht individuell gezeichnet. Es handelt sich nicht um Einzelschicksale. Es ist auch nicht nur der einmalige Vorgang der Reifezeit, der sich in der Märchenhandlung spiegelt. Die Dornröschenerzählung ist mehr als eine phantasievoll stilisierte Liebesgeschichte, die das Sich-zurückziehen des jungen Mädchens auf sich selbst und die Lösung des Bannes durch den liebenden Jüngling darstellt; man nimmt die Prinzessin unwillkürlich zugleich als ein Bild für die menschliche Seele: Die Erzählung schildert Begabung, Bedrohung, Lähmung und Erlösung nicht nur irgend eines Mädchens, sondern des Menschen überhaupt. Die Seele des Menschen verfällt immer wieder der Verkrampfung, der Lähmung, und immer wieder kann sie, wenn es gut geht, neu belebt werden, geheilt, erlöst werden. Wenn es gut geht! Abnormes Verharren im Zustande der Lähmung, Unfähigkeit, den Lebensquell in sich selbst und den Kontakt mit der Umwelt neu zu finden, das kommt freilich auch vor. Aber das Märchen zeichnet nicht den abnormen Fall, sondern die natürliche Entwicklung, und es erfüllt die, die es aufnehmen, mit dem Vertrauen, dass nach dem Todesschlaf ein neues, stärkeres Leben, nach der Vereinsamung eine neue Form des Kontaktes, der Gemeinschaft erstehen werde."

Demnach wäre das Dornröschen-Märchen also eine Erzählung über die Pubertät, also den Übergang eines Mädchens von der Kindheit zum Erwachsenwerden.

Die Moral von der Geschicht' ist: Die Pubertät ist zwar eine schwierige Zeit. Es kommt vor, dass man sich dann abkapselt, als hätte man eine Dornenhecke um sich herum, in eine Art Lähmung verfällt und sich gar nicht gut fühlt. Aber nach einer Weile kommt man über diese Phase hinweg und kann sich dann wieder seines Lebens freuen.

Ob 6- 10jährige Kinder diesen Märchensinn intuitiv begreifen und daraus etwas lernen, weiß ich nicht. Wenn die Lehre wäre, dass die Mädchen in der Pubertät dann meinen, ein fester Freund ("Märchenprinz") wäre unbedingt nötig, damit sie sich wohlfühlen können, meinst du, dies wäre die richtige Lehre?

Hallo, hier habe ich mal einen link für dich, der die Geschichte orginalgetreu erzählt und durch Überschriften schon etwas unterteilt und dir einen Hinweis gibt - welchen Aufschluss man aus dieser Begebenheit ziehen könnte.

http://www.maerchenstern.de/maerchen/dornroeschen.php5

Um herauszufinden was man dabei lernen könnte, kann man sich Fragen dazu stellen wie zb. Was war an dieser Situation besonders? Gibt es so eine Situation auch im Alltag? Wie könnte sie aussehen? Oder welche Tatsachen lagen vor und wie haben die Beteiligten darauf reagiert?

Manchmal gibt es Umstände gegen die kann man nichts machen - manchmal hat man es aber auch selbst in der Hand - Finde heraus, wer in diesem Märchen aktiv wurde (auch wann) und mit welchem Erfolg.

Wenn du das Märchen gut durchliest und eine Weile über die Einzelpersonen nachdenkst bin ich mir ziemlich sicher, das dir noch einiges dazu einfällt - hoffe das hilft dir ein Stückchen weiter :)

LG IID

Du findest gute Kinder und Jugendliteratur in der Bücherei deiner Stadt oder Schule.

Paguangare  29.03.2012, 18:05

Und was hat das, bitteschön, mit der Fragestellung der JaZmIn199 zu tun?

Soll sie sich jetzt ein anderes Märchen oder eine andere Geschichte zum Interpretieren heraussuchen, weil "Dornröschen" nicht "gut" ist?

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Wer ist "wir"? Ist das für die Schule? Für die Uni?

Ich würde Folgendes hinterfragen:

Die kleinkarierte Engstirnigkeit der königlichen Eltern: Weil sie nur 12 goldene Gedecke hatten, wird die 13. Fee nicht eingeladen. Um die äußere Harmonie zu bewahren wird die innere Harmonie geopfert. Die Fassade hat Priorität, dafür nimmt man in Kauf, jemanden vor den Kopf zu stoßen.

Das personifizierte Schicksal rächt sich: Die Folge der Gedankenlosigkeit ist ein Fluch, dem keiner entrinnen kann. Vergleiche das mit den Worten Jesu: "Eure Sünden werden Euch verfolgen bis ins Tausendste Glied." Welche Folgen hat es, wenn Kinder ihre Mitschüler ausgrenzen? -> Vereinsamung, Depression, Abgleiten in Suchtverhalten, Agrressivität bis hin zum Amoklauf.

Im rechten Licht betrachtet ist das eigentlich ein Märchen für Kinder und Jugendliche zwischen 10-16 Jahren...

Und dann kommt noch die ungehorsame Neugierde der Prinzessin: Typisch Pubertät. Sie will's wissen und sticht sich ins eigene Fleisch...